This is a reproduction of a library book that was digitized by Google as part of an ongoing effort to preserve the information in books and make it universally accessible.
Google books
https://books.google.com
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun Öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books.google.comldurchsuchen.
WIDENER Au HN STEL Y
„
eee * . & Harvard College |3 = 2 8 2 >“ 8 80 50 10 ei C * 2 i | 1) "4 * & A W . 2 er — . = > 150 FROM THE BEQUEST OF Be E JOHN HARVEY TREAT > x OF LAWRENCE, MASS. . . CLASS OF 1862 * 8 3 . R. K . R. B.- B.- H.-R. R. R. R. R.. N KH. H.
*
Digitized by Google
Digitized by Google
Benediktiniſche Mo natſchrift
zur Pflege religiöfen und geiſtigen Lebens
herausgegeben von der
Erzabtei Beuron
4. Band 1922
Verlag der Beuroner Aunfifchule, Beuron (Hohenzollern).
CP \b Io a,
HARVARD COLLEGE LIBRARY TREAT FUND
Ja. Y, 1477
Druck des Aunftverlages Beuron.
Inhalt
Nufſätze
Dom Weſen des katholiſchen Glaubens und Pebens (B. Daniel Feuling) 1,
Die Epiphanie im Lichte der Religionsgeſchichte (P. Odo Caſel) r
Die Anfänge der Klöſterlichen Profeß (P. Matthäus Rothenhäusler) .
Der Geiſt des hl. Franz von Sales (P. Alois Mager)
Erinnerungen an einen Meifter liturgiegeſchichtl. Forſchung (P. cunibert mohlberg)
Dom Ursmer Berlières Führung durch die A ene 2 Gebildetenkreife (P. Anfelm Ianſer) F
Papft Benedikt XV. (Abt Raphael Molitor) . ;
Die Weisheit des Predigers (P. Athanaſtus Miller)
Dealismus und Wirklichkeit (P. Timotheus Kranich)
Pfalm 90 (91) in der Faſten (B. Sturmius Kegel)
dwei Oſterpſalmen Abt Toftis (P. Anſelm Manſer)
Rardinal Newman über Wege zur Wahrheit und Gewißheit Bi Daniel aug
Mag Reger und die Kirchenmuſik (P. Fidelis Böfer) . .
Sottgeweiht im Laienkleid (Abt Plazidus Glogger)
Pfingſten: der Triumph des Geiſtes der Triumph Chrifti p. Benedikt Baur)
Don den Katakomben zu St. Peter in Salzburg (P. Anſelm Ebner) .
dan van Ruusbroeck, Wie Chriſtus ſich ſelbſt für alle im Sakramente des Altares hinterlaſſen hat. Don himmlichem Wohl und hölliſcher Qual we b. P. Willibrord Derkade) . N 214
du einem Gedenktage des väterforſchers Dom Germain Morin (B. A. manſer)
neue meßbücher für das katholiſche Volk (B. Amandus G' sell)
Erinnerungen an Daniel Bonifatius Dr. von Haneberg O. 8. B. (P. Rupert du)
Die Weisheit der Ewigen Weisheit (P. Athanafius Miller)
Weſen und Aufgabe der Afzefe (P. Daniel Feuling) .
Der hl. Baſilius der Große und die klöſterliche Profeß (P. Matth. Botenfäusler
Muſtiſche und magiſche Seelenvorgänge (P. Alois Mager) 5
holländiſche und deutſche liturgiſche Bewegung (B. Amands G' sell)
Der Ewigen Weisheit Vermählung mit der Seele des Gerechten P. ac Miller)
Die Aſzeſe der Benediktinerregel (B. Daniel an
Die Heldenfeele (P. Timotheus Kranich) 8
Benediktinifches Leben an der Weſer in alter und neuer geit (b. odo Cafe
In der alten Kloſterbibliothek von Tleresheim (P. Bafilius Hermann)
Die Gemeinſchaft der Heiligen (P. Benedikt Baur) . :
erwachen der Vernunft und Sündenbewußtſein (P. Alois mager)
Die Aöventskantika des monaſtiſchen Breviers (P. Bernhard Barth)
ein tauſendjähriges St. Benediktsheiligtum (PB. Kornelius Aniel) . .
Die drei „0“. Eine Weihnachtsbetrachtung für e en De Sloggen
Oberammergau 1922 (P. hugo Pang) 3
IV
Gedichte
An die hl. Mutter des bichts. Aus dem Syriſchen. (Überf. von P. Pius Zingerle)
Gied von der Bruderliebe. Aus der Römiſchen Sründonnerstagsliturgie (überf. von P. Anfelm Manfer) . .
Die Auferftehung Chrifti. Die Auferftehung des Fleiſches. Aus dem Italieni-
[hen des Luigi Tofti (überſ. von P. Anfelm Manſer) . 143 Eine Mlorgenanmutung zum Dreieinen von der hl. Caterina von Siena (überf. von B. Anfelm manſer . Er A er. ae
»Ipsi sum desponsata« (M. Benedikta von Spiegel) 2 Aöventskantika. Aus Jſaias, Kap. 40, 42, 49 (überſ. von p. Bernhard Barth)
verſchiedenes
Geftärkt ward der Jungfrau herz (Mariä Verkündigung) Die Macht der kath. Kirche. Aus Newman, Grammar of Assent . RR Ein Wort des hl. Auguftinus von der Liebe. . . . . Bea Bene Aus Möhlers Symbolik . A 5 Ein Wort des hl. Baſtlius von der Sottesliebe 0 b. aufen mouse Weihnacht, Reſponſorium der Metten ; R
kleine Beiträge und Hinweiſe
Ehrung des hl. Hieronymus im früheſten bekannten Marturologium Spaniens (P. Anſelm Manfer) . . :
Rirchenväterlefung am Gymnafium zu Difentis p. Anfelm Manfer) er
Der hl. Franz von Sales ein Freund und Förderer der Anatomie? G. Sie: brand Bihlmeyer) . 3 . ; g
dur Pflege der Biturgiewiſſenſchaft (B. Amandus Esel)
Giturgifhes Betrachtungsbuch (P. Amandus B’secl) . .
Uraufführung des Oratoriums Mariä Heimgang (P. Gregor Shwake) .
Erfte . der Academia Benedictina Bavarica (P. Paurentius Banfer) Be an ET.
michael Tangl + .
Urfprung der Pauliniſchen Religion @. hugo Bövenot) .
Eine Werkwoche auf Burg Rothenfels (P. Daniel Feuling) . .
Huazinth Holland über Haneberg als Lehrer der HI. Schrift (P. Anfelm manſer)
Die Feſtſchrift für Albert Ehrhard (P. Anſelm Manfer) . 5
Dom Germain Morin und Dom Ursmer Berlière zur literariſchen Eigenart der Benediktinerregel (P. Daniel Feuling) ; R
Der Seelforgsklerus und die Pflege der Giturgie b. Amandus &'sell) .
Aus der Literatur gegen Theoſophie und Anthropoſophie (P. Alois 5 Mage)
Zum 100. Todestage von B. Agidius Jais, Benediktbeuren .
dur Weihnachtskrippe (P. Amandus G’sell) . 5
Beſprochene Bücher
Allgeier, H., Bibel und Schule u Anizan, F., Ders uhnuꝶ -» > 2 2 2 2 2 ne Apel, Ch., echte Wanderer
Arias, F., Die Dergegenwärtigung Gottes Baldöus, H., Auguftin Wibbelt
Selte 54
102 145
190 418 420
112 150 289 357 379 448
64 65
66 151 154 154
155 155 305 306 307 380
383 386 487 461 462
463 231
315
466 232
*
Baumann, I., Die ſelige Irmengard
Becher, E., Geiſteswiſſenſchaften und nanruiſenſefien
Berlière, U, G’Oröre monastique .
Braun, %., Giturgik .
Brors, F., Gloria in excelsis Deo! . 5 Bruhn, W., Der Vernunftcharakter der Religion 8 Bühler, J., Kloſterleben im deutſchen Mittelalter Camelli, J., Bekenntniſſe eines Sozialiſten Dimmler, E., Das Alte Teſtament
Feder, A., Die geiſtlichen Ubungen des 5 dance von i Boyola
Feſtſchrift A. ehrhard Förſter, F, Am Tiſche des gerrn i er Guby, R., Die niederbauriſchen Donauklöfter N Guardini, R., Die Lehre des hl. Bonaventura von der eusfg
— Gottes Werkleute r a Haaſe, b., Corvey im Sonnenglanze gammerſchmidt, m., Der Mönch 8 Haecker, Th., Newman, Philoſophie des Glaubens van heemſtede, b. Psallite sapienter! . Heinen, f., Die Bergpredigt geſu Chriſti Henkelmann⸗Anthes, Das Kloſter N Herwig, F., Der Jahresfeſtkreis : gobner, D., Citaniae Gauretanae .
— Acht neue Marienlieder .
— Zehn neue Rommunionlieder . .
— Neue Schule des 5 Cheralgefanges Klug, J., Ringende und Reife R
— Einkehr . . .. PA Kögel, R., Die Palimpfeftphotographie | Krebs, E., Dogma und beben kKreitmaier, J., Op. 21 Unſere Kirche
— Op. 27 Dem Rönig der Könige Arufe, U., Ich will! Ich kann!
— bebenskunſt R bandersdorfer, 8., Die Pfalmen beimbach, K., Die Pſalmen i
69,
Giturgifhes Shriftum . . . 44, 151, 154, 224, 299, 380, 386,
Göderer, Der Wandel vor Gott
Po ſchmann, B., Die kirchl. vermittlung! der Sünbenergebung nad Auguftinus
Maas, O., Spanien er Mager, A, Der Wandel in der Gegenwart Gottes Meffert, F., Iſrael und der Alte Orient
Ueẽundörfer, D., Studien zur älteſten Geſchichte d des Kloſters Sorſch.
Hottarp, h., Die Bistumserrichtung in u im a Sahrhundet .
Reger, M., Zwölf geiſtliche Lieder Regin, R., Der alte Gott und der neue Glaube FEN 8 Reiners- Ewald, Aunftdenkmäler zwiſchen Maas und Mofel R
Richſtätter, &, Die Berz.Fefu-Derehrung des deutſchen Mittelalters f
Rießler, B., Gebete der HI. Schrift
Rive, B., Die Ehe in dogmatiſcher, moraliſcher und nile Besiehung
Roloff, E., Im Gande der Bibel ; Rothack er, E., Einleitung in die Beifeswiffenfaften ’ Sandöhage, A., e II. s
234 466
313 314
465 462
158 156
311 311
469 159 230 466 388 158 467
73
VI
Scharſch, Ph., Die Devotionsbeichte . Schieg, A., Theorie und Praxis der Stimmerziehung — Allgemeine Schule der Stimmerziehung — Das deutſche Gied - . . Schlögl, U., Die hl. Schriften des neuen Bundes — Der Babuloniſche Talmud 2 8 Schmid, K., heiliges Land : Schmidt, 8., Gotteslob e Schmidt, W., Der deutſchen Seele not und geil „ a a Segmüller, F, Die Glockenweihe £ 5 Theoſophiſches und Antbropofophifes Sörifttum Wibbelt, A., Ein Heimatbud) ; . ce — ein Spruchbuch u Wittig, J., Herrgottswiſſen von Wegrain und Straße . x Wöhrmüller, B., Das königliche Gebot 8 Japletal, D., Jephtas Tochter v. Jezſchwitz, 8., Warum Katholiſch? Zürcher, A., Gute menſchen r — Sottesdienſt und Gottesmenſchen. e e e
Aus dem Orden des hl. Benediktus
Dem Andenken des Stifters von St. Hildegard zu Eibingen Regierungswechſel in Scheyern (P. Paurentius be
Don alten und neuen Äbten . . . j St biturgiſche Wochen in Benediktinerklöſtern ee ae A Die Wiederbelebung der Benediktinerabtei Weingarten
Zweite Tagung chriſtlicher Künſtler in Maria⸗Paach
Don der ſeligen Irmengard von Chiemfee .
Weihe der Abteikirche zu 8. Paolo in .
Das wiedererſtehende Buckfaſt Bu
Von St. Matthias zu Trier
Fünfzig Jahre Maredſous
Bilderklärungen
P. Defiderius Genz. Cäcilia, Kaffandra und Iphigenie (P. Sturmius &egel) .
Runftbeilagen
Die betende Kirche (P. Gabriel Wüger) .
St. Hildegardisabtei zu Eibingen im Rheingau .
P. Defiderius enz (Br. Uotker Becker)
Cäcilia, Kaſſandra und Iphigenie (B. Deſiderius Benz)
Der Friedhof zu St. Peter in Salzburg \ Untere Katakombe — St. Gertraudenkapelle. Obere Katakombe — Maximushõöhle j Obere Katakombe — Maximushöhle Gmbh
Mönch (P. Gabriel Wüger) . .
Gaienbruder (P. Gabriel Wüger)
Kirche von Gippolösberg a. d. Weſer Benediktikirchlein in Mals (Altarwand — noröwand)
Seite 72
76 77 67 309 310 230 236 159 457 ff. 232 232 389 388 69 233 73 73
79 237 239 240 316 391 392
. 470 47 472 472
160
N
VII Seite
Strich zeichnungen Wappen der Academia Benedictina Bavaria -. - - » 2 2 155 Wappen des Abtes Simon Gandersöorfer . e e ee re ie DIR Das kRarolingifhe Benediktikirchlein in mals ä 4426 Rekonftruierte Altarwand des nn, in mals .. 433
U. I. O. G. D.
Berichtigung: Die Unterſchriften der Bilder 8. 161 und 176 bitten wir in der unter „Aunftbeilagen“ auf 8. VI angegebenen Weiſe abzuändern.
a * . ‚
|
[6) O
Monatſchrift
Inhalt:
P. Daniel Feuling: Dom Weſen des katholiſchen Glaubens und Lebens (S. 1). P. Odo Cafel: Die Epiphanie im Lichte der Religionsgeſchichte (8.13). P. Matthäus Rothenhäusler: Die Anfänge der klöfterlichen Profeß (8.21). P. Alois Mager: Der Geiſt des hl. Franz von Sales (8. 29). P. Cunibert Mohlberg: Erinnerungen an einen Meiſter liturgiegeſchicht⸗ licher Forſchung (8. 44). P. Anfelm Manfer: Dom Ursmer Berlieres Führung durch die benediktiniſchen Jahrhunderte für Gebildetenkreiſe (S. 55).
Kleine Beiträge und Hinweiſe: P. Anfelm Manfer: Ehrung des 55 Hieronumus im früheſten bekannten Martyrologium Spaniens (8. 64). kirchen väterleſung am Gumnaſium von Diſentis (8. 65). 5 Hildebrand Bihlmeyer: Der hl. Franz von Sales ein Freund und Förderer der Anatomie? (8. 66). Bücherſchau:
Beſprechungen von P. Bernhard Barth, P. Benedikt Baur, P. Fidelis Böſer, P. Dominikus Johner, P. Athanafius Miller, P. Joannes Pfättiſch, P. Plaziòus Pflumm, Heinr. Sambeth, P. Geo Sattler, P. Willibr.Derkade. Aus dem Orden des hl. Benediktus:
Dem Andenken des Stifters von St. hildegard zu Eibingen. Unſere Bilder:
P. Gabriel Wüger: Die betende Kirche. Die St. Hild egardisabtei zu Eibingen.
— ee FE
1.— en | Se
6 S
1922 let Jahrgang 8 u belt von der
Erzabtei Beuron (Hohenz .).
Januar — Februar
Druck und Verlag:
Benediktiniſche
99660606062» „ 9 %%% %%% „% „ 9 %60% „
Runftverlag Beuron.
ro)
— 6 a] =
S
8 2 8
— EEE |
17, Y
!
\ 1 2 —
=
4
*
Mi
. N ö
n
2 ——
Die „Benediktiniſche Monaſſchrift-⸗ N
— zur Pflege religiöfen und geiſtigen Lebens — erſcheint vorläufig in Doppelheften in einem Umfang von 64—96 Seiten. Jedes heft enthält mehrere Kunſtbeilagen. Der Jahrgang koſtet für das Jahr 1922 bei unmittelbarem Bezug vom unterzeichneten Verlag für Deutſchland, Freiftaat Danzig.. Guzemburg, Memelgebiet, öſterreich und Weſtpolen (einſchließlich des z. It. N. 12.— betragenden Poſtgeldes) M. 32.—. Für Finnland, Jugoſlavien, Rumänien, Tſchecho⸗ ſlovakei und Ungarn leinſchließlich des 3. Ft. M. 30.— betragenden Poftgeldes) M. 50.— Für das übrige Ausland gilt folgender Jahrespreis (einſchließlich Porto): Amerika 1 Doll. | England 4 Sh. | Italien 6 Dire.
Belgien 6 Fr. Frankreich 6 Fr. Schweiz 4 Fr. Dänemark 4 Kr. Holland 2 Gld. | Spanien 4 Des.
Für Seminare, Erziehungsanſtalten u. Vereine, die mindeſtens 5 Stück unmittelbar beziehen, wird ein Vorzugspreis gewährt. Preis des Doppelheftes im Einzelverkauf M. 4.—. Beſtellungen nehmen alle Poſtanſtalten, Buchhandlungen und der unterzeichnete Verlag entgegen.
Den unmittelbaren Beziehern empfehlen wir zur Einzahlung des N * gahresbetrages unſer Poſtſcheckkonto Ur. 7034 beim Poſtſcheckamt Rarlsruhe, Baden. Verlag der Beuroner Kunſtſchule, Beuron (Hohenz.).
Alle Belöfendungen bitten wir an die untenſtehende Adreſſe (nicht einfachhin an die Abtei oder die Kloſterverwaltung) zu richten und ihnen die Bezeichnung „für die Benediktiniſche Monatſchrift“ gütigſt beizufügen.
Jahrgang 1919, 1920 und 1921 Tind, ſolange der Vorrat reicht, zu den obigen 17 Preiſen noch erhältlich.
Runſtverlag Beuron (Hohenzollern).
Dollftändig liegt nunmehr vor: |
Felder, Bilarin, Dr. O. M. Cap., geſus Chriftus. Apologie feiner Meffianität und Gottheit gegenüber der neueſten ungläubigen ER Zweite Auflage. I Band: Das Bewußtfein geſu. 4 45.—; ge: .# 51.— II. Band: Die Beweife geſu. / 48.—; geb. # 54.— Als Sonderdruck aus dem II. Band erſchien:
Die Heiligkeit Jeſu. kart. 4 9. —. — wer in den auftauchenden Geben-Fefufragen eine ſichere und kritiſche Antwort haben will, der wird mit großem Bewinn Felders Werk leſen.
.. Auf die Preiſe Sortimenterzuſchlag rr e Verlag von Ferdinand Schöningh in Paderborn.
HENENENNNNNEEENNENBENENENENENNENENENERNENENENENRNEENNENEN Durch den Derlag der Abtei Emaus in Prag zu beziehen:
Geben und Regel des hl. Vaters Benediktus. &
Herausgegeben von der Abtei Emaus in Prag. 8 Dritte Auflage, 210 Seiten, Sroß-Oktav, auf feinſtem Kunftöruckpapier. Mit 75 Aluſtrationen, nach Kompoſitionen der Beuroner Kunſtſchule, die zumeiſt in Monte⸗Caſſino, Beuron und Emaus als Wandgemälde ausgeführt find. Preis in Original⸗Ganzleinenwand mit Soldpreſſung M. 20.—.
\ — *
Digitized by Goog
——— —
2 7
Die betende Kirche
Rlauftrum Bemäldegröße 33 5g cm
Beuron,
P. Gabriel Wüger
Dom Wefen des Ratholifchen Glaubens und Lebens.
mit beſonderer Berückfichtigung der Frage der Menſchheitsreligion. Don P. Daniel Feuling (Beuron).
Im vergangenen Sommer wurde ich eingeladen, in Darmftaöt auf der herbſttagung der „Geſellſchaft für freie Philoſophie“ Weſen und Bedeutung des katholiſchen Glaubens und deſſen Verhältnis zur Menſchheitsreligion ganz im katholiſchen Sinne darzulegen. Eine ſolche Gelegenheit, die katholiſche Botſchaft in einen großenteils außerkirchlichen kreis zu tragen, glaubte ich nicht unbenützt laſſen zu dürfen und nahm daher die Einladung an. Unvorhergeſehene Umſtände hinderten mich, in Darmſtadt zu ſprechen, doch fügte es ſich, daß ich den Vortrag zu Anfang Oktober in der „Geſellſchaft der Künſte“ zu Köln halten konnte. Von den verſchiedenſten Seiten, auch aus dem reife meiner Kölner Zuhörer, wurde ich gedrängt, dieſen Vortrag im Drucke erſcheinen zu laſſen. Gerne folge ich dieſem Wunſche, da es mir am herzen liegt, mich vor größerer öffentlichkeit zu dem zu bekennen, was ich in Darmſtadt ausſprechen wollte. Die Form der Rede glaubte ich unverändert beibehalten zu follen. — Der Vortrag erſcheint gleichzeitig als 8onderabdruck im Verlag der Beuroner Kunſtſchule.
N das, was an der katholiſchen Religion dem Außenftehenden auffällt und ihn befremdet oder befreundet, nicht das zu be⸗ ſprechen iſt meine Abſicht. Dom innerſten Sinn und Weſen des katholiſchen Glaubens und Lebens will ich zu Ihnen reden, vom Weſen des katholiſchen Glaubens und Lebens, wie es dem Innen= ſtehenden leuchtet. 50 erwarten gewiß Sie ſelbſt es, wenn ein katho⸗ liſcher Theologe in Ihrer Mitte das Wort nimmt. Denn das haben Sie alle oft ſchon empfunden: auf dem großen Markte des geiſtigen Gebens hört man Außenurteile über katholiſches Sein und Leben tauſend fach; vom letzten entſcheidenden Innenweſen hingegen faſt nie. So leihen Sie mir Ihr Ohr, wenn ich von kiatholiſchem Ratholifch rede, und verſuchen Sie es, durch die bloß äußeren Eindrücke und Urteile hindurch mit mir zur Innenſchau katholiſchen Weſens und Lebens zu gelangen.
Benediktinifche Monatfchrift IV (1922), 1—2. 1
I.
uerft wollen wir uns verftändigen über einige Vorausſetzungen,
die ich machen muß, die ich aber bei der Fülle des Gegenſtandes und der Bürze der Zeit nicht, wie ich möchte, erkenntnistheoretiſch und metaphuſiſch begründen kann. Ich bitte Sie, meine Voraus- ſetzungen mit mir wirklich zu machen und ſie bei allen Einzelheiten meines Vortrages ſich gegenwärtig zu halten. Widerſtreiten meine Dorausfegungen Ihren eigenen Annahmen oder Überzeugungen, ſo bitte ich Sie, wenigſtens in hupothetiſch⸗methodiſcher Setzung meine Dorausfeßungen ſich anzueignen. Im Lichte dieſer Dorausfeßungen wollen Sie alles betrachten, was ich vortragen werde.
Als Erſtes ſetzen Sie voraus den theiſtiſchen Gottesglauben, die Überzeugung von dem einen, unendlich vollkommenen Schöpfergott. nehmen Sie den Gottesbegriff und den Gottesglauben ſo, wie ihn das vatikaniſche Konzil meint und umſchreibt mit den Worten: „Die Kirche glaubt und bekennt, daß ein wahrer und lebendiger Gott iſt, der Schöpfer und herr des himmels und der Erde: allmächtig, ewig, ohne Grenzen; im Weſen jede Faſſungskraft überfteigend; unendlich an Erkenntnis, Wille und jeglicher Vollkommenheit; einer, einzig, ſchlechthin einfach und unveränderlich, eine geiſtige Subftanz und des⸗ halb nach Sein und Weſen von der Welt verſchieden, in ſich und durch ſich glückſelig und unausſprechlich erhaben über alles, was außer ihm iſt und gedacht werden kann“ (Denzinger, Enchiridion Sumbo⸗ lorum etc. n. 1782).
Setzen 8ie zweitens voraus, daß wir das Weſen dieſes überwelt⸗ lichen Gottes mit unferer natürlichen Vernunft, mit den Mitteln der philoſophiſchen Erkenntnis zwar irgendwie erreichen, aber nicht bis in feine tiefſten und letzten Seheimniſſe durchdringen können, daß daher vieles von der innerſten Weſensfülle und Vollkommenheit des lebendigen Sottes uns notwendigerweiſe unerreichbar bleibt, ſolange wir auf uns felber, auf unſer menſchliches Suchen und Finden an⸗ gewieſen ſind.
Die dritte Dorausfeßung ſei, daß der ewige, unendliche Gottesgeiſt das letzte und höchſte Ziel des Menfchengeiftes iſt, und daß der Menſchen⸗ geift, das innerſte Sein und Sehnen des Menſchen, ſich vollendet in dem geiſtigen Beſitze dieſes göttlichen Gutes, in der perſönlichen Lebens- gemeinſchaft mit dem perſönlichen Bott in Zeit und Ewigkeit.
Dieſe drei Wahrheiten, für die ich als Theologe und als Philoſoph mit voller Überzeugung einſtehe, wollen Sie alſo in mindeſtens hu⸗ pothetiſch⸗ methodiſcher Setzung unſeren folgenden Gedankengängen
3
unterſtellen: — das Daſein des unendlichen, allvollmommenen Gottes, die alle menſchliche Weisheit und Wiſſenſchaft überſteigende Weſens⸗ und Wahrheitsfülle dieſes Gottes, endlich die Wahrheit, daß Gott letztes Jielgut und höchſter Inhalt für das menſchliche Geiſtesleben iſt.
Und nun, nachdem Sie ſich mit mir über dieſe Dorausfekungen verſtändigt haben, machen Sie mit mir gleich den folgenden vor⸗ bereitenden Gedankenſchritt:
Unter den angegebenen Dorausfegungen ift es denkbar und mög⸗ lich, daß der überweltliche, perſönliche Bott fi dem vernünftigen Geſchöpfe mitteile zum Erkenntnis- und Lebensinhalt in einer Weiſe, die über alles anerſchaffene Dermögen des Menſchen ſchlechthin hin⸗ ausgeht; daß Gott ſich mitteile gerade in dem, was die geſchaffene Vernunft aus ſich in keiner Weiſe und durch keine Entwicklung er⸗ reichen kann, und ſich dem Gefchöpfe ſchenke und vereinige zu einer Oebensgemeinſchaft, zu der der Menſch ſich aus Eigenem nie und nimmer zu erheben vermag. Das wäre eine übernatürliche Selbſt⸗ mitteilung Gottes, übernatürlich im ſtrengen Sinne des Wortes, und dieſen Wortſinn wollen Sie zugrunde legen, ſooft Sie aus meinem munde das Wort übernatürlich vernehmen werden.
Solche übernatürliche Selbſtmitteilung Gottes zur Erkenntnis und bebensgemeinſchaft wird auf zwei verſchiedene Weiſen möglich fein: auf eine un vollkommene Weiſe, gewiſſermaßen grundlegend und ein⸗ leitend, in dieſem Geben, in irdiſch⸗menſchlicher Erſcheinungsform, und auf vollkommene Weiſe in einem Leben nach dem Tode des beibes, frei von den Schranken des leibgebundenen Geiſteslebens. Die voll⸗ kommene Selbftmitteilung Gottes wäre gegeben in der unmittelbaren Anſchauung Gottes und feiner innerſten Weſens⸗ und Geheimnisfülle, in der unverlierbaren perſönlichen Vereinigung mit Gott als dem unwandelbaren Gute des Geiſtes und in der ſeligen Teilnahme an Gottes eigenem ewigen Leben. Es wäre das betzte, Tiefſte, Größte, was es für den gefchaffenen Geiſt — freilich nur unter der Voraus- fegung des Theismus — überhaupt geben kann, es wäre das höchſt⸗ maß der Vollendung und daher auch der Seligkeit des vernünftigen Ge- ſchöpfes ſchlechthin. — Die unvollkommene Form der übernatürlichen Selbſtmitteilung Gottes wäre zu denken als eine Dorftufe, ein Keim der angedeuteten vollkommenen Bottesgemeinfchaft: aber doch weſent⸗ lich als übernatürliche Mitteilung Gottes zur Erkenntnis feines inneren, verborgenen Weſens und bebens und als übernatürliche Selbſthingabe Gottes zu einer Gebensgemeinfchaft, die jenſeits ift aller Derbindung
8 1*
4
mit Gott durch die bloß natürliche kraft des menſchlichen Denkens, Fühlens und Wollens. |
Ihrem Weſen nach müßte dieſe übernatürliche Gotteserkenntnis und Gottesgemeinſchaft durchaus metaphuſiſchen Charakter haben, gründend in einer realen Gnadenausltattung, d. i. in einer metaphu⸗ ſiſchen Seins⸗ und Tätigkeitserhebung, bewirkend eine metaphuſiſche Erweiterung der bebensſphäre und der bebenskräfte, ungeahnte Tiefen⸗ ſchichten göttlicher Wirklichkeit und Wirkſamkeit erſchließend, in dieſe Wirklichkeit die menſchliche Seele hineinziehend, ohne der Seele ihr perſönliches Selbſt und Bewußtſein zu rauben. Und zwar müßte die irdiſch⸗un vollkommene Form des übernatürlichen Seins und Lebens nicht weniger derart metaphuſiſchen Charakters ſein als die voll⸗ kommene Form der Ewigkeit. Der weſentliche Unterſchied beider Formen müßte wohl dieſer ſein: an die Stelle der unmittelbaren An⸗ ſchauung Gottes müßte hienieden der Glaube treten, Glaube genommen als urteilendes Ergreifen der übernatürlichen Wahrheit und Wirklich⸗ Reit in der vertrauenden hingabe an Gottes Zeugnis oder Offen barungswort; und auch entfalten würden ſich die beiden übernatür⸗ lichen Lebensformen auf verſchiedene Art: dort im hellen Lichte voll⸗ kommener Gottes ſchau, hier im viel geringeren Peuchten des Glaubens, deſſen Sonderart jegliche Betätigung des irdiſch⸗ übernatürlichen Lebens beſtimmen und bemeſſen würde.
Weiteres über die irdiſch⸗ menſchliche Erſcheinungsform eines ſolchen übernatürlichen bebens in der Zeit auszumachen, dürfte rein philoſophi⸗ ſchem Denken unmöglich ſein. Denn an und für ſich könnte ſolches beben doch wohl auf die verſchiedenſten Arten ausgeſtaltet werden. Es könnte verliehen werden auf rein geiſtig⸗ innerliche Weiſe oder aber auf eine Weiſe, die teils geiſtig⸗ innerlich, teils empiriſch⸗menſchlich und ſinnenhaft vermittelt wäre; Glaube und Gnade könnten gegeben werden im Anſchluß an eine Gemeinſchaft und durch deren Vermitt⸗ lung, oder ohne jede Bindung an eine übernatürliche Gemeinſchaft und Kirche. Der Weg zur übernatürlichen Wahrheitserkenntnis und zu den übernatürlichen Gebenskräften könnte vom einzelnen Menſchen nach Wunſch und Neigung frei zu wählen oder er könnte feſtgelegt fein durch eine von Bott gegebene Norm. Wer dürfte dem höchſten Herrn Weg und Weiſe ſeiner gnadenvollen Selbſtmitteilung vorſchreiben wollen! Einzig Gottes eigenes Offenbarungszeugnis könnte über dieſe und gar viele andere Dinge Nufſchluß geben.
Dies alles ſind Folgerungen aus dem klar gefaßten und entſchieden durchgeführten theiſtiſchen Gottesglauben. Sie zeigen uns, was vom
5
Gottesglauben aus als denkbar und möglich erſcheint. Und fie er⸗ lauben es uns, nunmehr zum eigentlichen kern der Sache zu kommen.
Der kern der Sache aber iſt dieſer:
Der Ratholiſche Glaube kündet der Welt, daß wirklich geworden iſt die übernatürliche Selbſtmitteilung Gottes an den geſchaffenen Geift und die übernatürliche Lebensgemeinſchaft des geſchaffenen Geiſtes mit Gott — ganz in dem Sinne, den ich ſoeben zu deuten verſucht. Der katholiſche Glaube macht gewiß, daß Gott ſelbſt ſich den Menſchen geben will zum ewigen Beſitz in übernatürlicher Geiftesfeligkeit, als Inhalt des vollkommenen, unvergänglichen Lebens. Der Ratholifche Glaube bietet ſich dar als „der Keim dieſes künftigen bebens und als die Bürgſchaft deſſen, was uns zu ſchauen noch verſagt“ (hebr. 11,1). Aber nicht nur auf Künftiges weiſt der katholiſche Glaube. Er will auch etwas ſein und bedeuten in dieſer Welt und für dieſes irdiſche beben. Mitten im Fluß unſeres ſinnenhaft greifbaren Seins will katholifcher Glaube und katholiſches Leben fein die unmittelbar gegen⸗ wärtige Derwirklichung des übernatürlichen Lebens in irdiſch⸗menſch⸗ licher Erſcheinungsform. Teilnahme an Gottes verborgener Erkenntnis will der katholiſche Glaube fein, Teilnahme an Gottes Güte, Liebe und Geben will das katholiſche Geben fein, eine Teilnahme, die ver⸗ wurzelt iſt in einer metaphuſiſchen Seinsbeſtimmtheit völlig über⸗ natürlicher Art, in einer Seinsweiſe, deren Weſen es geradezu iſt, mit Gottes ureigenſter Übernatürlichkeit zu verknüpfen und eine über⸗ natürliche Gottähnlichkeit zu verleihen, die weder durch das natur⸗ gegebene Weſen unſeres Geiſtes, noch durch feine angeborenen Kräfte, noch durch ſein Erkennen und Wollen, auch nicht durch geniales Geftalten und Schaffen je erreicht werden kann. Das und nichts anderes iſt der innerſte Sinn des Ratholifchen Glaubens und Lebens, ſo wie es wirklich geglaubt und gelebt wird, das iſt es, was mit feinem Glauben und Geben der ſchlichte katholiſche Chrift meint, der es nicht deutlich ausſprechen kann, und was der katholiſche Theologe und Philoſoph meint, der es mühſam in Worten darzuſtellen ſucht. Übernatürliche Seins» und Erkenntnis- und Lebenswirklichkeit in irdiſch⸗menſchlicher Erſcheinungsform: das iſt es, was das Weſen des Ratholiſchen Glaubens und Lebens ausmacht; und daß dieſes Weſen, dieſe Übernatürlichkeit des Seins und der Beſtimmung, des Erkennens und Lebens wirklich ſei, das iſt das überwältigende Zeugnis des Ratholifhen Glaubens, der katholiſchen kirche — ein Zeugnis, über⸗ wältigend in feiner Wahrheit, wenn es wahr iſt, oder 8 in ſeinem Wahn, wenn es unwahr wäre.
Nur ungern widerſtehe ich der Derfuchung, die mich von der Weſens⸗ frage zur Wahrheitsfrage lockt, zur Rechtfertigung der katholifchen Überzeugung, zum Erweis der Glaubwürdigkeit Chrifti und der Kirche. Ich begnüge mich zu ſagen, daß nach katholiſcher Überzeugung der übernatürliche Glaube nicht willkürlich iſt und auch nicht willkürlich angenommen werden darf, daß die katholiſche Frohbotſchaft des übernatürlichen bebens ſich dem Katholiken vor Vernunft und Gewiſſen rechtfertigt durch ihren Srundcharakter, durch ihren Wert für das religiös⸗ſittliche Leben. der Menſchheit, durch ihre Wirkung auf die Seelen, durch die übermenſchliche Größe und Glaubwürdigkeit geſu Chrifti, durch die Seſchichte der Kirche im Ganzen, durch die göttliche Bezeugung in Form von übernatürlichen Kennzeichen und Tatſachen, wie ſie im Wunder im weiteren und engeren Sinn gegeben ſind. Und ich füge hinzu, daß die Innenſchau des katholiſchen Glaubens und bebens und Seins, wie ſie ſich aus dem gelebten katholiſchen Glauben ergibt, zur tiefwirkenden Beftätigung dieſes Glaubens und bebens wird.
Doch zurück zur Weſensfrage!l An einigen befonderen Punkten möchte ich Ihnen Sinn und Weſen des katholiſchen Glaubens und bebens faßlicher machen: manch tieferer Juſammenhang wird Ihnen dabei offenbar werden.
Ich habe zuerſt hupothetiſch und dann bejahend geſprochen von der metaphuſiſch⸗ übernatürlichen Seins⸗ und Lebenserhöhung, die nach katholiſchem Glauben das Weſen des katholiſchen Lebens ausmacht. Dieſes Metaphuſiſch⸗Ubernatürliche — die theologiſche Sprache nennt es die geſchaffene Gnade — iſt für unſere natürliche Erkenntnis kraft weſentlich verborgene Wirklichkeit. Junächſt iſt diefes Ubernatürliche ſeinem innerſten Weſen nach geiſtig: deshalb iſt es notwendig ver⸗ borgen für den Sinn, die Empfindung, das Gefühl, das ja immer etwas Sinnenhaftes einſchließt. Derborgen und unerreichbar iſt es aber auch für das geiſtige Seelenauge, für den weſen⸗ und wirklichkeit⸗ ſchauenden Blick des Derftandes und der Vernunft. Wohl iſt das übernatürliche Sein ein Intelligibles in ſich, aber es kann, weil eben ũbernatürlich, nicht erſchaut und es kann nicht erſchloſſen werden auf dem Wege, auf dem wir geiſtige Wirklichkeiten der natürlichen Ordnung erſchauen und erſchließen können. Darum iſt es auch nie und nimmer ein Beweis gegen das Übernatürliche, wenn jemand ſagt: Ich fühle es nicht, ich ſchaue es nicht, ich kann es mir nicht beweiſen. Seine eigenſte Art verlangt, daß dem ſo ſei.
So gibt es alfo keine ſchauende oder durch logiſchen Schluß er⸗ langte Gewißheit des Übernatürlichen im katholiſchen Leben.
7
Iſt nun damit geſagt, daß es überhaupt keine Gewißheit davon gibt?
Nein! Unſere katholiſche Gewißheit vom Übernatürlichen ift bloß eine andere als die ſchauende Gewißheit: es iſt die Gewißheit des Glaubens.
Was nicht erſchaut, nicht erfühlt, nicht erſchloſſen werden kann, das kann offenbar werden im Glauben.
Ehe ich zum erſtenmal durch das Mikroſkop und das Ultramikroſkop blickte, hatte ich von der Hinterwelt und Unterwelt des Sichtbaren kein ſchauendes Wiſſen, aber ich hatte davon dennoch Gewißheit: ich war überzeugt von ihrem Daſein, weil glaubwürdige Männer mich ihrer verſicherten, und ich tat recht, ihnen zu glauben. Über unſere Zeitgenoſſen haben wir, oder können wir haben, ein ſchauen⸗ des Wiſſen: von dem aber, was beim Erwachen unſerer Vernunft an Menſchen und Geſchichte ſchon vergangen war, können wir nur eine Gewißheit des Glaubens haben: indem wir ſolchen glauben und ver⸗ trauen, die das Dergangene geſchaut haben und uns verläſſiges Zeugnis davon geben. In einem natürlichen, menſchlichen Glauben kann uns das kund werden, was unſeren Sinnen und unſerer erſchließenden Erkenntnis unerreichbar bleibt.
Und in analoger Weiſe kann uns durch einen übernatürlichen, göttlichen Glauben das kund werden, was nicht nur hinter der ſinn⸗ lichen, ſondern auch hinter der natürlich⸗geiſtigen Erkenntnis ſchlecht⸗ hin liegt. Auf Gottes Zeugnis kann ſich uns eine Gewißheit vom Übernatürlichen gründen, die der natürlichen Gewißheit gleichkommt, ja fie um vieles überragt. Der perſönliche Bott — Sie erinnern ſich, daß ich aus dem Theismus heraus ſpreche — der perſönliche Gott, deſſen Hand alles trägt, durch deſſen urſächliches Wirken alles Sein und Werden und Tun der Geſchöpfe möglich und wirklich iſt, dieſer perſönliche Gott kann auch den menſchlichen Beift von innen her er⸗ leuchten und gewiß machen über das, was die göttliche Weisheit und Güte ihm offenbaren will. Wie Gott die ſichtbare Welt und die ganze Welt des Geiſtes geſchaffen hat, fo kann er auch im geſchaffenen Geiſte eine neue Welt erwecken, eine Welt der Erkenntnis jener Dinge, die im vollen Derftande des Wortes übernatürlich find. Er kann dem menſchlichen Geiſte Zeugnis geben von dem, was aus ſich nur Gott allein weiß und wiſſen kann. Und er kann dem Menſchen die Ein⸗ ſicht geben, daß er ſittlich und pflichtgemäß handelt, wenn er auf dieſes göttliche Jeugnis mit dem unerſchütterlichen Ja der Über⸗ zeugung Antwort gibt.
Diefes Zeugnis, beachten Sie das wohl, wird die Überzeugung nicht erzwingen. Der Slaubensakt, mag er ſich auf Natürliches oder
8
Übernatürliches beziehen, iſt ſeinem Weſen nach frei. Und fo ift denn auch der Ratholiſche Glaube, weil er Glaube iſt, eine freie Tat des freien Menfchen. Frei nicht in dem Sinne, als ob der Menſch aus eigener kraft den Glauben ſetzen könnte oder ihn nach Willkür wählen dürfte, aber frei in dem Sinne, daß der Menſch die Glaubenszu⸗ ſtimmung verweigern kann, und daß es einer inneren Weſensent⸗ ſcheidung und fittlichereligiöfen Tat bedarf auch dann, wenn der Menfch die Glaubwürdigkeit des göttlichen Jeugniſſes hinreichend erkannt hat. Deshalb wird auch vom gereiften Katholiken der katholifche Glaube nicht als ein Zwang und eine kinechtſchaft empfunden, ſondern als ein Schritt zur Freiheit, zur Freiheit und Weite des übernatür⸗ lichen, ewigen Lebens.
Auf Gottes Zeugnis gründet ſich die kenntnis der übernatürlichen Wahrheit und des übernatürlichen Lebens. Eine Frage iſt nun die, wie Gott ſein Jeugnis gibt.
Es könnte dies Zeugnis rein innerlich fein, gar kein Zweifel; Gott könnte jedem einzelnen Menſchen in den verborgenen Tiefen der Seele das übernatürliche Geheimnis, in das er ihn einweihen will, Rund tun. |
Aber es handelt ſich jetzt nicht um das, was fein könnte, fondern um das, was iſt. Und das, was iſt, kann uns in der übernatür⸗ lichen Wirklichkeitsordnung nicht unſere Willkür, unſer eigenes Wünſchen und Meinen kund tun, das kann uns einzig und allein der kund tun, der in Wahrheit der Herr der natürlichen und übernatürlichen Welt iſt, der perſönliche Bott. Ihm ſteht es zu, das Übernatürliche uns zu erſchließen nach dem Maße, wie er es in Weisheit und Güte beſtimmt; ihm ſteht es zu, aus den vielfachen Möglichkeiten, ſich ſo oder anders mitzuteilen, die auszuwählen, die er verwirklichen will; und einzig und allein fein Zeugnis kann uns gewiß machen, welchen Weg er tatſächlich gewählt hat.
Und Gottes Zeugnis, das wir Katholiken in Offenbarungswort und Offenbarungswirklichkeit vernehmen, es lautet: nach frei ge⸗ wähltem Grundgeſetz der übernatürlichen Ordnung gibt Gott für gewöhn⸗ lich ſein Jeugnis nicht rein innerlich dem einzelnen Menſchen, er gibt es vielmehr, der menſchlichen Sonderart ſich anpaſſend, äußerlich und innerlich zugleich — er gibt es ſo, daß er für gewöhnlich die innere Glaubensgnade nur zuſammen mit der äußeren Glaubensbotſchaft ſchenkt, die von Menſchen vermittelt wird. Damit aber die durch menſchen vermittelte äußere Glaubensbotſchaft ſowohl dem göttlichen
9
Zeugnis als der menſchlichen Natur voll entſpreche, läßt Gott dieſes äußere Zeugnis für gewöhnlich geben nicht durch einen beliebigen Einzelmenfchen, ſondern durch eine große, göttlich beglaubigte Lehr- gewalt, durch die Autorität feiner Kirche, die er in der Weitergabe feines Jeugniſſes vor Irrtum bewahrt. Und göttlichem Geſetze gemäß iſt für gewöhnlich der Weg zum Glauben der, daß Bott den Menſchen hören läßt die Botſchaft, die die Kirche in feinem Namen gibt von der übernatürlichen Welt, daß er ihn ſchauen läßt zugleich die gött⸗ liche Beglaubigung der kirche für dieſe Botſchaft, und daß er mit dem Worte der Botſchaft und mit der Erkenntnis der Glaubwürdig- keit verleiht die innere Glaubensgnade, daß er innerlich, übernatür⸗ lich den Geiſt erleuchtet, den Willen ſtärkt, wodurch allein dann der menſch feinen Geiſt in übernatürlich freier Tat hingeben kann an Gottes übernatürliche Wahrheit um der Wahrhaftigkeit willen des ſich offenbarenden Gottes ſelbſt. — Daß Gott den Einzelnen außer⸗ ordentlicherweiſe auch anders führen kann, daß er manchen auch wirklich anders führt, daran iſt wohl kein Zweifel: aber ſich ſelbſt und ſeinem Geſetze treu, wird er es nur tun, wo der Menſch ohne eigene Schuld der äußeren Botſchaft der Kirche entbehrt; denn un⸗ möglich können wir annehmen, Gott gebe dem, der wiſſend und wollend ſeine Wege verſchmäht, auf andere Weiſe das . bicht und das übernatürliche Leben.
Wenn Sie, meine Zuhörer, meinem Gedankenſchritte gefolgt find, fo wird ſich Ihnen das Derftändnis eröffnen für Sinn und Bedeutung der kirchlichen Gehrgewalt oder Autorität im Sanzen des Ratholifchen Glaubens und Lebens. Durch den Glauben gewinnt der Menſch Zu⸗ gang zu den übernatürlichen Wahrheiten und Wirklichkeiten; Glaube aber ſetzt voraus die Bezeugung, dieſe Bezeugung, wenn ſie nicht rein innerlich an den Menſchen ergeht, verlangt Vollmacht und Be⸗ glaubigung, kurz gottverliehene, übernatürliche Autorität. Göttliche Autorität iſt ein unentbehrliches Weſensſtück im Ganzen des katho⸗ liſchen Slaubenslebens, weil es ſich hier um übernatürliche Wahr⸗ heiten handelt, die nur durch Gottes Zeugnis und Autorität uns Rund werden können. Ob dieſe Autorität ſich der Menſchen, der Kirche bedient, um zu den Einzelnen und zur Geſamtheit zu reden, iſt eine Frage einfach der Tatſächlichkeit und ändert am Weſen der Sache nichts. Don hier aus, und nur von hier aus, dürfen Sie die Stellung und den Sinn der Autorität im katholiſchen Glauben und Leben be⸗ trachten, — jede andere Betrachtung bleibt an der Oberfläche und verfehlt geradezu den Sinn der ganzen Frage. Betrachten Sie aber
10
wirklich den katholiſchen Autoritätsglauben in dieſem Lichte, fo werden Sie ſehen: für feine grundfägliche Bewertung kommt überhaupt nicht in Betracht, ob ein Menſch, ob ein Volk, ob eine Zeit mehr oder weniger reif, mehr oder weniger ſelbſtändig iſt in Kultur und Geiftes- leben, mehr oder weniger drängend nach eigenartiger Geftaltung feiner Innerlichkeit und Religiofität: — einzig und allein kommt vielmehr in Betracht, ob der Mensch zu übernatürlicher Religion berufen iſt und ob der Weg zur übernatürlichen Wahrheit göttliche Autorität und übernatürlicher Slaube iſt. Darum halten Sie es feſt: Berech⸗ tigung, Sinn und Bedeutung der Autorität für den katholiſchen Menſchen und die katholiſche Welt iſt ganz und gar darin zu ſuchen, daß die göttliche Autorität die einzige uns gegebene Brücke iſt zum Reiche der übernatürlichen Wahrheit und Wirklichkeit. Alles andere kommt für das Weſen der Sache überhaupt nicht in Betracht!
Welche Bedeutung im beſonderen der menſchlich vermittelten Offen⸗ barungsautorität zukommt für Bildung und Beſtand der übernatür- lichen religiöſen Gemeinſchaft, der ktirche, ſei nur kurz angedeutet. Eine übernatürliche Religion, die rein auf innerer Bottesoffenbarung beruhte, wäre dazu verurteilt, die Religion der Einzelnen und Ein⸗ ſamen zu fein. Ausgefchloffen bliebe die gemeinſame Arbeit für das Höchfte und Tiefſte im Miteinander und Füreinander der Liebe; und koltbare Güter des übernatürlichen Lebens dürften ſich niemals entfalten.
Sie haben Wichtiges verſtanden, wenn Sie das Weſen des katho⸗ liſchen Glaubens verſtanden haben als freigewollte Aneignung der übernatürlichen Wahrheit in Gottes Kraft und auf Grund der gött⸗ lichen Autorität. Durch den Glauben tritt das Übernatürliche, das in Gott verborgen und in metaphuſiſchen Seelentiefen begründet iſt, in den Blickkreis des menſchlichen Erkennens; durch den Glauben erfährt der Menſch die Wirklichkeit dieſes Ubernatürlich⸗Metaphuſiſchen und deſſen Bedeutung und die Mittel, es zu mehren und zu erhalten.
Zu dieſen Mitteln gehören als ein Weſensteil der eee Religion die Sakramente.
Betrachten Sie auch die Sakramente der katholiſchen ktirche und ihre Stellung im katholiſchen Geben in jenem großen Juſammenhang der übernatürlichen Offenbarungsreligion in irdiſch⸗menſchlicher Er⸗ ſcheinungsform: dann dürfen Sie hoffen, die Grundidee, den Sinn und das Weſen des Sakraments zu erfaſſen — ſonſt nicht. Wie Nebel vor der Sonne zerrinnen der katholiſchen Innenſchau die Mißdeutungen, wonach die katholiſchen Sakramente im tiefſten Grunde Magie und
11
magiſcher Brauch, heidniſche Symbolik und Entlehnung aus den an⸗ tiken Muſterienreligionen ſind.
ö Der katholiſchen Innenfhau find die Sakramente ſumboliſche Handlungen, durch die Gott ſelbſt real hineinwirkt in die innerſten Seelentiefen, die übernatürlich⸗ metaphuſiſche Seinserhebung bewirkend, übernatürliche Kräfte mitteilend, übernatürliche Hilfen verleihend. Sie ſind Zeichen und zugleich Urſachen des Übernatürlichen in der Seele: Zeichen in ihrer Bildhaftigkeit, Urſachen in Gottes Araft, die in ihnen und durch fie wirkt: Urſachen eben des Übernatürlichen, das fie bild⸗ haft bezeichnen. Die Sakramente find Mittel der Gnade nach Gottes Anordnung und in Gottes Araft. Selbftverftändlich bedarf Gott ſolcher ſichtbaren Mittel nicht; felbftverftändlich kann er in jeder Seele un⸗ mittelbar das übernatürliche beben wirken. Aber wie er nach katho⸗ liſcher Überzeugung tatſächlich die übernatürliche Wahrheit mitteilt unter Mitwirkung menſchlicher Lehrer: fo teilt er auch tatſächlich weſentliche und grundlegende Gnaden mit durch das Mittel der Sakramente: beides nicht feiner ſelbſt wegen, ſondern der Menſchen wegen, um das Werk der Wahrheits⸗ und Gnadenmitteilung anzu- ſchmiegen an die leibſeeliſche Natur des Menſchen, und indem er auch dem Sinnenhaft⸗törperlichen im übernatürlichen Gnadenreich eine ganz wunderbare Bedeutung gibt.
Der erſte und weſentlichſte Sinn des Sakraments iſt alſo meta- phuſiſch, ſofern das Sakrament metaphuſiſch übernatürliche Bnaden= urſache iſt in Gottes ktraft. Aber auch pſuchologiſch wertvoll iſt das Sakrament: auf ſinnlich⸗geiſtige Weiſe bringt es dem gläubigen Menfchen, der es empfängt, jenes Metaphuſiſch⸗Ubernatürliche als gegenwärtig und wirkſam zum Bewußtſein, und es bereitet den Geift und ſtimmt das Gemüt für die willige Aufnahme der göttlichen Gnadenkraft und für das Mitwirken mit ihr. Die ſozial⸗ Kirchliche Bedeutung des Sakramentes finden Sie unſchwer darin, daß der gemeinſame Beſitz und Genuß des übernatürlichen Lebens, die geiſtig⸗ übernatürliche Zuſammengehörigkeit, die Jdee des „Corpus Christi musticum“ dadurch zum lebendigen Ausdruck kommt. Endlich hat das Sakrament einen überragenden religiös⸗ſittlichen Wert: macht⸗ voll hilft, ja zwingt es den gläubigen Menſchen zur religiöfen und ſittlichen Tat, treibt ihn, frei und ſelbſttätig die Seele zu bereiten für Gottes heilige Sabe, drängt den inneren Menſchen, ſich zu läutern und zu erheben, auf daß er das Sakrament würdig empfange und es ihm wirklich zum Quell übernatürlicher Kraft und übernatürlichen bebens werde. 50 ift alſo Sinn und Bedeutung der Sakramente
12
vielfach und gerade dadurch fo groß. Aber beachten Sie eines: alle religiös: ſittliche, kirchlich⸗ſoziale und pſuchologiſche Wirkung der Sak⸗ ramente wurzelt weſenhaft in deren metaphuſiſch⸗ übernatürlicher Wirk⸗ lichkeit und in der gläubigen Überzeugung davon: ohne jene Wirke lichkeit wäre das Jakramentale Leben unwahrhaftig und unwahr, ohne dieſe Überzeugung wäre es ſeeliſch leer und kraftlos. Sinn und Bedeutung hat eben das Sakrament nur als Weſensteil des weſenhaft übernatürlichen katholiſchen Glaubens und Lebens.
50 habe ich denn verſucht, meine Zuhörer, und hoffentlich nicht vergebens, Ihnen einen erſten Begriff vom Weſen des katholiſchen Glaubens und Lebens zu geben. Das Merkwürdige iſt: mit all meinen Worten konnte ich Ihnen nichts anderes fagen, als was auch das ſchlichte katholiſche Volk weiß und lebt und verſteht. Das ſchlichte Ratholiſche Volk wird fein Wiſſen und Leben und Verſtehen vielfach in ſchlichtere Worte kleiden, als ich es getan, aber in Worte doch, die ganz dasſelbe bedeuten und meinen wie das, was Sie aus meinem munde vernommen. |
Einen erſten Begriff habe ich Ihnen zu geben gefucht vom katho- lifchem Wefen und Sein: denn jenen unter Ihnen, die nicht katholifchen Glaubens find, kann das alles zunächſt ja nur Begriff fein, anmutend vielleicht ſogar wie leerer Begriff. Uns aber, die wir katholiſch find und Ratholiſch glauben und leben, ift es nicht nur Begriff, uns ift es volle, ftarke Wirklichkeit, Wirklichkeit, fo lebendig und friſch, fo reich und beglückend, daß wir Welt und Leben voll freudiger Über⸗ zeugung hingäben, wenn es als Preis unſeres Ratholifchen Glaubens und Lebens gefordert würde.
Einen erſten Begriff alſo vom Rathalifchen habe ich zu geben verſucht. Nun aber ſollte ich fortfahren dürfen und den abſtrakten Begriff mit Fleiſch und Blut, mit Farbe und Klang umgeben; ſollte Ihnen in großen Zügen und mit heißer Liebe ſchildern dürfen, wie ſich aus feinem Weſen heraus das katholiſche Sein und Leben ent⸗ faltet, mit ſeiner ganzen Fülle und Tiefe, ſeinen innigen Freuden, feinen Rämpfen und Siegen. Da dürfte ich reden von jener erhabenen Geſtalt, die mitten im katholiſchen Geben und Denken und Minnen ſteht, von der das katholiſche beben ſeine Wirklichkeit, ſeinen Grund, feinen Mittelpunkt hat: von Jefus Chriſtus, dem Sottmenſchen. Ich dürfte reden von dem wundervoll zarten und ſtarken Leben, das ſich in Frömmigkeit und Liturgie und Myftik um ihn rankt, zumal auf dem ſakramentalen Fruchtboden der Luchariſtie. Ich dürfte reden
13
von der Gemeinſchaft der Kirche als der Gemeinſchaft der Liebe und Gnade, reden auch von dem vollgereiften katholiſchen Geben, wie es in Gottesliebe und Heiligkeit, aber auch in menſchenliebender Tatkraft ſich bewährt, immer und überall im bichte des übernatürlichen Glaubens und in der Kraft übernatürlicher Gnade und in der machtvollen Ruhe tiefſter Gewißheit.
Das alles und ſo vieles noch ſollte ich ſagen und bildhaft vor Ihre Augen ſtellen dürfen
Aber ich darf es nicht. Ich muß abbrechen, um noch Zeit zu haben für einen Blick in die Weite der Welt und der Menſchheit.
(Schluß folgt.)
ene eee eee eee eee sees e eee seeehr sees teste eee %ũ,j .
Die Epiphanie im Dichte der Religionsgeſchichte.
Don P. 080 Cafel (Maria-Gaad)).
er nr wählt auf Ratholifcher Seite die Erkenntnis von der Bedeutung der Religionsgeſchichte. Anfangs flößte ein geſunder Inftinkt den Katholiken eine gewiſſe Scheu vor dieſer neuen Wiſſenſchaft ein. Man fürchtete die Gefahr, der ja auch viele erlegen ſind, es könnte, wenn alle Religionen als Denkmäler der religiöſen Sehnſucht mit gleicher Sorgfalt und Achtung ſtudiert würden, wenn dann auch das Chriſtentum in dieſe Reihe eingereiht und in die Entwickelung hineingeſtellt würde, die abſolute Stellung der chriſt⸗ lichen Religion, ihr göttlicher Urſprung und übernatürlicher Charakter verkannt und geleugnet werden.
Dieſe Gefahr beſteht jedoch nur ſo lange, als man ohne kritiſche methode, ohne tiefere Scheidung analoge Erſcheinungen verſchiedener Religionen nebeneinander ſtellt und daraus auf Gleichwertigkeit und Abhängigkeit ſchließt. Da wirbeln denn Brahmanen, Mexikaner, Bantuneger, Buddhiſten, Shintoiften, Griechen, Ägypter, Iranier, Gaotfe, Buddha, Jarathuſtra, Mani ufw. durcheinander, und in diefen ver- wirrenden Wirbel werden auch die erhabenen Geſtalten unferer Religion hineingezogen und verlieren dabei notwendigerweife ihre Würde und ihren überirdiſchen Glanz. Eine ſolche Beilteshaltung muß zum JIn= differentismus führen, dem jede Religion das Gleiche gilt und daher gleichgültig iſt.
Wird jedoch die Vergleichung der Religionen mit kritiſcher Schärfe vorgenommen, zieht man vor allem erſt dann das Chriſtentum in
14
diefen Kreis, nachdem man es bis in feine Tiefen durchdacht hat, fo kann die Religionsgefchichte der höheren Schätzung des Chriſten⸗ tums nur förderlich ſein. Zwei Früchte werden insbeſondere aus religionsgeſchichtlichem Wiſſen herausreifen. Einmal wird man durch die Dergleichung mit anderen Religionen erkennen, daß gewiſſe ehren und Gebote, die man vielleicht bisher für ſpezifiſch chriſtlich gehalten hat, auch anderen religiöfen Suſtemen angehören (wenn auch meiſt die gleich zu erwähnende tiefere Derwurzelung fehlt); man wird da⸗ durch gezwungen, nach dem eigentlich und weſentlich Chriſtlichen zu ſuchen, und wird gerade dadurch die alle anderen religiöfen Wege überragende Höhe des Chriftentums erkennen; man wird dann auch einſehen, daß auch jener ſcheinbar mit anderen Religionen gemeinſame Beſitz im Chriſtentum ungleich tiefer und wahrer begründet iſt. Anderer⸗ ſeits wird einem die Einfiht aufgehen, daß die chriſtliche Religion wirklich die Krone aller Religionen iſt, inſofern fie das, was in den anderen geahnt, gefühlt, angeſtrebt wird, zur Klarheit und Wirklich⸗ keit emporführt. So wie Chriſtus Gipfelpunkt aller menſchlichen Ent⸗ wickelung iſt, ſo muß auch ſeine Religion die Merkmale jeder reli⸗ giöſen Betätigung, von der primitivften bis zur höchſtgeiſtigen, in ſich enthalten, aber in einer höheren göttlichen Einheit. So wäre es denn ein Unding, die Urſprünglichkeit des Chriſtentums ſo auf⸗ zufaſſen, als dürfte es nur ganz Neues, Unerhörtes vorbringen, als müßten all feine Formen durchaus von dem Beſitze anderer Religionen abſtechen. Mit Recht ſagt R. Reitzenſtein : „Eine Originalität in jenem äußerlichen Sinne“, als müßten nämlich alle Formen, Bilder, Vor⸗ ſtellungen durchaus ſelbſtändig ſein, „kann es in einer höheren Religion überhaupt nicht geben“.
Was von dem Chriftentum überhaupt, das gilt noch mehr von feiner Liturgie. Liturgie iſt die zu lebendiger Form gewordene Religion. Die Form aber iſt weit weniger beweglich als der Geift. Auch wer ganz neue Dinge vortragen will, muß dazu Wörter in den mund nehmen, die ſchon alt und feſtgeprägt ſind. Er legt einen neuen Inhalt hinein, aber fie behalten doch viel von dem alten Sinne und noch mehr von der alten Stimmung bei. 8o mußte auch der chriſtliche Kult ſich überlieferter Formen bedienen. Er goß neuen Beift in alte Formen; dieſe aber verloren deshalb nichts von ihrem alten Stimmungswert; dieſer begann vielmehr neu zu leuchten.
So ift es denn keineswegs überflüſſig, mit Hilfe der Religions- geſchichte ſich in die Vorgeſchichte unſerer heiligen Riten zu vertiefen.
1 Das iraniſche Erlöſungsmuſterium (1921) 149.
15
Nach einem Grundgeſetz des menſchlichen Denkens muß für gewöhnlich der Geiſt des Menſchen vom Niederen zum Höheren ftufenweife empor⸗ ſteigen; am Ziele angelangt, mag er die Leiter beiſeite ſtoßen. Viele Formen der Liturgie bekommen ein ungeahntes Geben, wenn fie in den Fluß der Entwicklung, in das friſche Keimen und Sproſſen reli⸗ giöſen Denkens und Fühlens hineingeſtellt werden.
Ein kurzer Blick auf den Begriff und das Wort Epiphanie wird uns das klarer machen. |
Das griechiſche Hauptwort Zrıpdveıx kommt von dem Zeitwort Si ꝙc cle /erſcheinen“ und bedeutet demgemäß „Erſcheinung“. Zu einer Erſcheinung gehört es, daß ſie plötzlich und unerwartet auftritt, und gewöhnlich auch, daß die Geftalt des erſcheinenden Weſens von bicht umfloſſen iſt. Das erſcheinende Weſen offenbart ſeine macht⸗ volle Gegenwart, die den einen zum Schrecken, den anderen zum unverhofften Troſt und zum Beiſtande wird. So verbindet ſich mit dem Begriffe der Epiphanie der des heiles aus tiefer Not. Die Er⸗ ſcheinung kann auch darin beſtehen, daß zwar die Hilfe augenſcheinlich ift, die Geftalt ſelbſt aber nicht ſichtbar wird. Aus dieſer Begriffs» beſtimmung des Wortes ergibt ſich ſchon, daß die Epiphanie in der Regel von übernatürlichen Weſen, nach dem Glauben der heiden von Göttern oder Heroen oder Dämonen, ausgeſagt wird.
In dieſem Sinne finden wir Epiphanie ſchon bei den Griechen der älteren Zeit.‘ Ein Beiſpiel gibt uns herodot. Er erzählt VI 61 von der ſpäteren Gattin des königs Ariſton in Sparta, fie ſei als kleines Rind häßlich und unfcheinbar geweſen. Ihre Amme habe fie daher jeden Tag in das Heiligtum der Helena, die ja durch ihre Schönheit berühmt war, getragen und dort vor deren Bild gebetet, ſie möge das Rind von feiner Häßlichkeit befreien. Als fie nun einmal aus dem Tempel trat, da „erſchien“ (Erıpavavaı) ihr eine Frau und fragte, was fie da trage. Nach einigem Zögern zeigte die Amme das Kind; die Frau berührte deſſen Kopf und fagte, es würde ſchöner werden als alle Frauen in Sparta. Und ſo geſchah es. Hier haben wir die Charakteriftika einer Epiphanie: das plötzlich Sichtbarwerden einer übernatürlichen Macht, die Heil und Segen bringt. Beſonders zahlreich find die Zeugniſſe für die Epiphanie der Götter aus der helleniſtiſch⸗ römiſchen Zeit, in der das Chriſtentum entſtanden iſt. Wir geben nur ein paar Beiſpiele. Im nördlichen Säulengang des Tempels der Athena in Pergamon, der hauptſtadt der Attaliden, fand man in
1 Pgl. zum folgenden Fr. Steinleiter, Die Beicht im Juſammenhange mit der ſakralen Rechtspflege in der Antike (Geipzig 1913) 15 ff. 80 f.
16
Stein gehauen einen Brief des Aönigs Attalos III. Philometor an die Pergamener, in dem er berichtet, feine von ihm ſehr geliebte mutter Stratonike habe eine beſondere Verehrung für den Zeus Sabazios, „der in vielen Handlungen und vielen gefährlichen Lagen unſer Beiſtand und helfer wurde und den wir wegen der von ihm geſchehenen Epiphanien zuſammen mit der Siegſpenderin Athena zu weihen beſchloſſen,“ d. h. ihm in dem Tempel der Athena einen ktult mit Opfern, Umgängen und Muſterien einzurichten. Die Epi⸗ phanien des Gottes ſind hier offenbar ſeine Hilfen in Schwierigkeiten und Nöten des Staates. In einem Feſtkalender von Pergamon aus dem. Ende der Attalidenherrſchaft iſt die Rede von der „Epiphanie des Zeus Tropaios,“ alſo des Wenders in der Schlacht, der den Truppen des ktönigs den Sieg, vielleicht über die damals in kllein⸗ afien eingedrungenen Gallier, gegeben und fo feine helfende Gegenwart gezeigt hatte. Eine epheſiſche Inſchrift rühmt die „offenbaren Epi⸗ phanien“ der Artemis.“ Diodor fagt in feinem Geſchichtswerke J 25, 4, „die ganze Welt ſozuſagen ... mache ſich eine Ehrenfache daraus, die Ifis zu feiern wegen ihrer in den Heilungen ſich offenbarenden Gottesmacht“ (griech. wegen ihrer Epiphanie in den heilungen). Und Dionyfios von Halikarnaß hält es in feinen „Altertümern“ II 68, 1 „für angemeſſen, die Epiphanie der Göttin (Desta) zu erzählen, die ſie den ungerecht angeklagten Jungfrauen erzeigte.“
80 wird denn das Eigenfchaftswort Erıpavhs, Erıpavsorarocs, das für uns unüberſetzbar ift — wir können es „mit ſich offenbarend“ wiedergeben; die Römer überſetzten es mit „praesens“, gegenwärtig; es bezeichnet, wie wir geſehen, die ſich glänzend und augenſichtlich irgendwie hilfreich zeigende Macht der Gottheit — zu einem ehrenden Beiwort ſehr vieler Götter, die wir hier nicht aufzählen wollen. Wie ſehr der Epiphanie⸗ und der Heilsgedanke verbunden find, zeigt auch eine pergameniſche Weihung „an die Dioskuren, die Heilgötter, die ſich, offenbarenden Götter.“ Beſonders verbreitet ift dieſe Dorftellung in Kleinaſien. Bier mifchen ſich ja griechiſche Religion und orienta⸗ liſcher Glaube; und da letzterer tiefer und perſönlicher war als das religiöfe Fühlen der hellenen, fo ſehen wir, daß hier nicht nur die Epiphanien beſonders oft erwähnt werden; fie nehmen zugleich einen intimeren Charakter an und werden, während ſie in Griechenland bloß ein hilfreiches Eingreifen der Gottheit in das Schickſal des ein⸗
W. Dittenberger, Orientis graeci inscriptiones selectae n. 331 Feile 50 ff. 2 Fränkel, Die Inſchriften von Pergamon I (1890) 160 n. 247 col. 2. ° Corpus
inscript. Graec. II 2954 A; Dittenberger, Sylloge? 867, 35. Fränkel a. a. O0. I 236 n. 321.
(PYJuDyJog1o]]) nodurgy un uadugıg ne 13490S19108391G 18
17
zelnen oder des Staates bedeuten, öfters zu einem ganz perfönlichen Erlebnis.” Wenn z. B. ein Sklave Primos der „Bergmutter“ einen Dotivftein ſetzt, „durch eine Epiphanie der Göttin aufgefordert,“ fo dürfen wir annehmen, daß hier die „große Mutter“ etwa im Traum mit ihrem Diener geſprochen haben ſollte.
Die huldreichen Offenbarungen der Gottheit werden in den Tempeln zuſammen mit den Weihegeſchenken aufgezeichnet. Eine ſolche Tempelchronik hat man in den Trümmern der Stadt Lindos auf Rhodos gefunden; ſie zählt die Weihegeſchenke gemäß der Zeit der Weihung auf und fügt dazu Erzählungen von Epiphanien der Göttin Athena, die den Anlaß zu jenen gaben, wie die Infchrift ſelbſt ſagt: „Da der Tempel der lindiſchen Athena... von den älteſten Zeiten her mit vielen und ſchönen Dotivgaben geſchmückt ift wegen der Epiphanie der Göttin“ uſw.“ Aus den Aufzeichnungen der Prieſter gingen ſolche Erzählungen in die lokale hiſtoriſche Literatur über. Rus der Stadt Chersonnesos in der tauriſchen halbinſel (jetzt Krim) haben wir eine Inſchrift aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. Darin beantragt ein Bürger, Herakleidas, in der Dolksverfammlung, Suris⸗ Ros, Sohn des Berakleidas,‘ ſolle gelobt und mit einem goldenen Aranze bekränzt werden, „weil er die Epiphanien der Parthenos (d. h. der Jungfrau, der Hauptgöttin jener Stadt) fleißig aufgeſchrieben und vorgeleſen hat;“ die Bekanntmachung dabei ſolle lauten: „Das Volk bekränzt den Syriskos, Sohn des herakleidas, weil er die Epi⸗ phanien der Parthenos aufſchrieb .. der Wahrheit gemäß und wie es ſich für unſere Stadt zieint.“ Dieſem Antrage wurde ſtatt⸗ gegeben, das Protokoll der Derfammlung niedergeſchrieben und außer⸗ dem in Stein gehauen im Tempel der Parthenos aufgeſtellt.“ Syriskos benutzte dabei offenbar die im Tempel vorhandenen chronikartigen Aufzeichnungen der Prieſterſchaft. Was er aufſchrieb, waren aber nicht nur Ereigniſſe grauer Vorzeit; die Epiphanien vollzogen ſich noch in den Tagen der Schreiber. 8o geht aus einer Inſchrift hervor, in der wiederum Herakleidas beantragt, das Volk möge ſich der Parthenos dankbar erweiſen, „da es früher durch ſie aus den größten Gefahren gerettet worden ſei, und auch jetzt, als ſchon die Einwohner mit ihren Rindern aus der Stadt gegangen waren.“ Wie man ſich im einzelnen die rettende Epiphanie der Göttin dachte, zeigt ein anderer Stein: „Die Parthenos, die in allem den Chersonnesiten
1 Pgl. Steinleitner a. a. O. 81. ? Sterrett, The Wolfe Expedition to Asia minor 280 n. 400, bei Steinleitner 19. ° Chr. Blinkenberg, Die Dindiſche Tempelchronik; ogl. Dittenberger, Sylloge I? (1917) 725. es iſt ein anderer Herakleidas gemeint. M. Rostowzew, ’Erıpavera. Klio 16 (1919) 203 ff. ° Rostowzew a. a. O. 205.
Benediktiniſche Monatfchrift IV (1922), 1—2. 2
18
vorſteht und auch damals dem Diophantos beiſtand, verkündigte das zukünftige Ereignis durch die Zeichen, die in ihrem Tempel geſchahen, und flößte dem ganzen Heere Kraft und Wagemut ein.“ Die am nordufer des Schwarzen Meeres liegenden Griechenſtädte wurden im 3. Jahrhundert oft von den Skuthen bedrängt; in ihrer Not glaubten fie den Beiſtand der Götter zu fühlen und ſchrieben dankbar ihre Epiphanien nieder, nicht nur in den Tempeln, ſondern auch in Geſchichts⸗ werken. 50 gab es im Altertum auch ein Buch des Jstros „Epiphanien Apollons“ und eins des Phularetos „Über die Epiphanie des Zeus.“
Die Epiphanien der Götter wurden aber nicht nur aufgezeichnet und ſo dem Gedächtnis der Nachwelt überliefert, ſie wurden auch all⸗ jährlich oder allmonatlich gefeiert. Auf dem Markte in Magnefia am Maiandros war auf einer Steinplatte ein Dolksbefchluß der Bürger der „perſiſchen Antiocheia“ aus der Zeit Antiochos d. Gr. (223 — 187 v. Chr.) zu leſen, in dem dieſe ſich bereit erklären, auf die Einladung der Magneten hin an dem Feſte der Artemis Leukophryene teilzu⸗ zunehmen. Die Befanöten der Magneten „hatten in längerer Aus= führung die Epiphanie der Göttin dargelegt“ und „aufgefordert, den Wettkampf um einen Aranz, den fie zu Ehren der Artemis Leuko- phruene gemäß dem Orakel des Gottes halten, anzunehmen.“ Das Feſt beftand in „dem Opfer, der Feſtverſammlung, dem Gottesfrieden und dem den puthiſchen Spielen gleichwertigen Wettkampf um den franz in Mufik, Turnen und Pferderennen“. Da das Felt der eEpiphanie der Göttin galt, lag es nahe, es kurzweg als Epiphanie zu bezeichnen. Auf den höhen des Taurusgebirges, auf dem jetzt Demrud-Dagh genannten Berge, errichtete ſich der König Antiochos von ktommagene im 1. Jahrhundert v. Chr. ein rieſiges Grabmal und ſchmückte es mit gewaltigen Standbildern des Jeus Oromasdes, des Mithras, Artagnes, der Rommagene und feiner ſelbſt, ferner mit Reliefbildern feiner vergöttlichten Dorfahren. All dieſe bezeichnet er als „ſich offenbarende Götter“ (daloveg Erıpaveic) und zählt ſich ſelbſt ihnen zu. Ihnen und ſich ſelbſt zu Ehren ſetzt er Feſte ein: „Meinen leiblichen Geburtstag am 16. Rudnaios und die Annahme der Arone am 10. Loos weihte ich zu Epiphanien der großen Götter, die mir Führer zu glücklicher herrſchaft und meinem ganzen Reiche Urſache gemeinſamer Güter wurden“. Sie ſollen alljährlich an je zwei Tagen vom ganzen
1 Rostowzew a. a. O. 204; Sylloge? 709. Rostowʒew 203.
® Dittenberger, Or. Graec. inscr. sel. 233.
Ebd. 383, 82 ff. Die Feier des Regierungsantrittes (bei den Römern „natalis
imperii“) iſt urſprünglich perſiſche Sitte; vgl. Herodot IX 110. Antiochos ſchreibt auch perſiſches Gewand für den Prieſter vor; Jeus Oromasdes iſt Ahuramazda.
19
Volke, jeden Monat aber von der Prieſterſchaft feierlich begangen wer⸗ den. hier ſieht man deutlich, wie das Feſt felbft zur Epiphanie wird.
Zugleich zeigt uns die Inſchrift des Antiochos, daß ſein wie ſeiner Herrfhaft Geburtstag als Epiphanie aufgefaßt wurde. Daß die Epiphanie des Gottes fein Geburtstag ſei, iſt ſchon älterer Glaube. So feierten 3. B. die Delphier am 7. Byfios die Epiphanie des Apollon; fie nannten das Feſt Yeopdvır, d. h. Sotteserſcheinung, und betrachteten es, weil der Gott für fie an dieſem Tage zuerſt in Erſcheinung ge⸗ treten war, als feinen Geburtstag, wie Plutarch berichtet (Quaeft. graec. 9): „Und dieſen fiebten halten fie für des Gottes Geburtstag“. Die Epiphanie der oben erwähnten Artemis Geukophryene galt eben⸗ falls als ihr Geburtstag. Am 6. Artemiſion war ihr Kultbild feierlich in dem Parthenon zu Magneſia aufgeſtellt worden; ſo war dieſer Tag für die Magneten ihr Geburtstag, denn ſeitdem lebte fie in ihrem Bilde bei ihren Derehrern’.
Die Inſchrift vom Berge Tiemrud-Dagh ift ferner ein Zeugnis da⸗ für, wie die eigentlich nur von Göttern auszuſagenden Ausdrücke allmählich auf die herrſcher übergingen. Antiochos weiht die Bilder und den kult freilich zunächſt den Göttern, dann aber auch feinen vergöttlichten Vorfahren, ja er ſchließt ſich ſelbſt ein, obwohl er noch unter den Lebenden iſt. Griechiſche und orientaliſche deen floßen im Herrſcherkult zuſammen, und dies wieder hauptſächlich in Klein⸗ afien, zuerſt vielleicht in Kappadokien.“ Don dort drang er nach Süden und Weſten vor und beherrſchte in der Kaiſerzeit auch das römiſche Reich. Stolz nennt fi der König von Kommagene am Beginne ſeiner Inſchrift: „Der Großkönig Antiochos, der Gott, der Gerechte, der ſich Offenbarende (Epiphanes)“. Die Beiſpiele ließen ſich häufen. Die mächtigen Könige und Raifer, die dem Volke Ruhe und Frieden brachten, kamen dieſen als „leibhaft erſchienene Götter“ (Oeol Zrıpaveis) vor, die durch ihre Wohltaten ſich als „gegenwärtig“ („deus praesens“) zeigten.“ Deshalb feierten die Bürger ihren Beſuch als eine Epiphanie. Auf einer zu Ehren des Hadrian gefchlagenen münze ſteht ’Erıpdvix Adyobcrou, Epiphanie des Auguſtus. Die orien- taliſche Anfchauung von dem Gottkönigtum hat auch im Welten geſiegt. Wie die Götter Könige find, fo find die Könige Götter, ſichtbare Er⸗ ſcheinungen, Epiphanien der Gottheit. ö
1 W. Schmidt, Geburtstag im Altertum. Keligionsgeſch. Verſuche u. Dorarb. VII 1 (1908) 86 f. Schmidt 96; dort noch weitere Belege. Dgl. Steinleituer, Beicht in der Antike 19 f. Ee. Kornemann, Fur Seſchichte des antiken Herrfcherkultes. kilio 1 (1901) 83 N. 3. DgL Bened. Monatſchr. III (1921) 20 f.
2*
20
Damit haben wir alle Wefensmerkmale des Begriffes Epiphanie, wie fie ſich im helleniſtiſchen Zeitalter, als das Chriſtentum in die Welt eintrat, gebildet hatten. Sie bezeichnet das glänzende, lichtvolle Sichtbarwerden des Gottes, der ſich als gewaltigen König und als frieden⸗ und ſegenbringenden Heiland (surhp) offenbart. Wie nahe lag es, daß die Chriften dies Wort auf ihren im Fleiſche erſchienenen, zum heile der Menfchen gekommenen Bottkönig Chriſtus anwandten! So ſehen wir denn das Wort Epiphanie ſchon im Neuen Teſtament zuſammen mit dem eng verwandten von der Paruſie auf die gnaden⸗ reiche Ankunft des herrn in Menfchengeftalt gedeutet.. Das war eine andere Offenbarung als die der heidniſchen Wahngötter oder als die der ſtolzen römiſchen Statthalter und Caeſaren. Das heil, das dieſer Heiland brachte, war unendlich erhaben über die äußerlichen, ver⸗ gänglichen Güter der ktaiſerherrſchaft. Und trotzdem bot jenes Wort mit ſeinem reichen Stimmungsgehalt eine Form dar, in der die Chriſten einigermaßen ausſprechen konnten, was ihre Seele bewegte und erfüllte.
80 drang der Begriff von der Epiphanie bald auch in den kult ein, in dem ja die junge Chriſtenheit all ihr Denken niederlegte, ihr Glück ausjubelte. Das Epiphaniefeft der Chriſten war das Geburts⸗ feſt ihres herrn, an dem er der Welt im Fleiſche erſchienen war und ſeine königliche Würde geoffenbart hatte. Als ſpäter das Weihnachts⸗ feſt neben die Epiphanie trat, da ſchwand die eigentliche Geburt aus dem Inhalte des Feſtes; um fo mehr leuchtete der Gottköniggedanke hervor.
Doch die Geſchichte des chriſtlichen Epiphaniefeſtes müſſen wir einem fpäteren Nufſatz vorbehalten. Hier ſollte nur gezeigt werden, wie der Hellenismus. die goldene Schale darbot, in die die Kirche den Wein Chrifti gießen konnte. Erinnert fei nur kurz an den Introitus des Feſtes in der römiſchen Liturgie, der nun einen neuen Glanz und ausgeprägteren Stimmungsgehalt empfängt: „Erfchienen iſt der Herr⸗ ſcher, der Herr; Rönigtum iſt in feiner hand, Macht und ktaiſergewalt“. Ihm bringen im Offertorium alle Völker und Könige der Erde ihren Tribut, wie einſt die Satrapen dem Perſerkönig; und in der Communio ſteht der Stern über ihm und bezeichnet ihn als den „Großkönig“, den „König der Könige, und als Gott“.
1 Hd. Deißmann, Licht vom Oſten (' 1909) 284. Deißmann behandelt 278 bis
283 ausführlicher den mit der Epiphanie nah verwandten Begriff der Parufie, Ankunft,
„aöventus“. 282 das lateiniſche Gegenftück zu der erwähnten Münze: „Aöventus
Auguſti“. 80 fagt z. B. Gregor v. Ilaz. or. 38, 3 (Mligne PG 36, 313) — bei Schmidt 87:
„Die Theophanie oder auch der Geburtstag; beides kann man ſagen; zwei
Pe bezeichnen dieſelbe Sache; es erſchien nämlich Gott den Menſchen durch die eburt“.
21
Die Anfänge der klöſterlichen Profeß. Don P. Matthäus Rothenhäusler (St. Joſef bei Coesfeld).
E" Beitrag zur Geſchichte der klöſterlichen Profeß berührt nicht nur die Geſchichte des chriſtlichen Mönchtums, ſondern auch die Geſchichte der Liturgie, des kirchlichen Rechts und der chriſtlichen Frömmigkeit. Durch die Forſchungen von J. Wilpert, 9. Koch,“ F. Martinez, R. Reitzenſtein“ find wir über den Entwicklungsgang der Gelũbde im altchriſtlichen Aszetentum unterrichtet, ſoweit die Jeug⸗ niſſe es geſtatten. Die Geſchichte der klöſterlichen Profeß knüpft un⸗ mittelbar an dieſe „Profeß“ der alten chriſtlichen Aszeten an. Nament⸗ lich R. Reitzenſtein hat darauf hingewieſen, daß die älteſte Form der Bindung an das chriſtliche Mönchsleben in der ſogenannten ono ol zpöc Heév, dem „Vertrag mit Gott“ vorliegt.“ In privater Weiſe, wie urſprünglich die chriſtlichen Aszeten beider Geſchlechter, ging der, welcher ſich dem Mönchsleben weihen wollte, dieſe „Verabredung“, diefe „Vereinbarung“ mit Gott ein. Über den Inhalt diefes „Vertrages“ (der lateiniſche Name iſt „pactum“) ſind wir ausgiebig unterrichtet. Er läßt ſich zuſammenfaſſen in das eine Wort „Entſagung“, & G α I oder, wie die häufigere Form lautet, ärorayh. Wer die Befchichte der Profeß des alten chriſtlichen Mönchtums ſchreiben wollte, dürfte ihr dieſes Wort zum Titel geben. Zu faſt unüberſehbarer Fülle wächſt die Jahl der Stellen, in denen die Schriften des Mönchtums von Inhalt und Begriff dieſer „Abſage“ ſprechen. Der Inhalt ent⸗ ſtammt den bekannten Stellen des Evangeliums, in denen der Heiland von feinen Jüngern „die Entſagung“ fordert, ebenſo wie das auch in der profanen Literatur gebräuchliche Wort (arorkoceoda) an einer dieſer Stellen vorkommt. Das chriſtliche Mönchtum iſt ja zu einem guten Teile aus der altchriſtlichen „apoſtoliſchen“ Lebensform derer heraus⸗ gewachſen, die gleich den Apofteln und Jüngern des Herrn alles ver⸗ ließen, um die chriſtliche behre zu verkünden. „Entſagende“ (dnoraxrızot oder dnoranriraı) hießen noch in ſpäterer Zeit an manchen Orten die Aiszeten und Mönche. Die lateiniſche Überſetzung gebraucht „abre⸗ nuntiatio“ für drorayh; an die Stelle trat vielfach „conversio“ (Be-
1 Die gottgeweihten Jungfrauen in den erſten Jahrhunderten der Kirche, Frei- burg 1892. ? Dirgines Christi, Leipzig 1907. G’Ascktisme chrͤtien pendant les trois premiers siècles de l'eglise, Paris 1913. Des Athanaſtus Werk über das Geben des Antonius, Heidelberg 1914; historia monachorum und historia lausiaca, Göttingen 1916. ° Athanaſtus über Antonius S. 62; Historia monachorum 8. 42 f., 56, 258. Puk. 14, 25; 14, 33. Matth. 10, 37. Puk. 9, 23-27. Puk. 14, 33.
sgl. Benediktiniſche Monatſchrift III (1921) 8. 89 — 92. gl. Dictionnaire d“ archkol. chret. L 2 col. 2604 — 2615: „apotactites et apotaamènes“.
22
kehrung) durch eine gewiſſe Derfchiebung des Begriffs, deren Geſchichte noch nicht recht aufgehellt iſt.
Wie vollzog ſich nun in den erſten Zeiten in den Klöftern die Verpflichtung zum Mönchtum? Die älteſte Form blickt uns ohne Zweifel aus einer Nachricht in der griechiſchen Lebensbeſchreibung des hl. Pachomius entgegen. Wir wollen diefes Zeugnis etwas näher beleuchten, da es uns die Anfänge der klöſterlichen Profeß ſehr an⸗ ſchaulich vor Augen führt. Pachomius ift eine bedeutende Erſcheinung im ältereren chriſtlichen Mönchtum. Von heidniſchen Eltern geboren, hatte er als junger Mann bei Gelegenheit ſeiner Einziehung zum heeresdienſte die Chriften kennen gelernt. Seine Aufmerkfamkeit auf fie war erregt worden durch die auffallende Liebe, mit der fie die harte Cage der Rekruten zu lindern ſuchten, indem fie ihnen allerlei Erquickungen ſpendeten. Diefe Liebe war von da an für Pachomius der Deitftern feines Lebens. Sie lenkte feine Schritte zu Ratechumenat und Taufe, dann führte fie ihn zu heroiſcher Hingabe an die chriſt⸗ lichen Ideale im Einſiedlerleben. Den wohlerprobten Einfiedler führte fie zur Gründung von Klöſtern, um im gemeinſamen beben der chriſt⸗ lichen Liebe einen größeren Spielraum zu ſchaffen. Den großen Er⸗ folg feines Werkes zu ſchildern ift hier nicht der Ort; feine Klöfter waren noch lange ein Segen für das koptiſche Volk.
Gleich aus den erſten Zeiten der Gründung des gemeinfamen Gebens berichtet die Lebensbeſchreibung von ihm: „er begann auf⸗ zunehmen, die zu ihm Ramen. Und alſo mit gebührender Prüfung ihrer ſelbſt und ihrer Eltern legte er ihnen das Gewand der Mönche an, nachdem er ſie zuvor unterrichtet hatte über das beben im einzelnen. Und zwar zuerſt, daß ſie der ganzen Welt entſagen müſſen und dem Ihrigen (rois lötoıs) und ſich ſelbſt, und fo dem Er- löſer, der alfo lehrt, nachfolgen. Denn dies iſt das Areuz tragen.“
Beſtätigt wird dieſe Nachricht über den Brauch in den Pacho⸗ miusklöftern durch einen Brief des äguptiſchen Biſchofs Ammonius, worin er Erinnerungen aus feinem beben als Mönch im £lofter des hl. Pachomius auffriſcht. Über ſeine eigene „Profeß“ erzählt er: „Als wir vor dem Rlofter ſtanden, würdigte ſich der Mann Gottes Theodorus an der Pforte mit mir zuſammenzuſein, und er ſprach mit mir über die Pflichten, ließ mich dann das Gewand wechſeln und führte mich hierauf in das kiloſter hinein“.
Acta Sanctorum Bolland. Maii t. III (Antwerpen 1680) n. 16, pg. 29* B.
Theodor war lange Zeit die rechte hand des hl. Pachomius und als Koadjutor
feines zweiten Nachfolgers der Geiter ſämtlicher in ſtreng zentraliſtertem Verbande vereinigter Klöſter. . c. n. 1, 64 A.
23
Der eigentlichen „Entſagung“ oder Profeß geht zunächſt die „Prü⸗ fung“ voran. Den Bewerber um Aufnahme vorher einer Prüfung zu unterziehen, die ſich ohne Zweifel auf perſönliche Eigenſchaften und auf Stand und Herkunft bezog, lag nahe. Wir dürfen daher der Lebensbefchreibung glauben, daß ſchon Pachomius, der ſich in allem als kluger und überlegender Geiſt zeigt, eine ſolche Prüfung vorzunehmen pflegte. Wenn Ammonius in ſeinem Briefe nur den Unterricht und die Einkleidung erwähnt, von der Prüfung aber ſchweigt, fo dürfte dies wohl darin feinen Grund haben, daß Ammonius und feine Derhältniffe dem Theodorus ſchon bekannt waren. Wir brauchen alſo nicht anzunehmen, daß die Nachricht über die Prüfung nicht dem echten lern des Pachomius⸗Pebens, fondern der interpolierten Er⸗ weiterung angehöre. Die „Prüfung“ wurde ſpäter zu einer regel⸗ mäßigen Einrichtung bei der Aufnahme in die Alöfter. Als „Scru= tinium“ iſt ſie eine ſtändige kirchenrechtliche Einrichtung geworden; ebenſo entſprechen die heute noch vom kirchlichen Rechte für die Aufnahme von Novizen geforderten ſchriftlichen Zeugniffe jener alt= ehrwürdigen „Prüfung“. Ein beſonderer Umſtand trat in der alten Zeit zu den übrigen allgemeinen Gründen für eine „Prüfung“ hinzu: es kamen häufig auch Sklaven und baten um Aufnahme in die Rlöfter. Das konnte zu Verwicklungen mit ihren herren führen, wenn deren Einwilligung fehlte. Auch ſuchten Sklaven allzuleicht mit der Bitte um Aufnahme nur drückenden Derhältniffen zu ent⸗ rinnen, fo daß ihnen der wahre Beruf gänzlich mangelte. |
Eine Parallele zu dieſer Prüfung fehlt auch im griechiſchen Vereins⸗ leben nicht ganz. Eine done finden wir bei manchen antiken Vereinen vorgeſchrieben. Sie bildete ſich hier in ſpäterer Zeit zu⸗ weilen zu einer umſtändlichen Förmlichkeit aus, doch war ſie nicht allzuweit verbreitet und hielt ſich nur an Außerlichkeiten.°
Wenn die Prüfung ein günſtiges Ergebnis hatte, folgte der Unter⸗ richt. Er ging auf das klöſterliche Leben „im einzelnen“. Die Grundlage bildete eben die „Entſagung“ in ihrem dreifachen Gebiete: Welt, Haus und habe, das eigene Ih. Als Zweck dieſer negativ gerichteten Anforderungen wird ausdrücklich („und ſo“) genannt die Nachfolge Chriſti. Weltentſagung, Trennung von Familie und Eigen= tum (rois tötoıs umfaßt wohl beides), Selbſtentſagung und Nachfolge Chrifti: das iſt das Leben des chriſtlichen Mönchs im Weſen, negativ und poſitiv. Don der kurzen Faſſung der „Entſagung“ an unſerer Stelle
1 Nov. V 2 ſchreibt Kaiſer quſtinian diefe Prüfung auch durch Staatsgeſetz vor. E. Jiebarth, Das griechiſche Dereinswefen, Leipzig 1896, 8. 141. F. Poland, Seſchichte des griechiſchen Dereinswefens, Leipzig 1909; ſ. Inhalts verzeichnis: Soxıpaote.
24
bis zu den bald einſetzenden ausführlichen „Aatechefen” oder der ein- gehenden Profeßformel bei Johannes von Untiochien aus dem zwölften Jahrhundert, die Reitzenſtein mitteilt‘, und der ganz ins einzelne gehenden peinlich ſcharfen Zergliederung der Profeß der griechiſchen Mönche, der „hl. Weihe“ (rede &yia), bei Eufthatios von Theſſalonich' (+ zwiſchen 1192 und 1194), der ſich dabei auf das „Buch der Ent⸗ ſagung“, d. h. das Rituale der Profeß ſtützt', überall iſt der Inhalt der „Entſagung“ der gleiche. Nur tritt in der klöſterlichen Profeß bald auch ein Derfprechen des Gehorſams und ſpäter auch der Beſtändigkeit hinzu. Wenn der Ankömmling belehrt wurde, und zwar im einzelnen, daß er auch ſich ſelbſt entſagen müſſe, fo umfaßte dieſer Abſchnitt der Belehrung ohne Zweifel auch im pachomianiſchen Brauch ſchon das Gebiet des klöſterlichen Gehorſams. Denn wollte man dem Zögling fein künftiges beben im einzelnen vorführen, „die Pflichten“ (v& d oy rc, fo war hier der Ort, vom Gehorſam zu ſprechen.
Später ſtellte man zu der Entſagung (&) die Unterordnung im Gehorſam (Srorayn)’ und ſprach von einem oͤcorννe, dem Mönch, der ſich zum Gehorfam verpflichtet hat.” Markus Eremita ſpricht von der öpoο U ö nr VI und von den ouvdnixaı Ye brorayiic, dem Derfprechen, dem Vertrag des Gehorfams. Wie in der Taufe der „Abſage“ die „Zufage an Chriſtus“ entſprach, fo heißt es auch in der gegenwärtigen griechiſchen Profeß: „Siehe, wem du zuſagſt und wem du abſagſt“ (Biere vl auvrdoon ...xal xy Anorkoon). Da der o- revo, der Mönch, ſich zur Änderung feines Lebens, zur „zweiten Abſage“ (Arorayt deu rep, abrenuntiatio secunda, abrenuntiatio mo= rum) verpflichtete, fo ſprach man mit neuer Abänderung des Stamm⸗ wortes von einem „Umſtellen des Lebens” (kerarkoseotar Blov). 80 fügt ſich alſo zur andrakıs die auvrakıs, die nerdrads und die ore rig, eine Husdrucksweiſe, die wir im Deutſchen nicht nachahmen können. Es wäre aber irrig, wollte man hier nur an ein äußerliches, zufälliges Wortſpiel denken. Die Gedanken ſelbſt verband man. Jfidor v. Pelu⸗ ſium nennt dieſe Sprache (drorayi-önorayr) eine den Tatſachen entſpre⸗ |
hiſt. mon. 8. 258. Zur Seſchichte der Profeßformel, die R. hier berührt, ſollen im Laufe der Zeit für das Altertum die wichtigſten Ergänzungen in dieſen Blättern folgen. Als Beiträge zur Geſchichte der chriſtlichen Frömmigkeit dürften fie allgemein willkommen ſein. Bar. 135, 730 ff., 743 B ff., 746—- 756. . c. 746 B. * Marcus Eremita Pgr. 65, 956 D (169); Jsiòor von Belusium-ep. I 1, Pgr. 78, 180. 5 Marc. Erem. Par. 65, 956 D (170). ebd. EdxoAdyıov rö peya, Rom 1873, 3. 231. gl. Evagrius Ponticus rpoßinpare zpoyvaorıxa, M. Frankenberg, Berlin 1912. 8. 117 Ur. 79. ° Siehe Herwegen, Geſchichte der beneoiktiniſchen
Profeßformel. Münfter 1912. (Beiträge zur Geſchichte des Möndtums F. III 2) 8. 56°. ı° Nilus, mon. egerc. Pgr. 79, 721 C.
25
chende (zpooayoplas kpnodlxs rots npkyuaxcı), zu unferer Unterweiſung und Belehrung. Bei der „ZJuſage“ an Chriftus erhellt das von ſelbſt, ebenfo von der nerkrakic. Aber auch den Gehorſam, die örora v, betrachtete man im inneren Juſammenhang mit der Selbſtentſagung. Wir werden ſehen, wie dies ſchon die Pachomiuserzählungen tun. So verbindet ja dann auch der hl. Benedikt die „abrenuntiatio“ un⸗ mittelbar mit dem Verzicht auf den eigenen Willen und mit dem Kriegsdienſt Chrifti, des wahren Rönigs, unter den Waffen des Ge⸗ horſams.“ Doch dies war ja allgemein. Überraſchen könnte es dagegen für den erſten Augenblick, daß man auch die Stabilität, das Vermeiden unnötigen Umherziehens, mit der „Entſagung“, näherhin mit der Areuzesfymbolik in Zuſammenhang brachte, wie dies Ifidor von Delufium einmal tut: „Weshalb gibſt du das unerſchütterliche Vertrauen auf den herrn auf und das Tragen des Areuzes und tau⸗ ſcheſt Ort mit Ort?“ (zirov neraßkddsıs 2x rr Aber auch das Gebetsleben des Mönchs verbindet Nilus mit der „Entſagung“: „Gehe hin, verkaufe was du haſt und gib es den Armen und nimm das Kreuz und verleugne dich ſelbſt, damit du ungeteilt beten könneſt“.“ Es liegt natürlich der Gedanke des hl. Paulus zu Grunde, das Ur⸗ wort für alle Verbindung chriſtlicher Aszeſe und chriſtlichen Mönch⸗ tums mit Gebet und biturgie. Man mag darin etwas Gnoſtiſches ſehen, ebenſo wie im Worte des Evangeliums an Martha und Maria: das Chriſtentum müßte nicht die Erfüllung und Zufammenfaffung aller berechtigten allgemein menſchlichen Reime fein, wenn es dieſe „Gnofis” nicht beſäße. Auch in diefem Zuſammenhange mag wieder an den hl. Benediktus erinnert werden, der ſo ſinnvoll auf die zweite Gruppe feiner Regel (4— 7), auf die aszetiſchen Grund kapitel die Gruppe von der biturgie folgen läßt. Er ſtellt diefe Gruppe nicht an die erfte Stelle, obgleich fie in feinen Augen das „pensum servitutis“ iſt, dem „nichts vorgezogen werden ſoll.“ Die Liturgie ſteht ſehr hoch in ſeinen Augen; aber fie iſt nicht der Stiftungszweck feines kiloſters. Sie fügt ſich harmoniſch und in bevorzugter Weiſe den klöſterlichen Gebens- zielen ein: der Preis des Allerhöchſten ziemt dem vor allem, der alles verlaſſen hat, um ſich dem Dienſte des Allerhöchſten in vollkommener hingabe des Geibes und der Seele, in Selbſtheiligung und in der Nach⸗ folge geſu Chrifti zu weihen. Schon Athanaſius erwartete von dem, der Chriftus eng anhangt, „daß er einzig das Kreuz deſſen, der für ihn gekreuzigt ward, auf ſeine Schultern nehme und Sinnen und Trachten
1 Ep. 1 1, Pgr. 78, 177. prol. 7 Butler. ep. I 41 Par. 78, 2068. Tlilus, de oratione c. 17 Pgr. 79, 1172 A. ° 1 Cor. 7, 32-35. c. 43, 5 Butler.
26
Tag und Nacht darauf gerichtet halte, ihn in unaufhörlichen Hymnen. und Cobliedern zu befingen.”'
Der „Unterricht“ wird auch näher beleuchtet durch andere Stellen der bebensbeſchreibung. „Das kreuz zu tragen und nicht den Willen des eigenen herzens“ wird als „Gebot“ bezeichnet.“ Im Unterrichte „vor der Einführung in das Kloſter“ gebot Pachomius dem jungen Silvanus, wie die Erzählung fi ausdrückt „Gebote“. Ein Mönch, der zu ſeinen Eltern zurückkehrte „ergab ſich nicht dem Tragen des Kreuzes nach kräften“.
Der Heiland hatte als Bedingung feiner güngerſchaft gefordert, das kireuz auf ſich zu nehmen und ihm nachzufolgen.“ Dem wahren Gnoftiker hatte Clemens von Alexandrien die Erfüllung dieſer For⸗ derung zugeſprochen.“ Dieſe Jueignung geht auf den Mönch über. Gerade in der bebensbeſchreibung des hl. Pachomius iſt der Kreuzes⸗ gedanke ſehr beliebt. Außer den ſchon angeführten Stellen ſeien noch folgende verzeichnet: „Tag und Nacht den gekreuzigten Chriſtus vor Augen haben“. Palämon, des Pachomius Lehrer, „trug immerfort das kreuz nach dem Worte des Erlöfers und folgte ihm“. „Pachomius harrte aus eingedenk der Nägel an den händen und Füßen des Er⸗ löſers am kireuze“. „Huch wenn der Areuzesträger (6 oraupopäpog = der Mönch) nicht ein (beſonderes) Leiden hat, fo genügt ihm doch das Kreuz und die Aszefe (= das Mönchsleben)“.“ Baſilius d. Gr. nannte dann auch, hierin ein getreuer Schüler pachomianiſcher Ge⸗ danken, das Geben des Mönchs oraxupopöpos Blog, das kreuztragende beben. Ohne Zweifel hängt mit dem Areuzesgedanken in der Gehr- weiſe des hl. Pachomius auch die Nachricht zuſammen, die Pacho⸗ mianermönche hätten an der „Kukulle“ (Kopfbedeckung) das Zeichen des lireuzes in Purpurfarbe getragen. Im morgenländiſchen Mönch⸗ tum iſt dann dieſe Sumbolik immer gepflegt worden. Noch heute heißt der griechiſche Mönch or αοοοοο po (Hreuzträger). Unſere Texte
Athan. zepi naptevlas b. ö. Goltz (T. u. U. XXIX 1906 H 2a) c. 3 pg. 37, 20— 25. ® AASS l. c. n. 70, 43°C. ° ebd. n. 66, 42°C. ebd. n. 47, 37° D. Puk. 9, 23; 4, 27; Matth. 10, 38; 16, 24; Mark. 8,34. Strom. II 20 Stählin 170, 14. AA88 I. c. n. 1. 26˙ A. Ebd. n. 4, 27 A. Ebd. n. 6, 27 C. % Ebd. n. 58, 40 A. P gr 31, 625 D. Balladius hist. laus. 32 Butler pag. 90, 1. Dgl. K. bübeck, Das Mönchsweſen der griechiſchen Kirche, Dereinsfchrift der Görres-Gefellfhaft 1921, 8. 1, 5.45. In der Profeß, die Pf. Dionyfius für feine „Mönchsweihe“ entwirft, beſiegelt der Priefter” den Profitenten nach der Katedhefe und dem Jawort „mit dem Zeichen des Kreuzes“ H. Eccl. VI 2. In der gegenwärtigen griechiſchen Profeß wird die Tonfur des Profitenten „Rreuzförmig“ (orauposıdsis) vollzogen, und am Schluß der ganzen Feier wird ihm ein Kreuz überreicht mit den Worten: „es ſprach der Herr: wenn jemand mir nachfolgen will, verleugne er ſich ſelbſt und nehme ſein Kreuz auf ſich und folge mir nach.“ EöxoAdyıov.
27
zeigen alfo, wie früh ſich ſchon im morgenländiſchen Mönchtum Spuren einer Kreuzesmuſtik zeigen, die man erſt ſpäter vermuten möchte (vgl. das Andenken des hl. Pachomius an die kireuzesnägel des Herrn). Im Orient war eben die Areuzesverehrung überhaupt ſtark und bildete ſich in Kult und Frömmigkeit lebhaft aus. Auch die realiſtiſche Darſtellung des Kreuzes in der chriſtlichen Kunſt entwickelte ſich früh im Orient und ging erſt fpäter von da ins Abendland über.“
Wenden wir uns nun dem fern unſeres Zeugniſſes von der Profeß bei Pachomius und in feinen kilöſtern zu. Der eigentliche „Profeßritus“ iſt, wie ſich ſofort ergibt, die Anlegung des Mönchsgewandes. In ihr beſtand die früheſte Art, ſich dem Mönchsleben zu widmen und auf feine Aufgaben ſich zu verpflichten. Wer „das Gewand gewechſelt“, „das Gewand der Mönche“ angelegt, „bekannte ſich“ (LM , profiteri) damit zum Mönchtum. Die Fähigkeit diefes Vorgangs, einen ſolchen Standeswechſel zu kennzeichnen und eine ſolche moraliſche Verbindlichkeit auszudrücken, iſt leicht verſtändlich. Im antiken Geben „bekannte ſich“ fo vorzugsweiſe auch der Philoſoph durch das Tragen des Philoſophenmantels.
Als ſpäter, ſo in der Regel des hl. Benediktus, eine ausdrückliche Verpflichtung in Worten neben die „Einkleidung“ trat, ward dieſe mehr eine ſichtbare Folge der mündlichen oder ſchriftlichen Profeß. Doch zieht ſich die urſprüngliche Kraft der einfachen „mutatio habitus“, des Wechſels des Gewandes, die Profeß ſelbſt nicht bloß anzudeuten oder ihr nachzufolgen, ſondern ſie auch zu bewirken, durch das ganze mittelalterliche Kirchenrecht hindurch und teilweiſe bis tief in die neuere Zeit hinein. Heute iſt diefe ihre Rechtskraft erloſchen.
Nach unſerer Pachomiuserzählung vollzog der Abt des Kloſters ſelbſt oder ſein Stellvertreter die Einkleidung und nahm damit die Profeß entgegen. Mönche, die beim Eintritt in den Mönchsſtand die Form des Einſiedlerlebens wählten, erhielten das hl. Gewand (o Bh, habitus) aus der Hand eines älteren „Vaters“, deffen Schüler ſie wurden, oder ſonſt einer hochſtehenden Perſönlichkeit unter den Mönchen. Selbſt Frauen des Aszetenftandes konnten das hl. Gewand einem Bewerber um das Mönchtum geben. So berichtet Evagrius Pontikus, der gefeierte Mönchsſchriftſteller (F nach 400), der nach wechſelvollen Schickſalen durch die Bemühung der hl. Melania d. Älteren (+ bald nach 404) für das Mönchsleben gewonnen worden, daß fie
1 Zur ireuzesſumbolik im Urchriſtentum (Anſchluß an das Evangelium und Paulus) ſ. Ignatius Smyrn. 1. Funk 274; Harnack, Texte u. Unterſ. XXXV (1910) 6. 4. 8. 60 (Oden Salomons O. 27 u. Anm.)
28
ihm „am Tage der Auferftehung des Herrn das hl. Gewand gegeben und ihn fo in die Zahl der Mönche eingereiht“ habe!. |
Ein bemerkenswerter Bedanke begegnet uns ſchon in den Pacho⸗ mius erzählungen, ohne daß ſich freilich irgendwie ſagen ließe, daß er auch auf den hl. Pachomius ſelbſt zurückreicht: es iſt die Auffaffung der Profeß des Mönchs als zweite Taufe und Beſiegelung. So heißt es an einer Stelle: „wenn ein Menſch getauft wird, indem er ſich zum Mönchtum verſpricht und das Siegel des Geiſtes empfängt“. Ahnlich heißt es auch bei Nilus im Briefe an Amphilochius: „auch du wurdeſt unſichtbarer Weiſe geſalbt, als du dich dem verehrungs⸗ würdigen Gewande nahteſt. Salbung nämlich nenne ich die göttliche auf dich herabgekommene Gnade des hl. Beiftes”*.
Bat der Neuling durch die Annahme des Mönchsgewandes feine „Profeß“ vollzogen, fo hat er ſich „Bott verſchrieben“, den oben genannten Vertrag mit Bott abgeſchloſſen: „die Seele, die die Welt verlaſſen und ſich Gott verſchrieben hat“.“ Noch findet ſich in unſeren Pachomiuserzählungen eine Stelle, aus der man ſchließen könnte, daß in den Pachomiusklöſtern mit der Einkleidung auch eine münd⸗ liche Profeß, die mündliche oͤpo o yl, verbunden worden fein mag. Pachomius habe, ſo heißt es da, dem jungen Silvanus „an der Türe“, nachdem er ihm die Pflichten des klöſterlichen Lebens dargelegt, er⸗ klärt: „Schau auf dich, ob du nicht doch unfähig biſt, Mönch zu werden“; den leichtfertig gewordenen Mönch Silvanus erinnert Pacho⸗ mius dann ſpäter: „und du haft verſprochen vor Gott: ich werde es (Mönch) “, zart opoAdynoas Evamıov ro Heod & Vo. Ob dies eine der ſpäteren Zutaten in der Dita iſt, wiſſen wir allerdings nicht.
Nach der Profeß wird der Mönch in das ktloſter hineingeführt⸗.
Seine Aufnahme in das Rlofter iſt vollzogen. Durch die „Entſagung“ in der Profeß iſt der Mönch mit Chriftus geſtorben. Aber der my= ſtiſche Tod mit Chriftus iſt nur die Durchgangs ſtufe zur Auferftehung und zum beben mit Chriſtus. „Sie (die Mönche) leben dem, der für fie geſtorben und auferftanden iſt““. „Theodorus ſpricht es mit Tat und Wort aus: Chriſto bin ich mitgekreuzigt; ich lebe aber nicht mehr ich, ſondern Chriftus in mir“. Der Mönch muß leben xuark XY, Chriftus gemäß, der Urbild und Grundriß „dieſes Weges“ iſt'.
& *
Brief an Melania. Frankenberg 8. 581. AASS. l. c. n. 89, 48“ F. f. ſ. Fr. Degenhart, Der hl. Nilus Sinaita. Münfter i. W. 1915 8. 99 f. AAs8. I. c. n. 19, 56 F. Ebd. n. 66, 42 C. Ebd. n. 1, 64 A. Ebd. n. 15, 68˙ DE. ebd. n. 2, 64* CD. ebd. n. 15, 68“ E.
29
Der Geiſt des hl. Franz von Sales. Zum dreihundertjährigen Gedächtnis feines Todes (1622 — 1922). Don P. Alois mager (Beuron).
66 Erſcheinungen und Zuſammenhängen kann nur ein Denken gerecht werden, das in Formen verläuft, wie ſie etwa in den Funktionen der neueren Mathematik einen geſchloſſenen Nus⸗ druck fanden. Wir entfernen uns in den Grad von der tatſächlichen Wirklichkeit, als wir Perſönlichkeiten und Ereigniffe in atomhafter Beſonderung betrachten. Zahlen als ftarre Selbſtändigkeiten und körperhafte Abgeſchloſſenheiten find für die heutige Mathematik be⸗ deutungsleer. Sinnvoll werden ſie ihr erſt, wenn ſie untereinander zu Beziehungsgebilden verknüpft werden. Ahnlich entſchleiern ſich geſchichtliche Wirklichkeiten in ihrer tatſächlichen Bedeutung erſt, wenn das feſtſtellende, urteilende, ſchlußfolgernde Denken ſie als Beziehungs⸗ gebilde erfaßt. Gerade im Nufeinanderbezogenſein von Einzelmo⸗ menten und ⸗faktoren liegt das Formale aller Wirklichkeit. Wer geſchichtliche Perſönlichkeiten und Geſchehniſſe anders zu begreifen ſucht, hätte ſchon den Winkel zu einer richtigen inneren Einftellung verſchoben. |
Franz von Sales (“ 21. Auguft 1567, + 28. Dezember 1622) ift eine Perſönlichkeit von fo überragender Bedeutung, wie fie nicht jedes Jahrhundert der Chriſtenheit ſchenkt. Zur Zeit der kriſenvollen Aultur- wende im 16. und 17. Jahrhundert wies er dem kirchlich: hriftlichen Frömmigkeitsleben auf lange hinaus den Weg, der es zu einer neuen, ungeahnten Entfaltung bringen ſollte. Ein ebenſo weitſchauender wie begnadeter Geilt, baute und legte er damals die Kanäle über⸗ natürlichen Lebens um, welche die von der Übernatur ſich emanzipie⸗ rende Natur, die vom Göttlichen zu vermeintlicher Eigenſtändigkeit ſich losreißende Menſchheit weiter, ja noch ausgiebiger mit den Waſſern des heiles und der Gnade verforgten. Dom göttlichen Geiſt erleuchtet über- brückte er eine Kluft, deren Tiefe wir erſt heute, wo das Reformations⸗ zeitalter in feinen letzten unheilvollen Auswirkungen vor unſerem Auge liegt, rückſchauend ganz ausmeſſen können. Er hob das Wider⸗ ſpruchsvolle in einer Alternative auf, die in jener Zeit alle religiöfen Gemüter aufwühlte. In Wort und Tat verkündigte er es feiner Mit⸗ welt und den kommenden Gefchlechtern mit einer Überzeugungskraft, die nur ein übernatürlicher Gnadenwille einflößen kann, wie man, um chriſtlich⸗fromm zu fein, keineswegs auf die Kulturerrungen⸗ ſchaften zu verzichten brauche, noch auch, um moderner KRulturmenſch
30
zu fein, fi) vom Übernatürlichen losſagen müſſe. Er verkörperte in ſich den harmoniſchen Ausgleich zwiſchen Natur und Übernatur, Rultur und Snadenführung. Er wurde zum leuchtenden Vorbild und Wegweiſer für eine ſeeliſch⸗ religiös erſchütterte, unſicher taſtende und ſuchende Zeit.
Bremond' deckte mit Scharffinn und Feingefühl Beziehungen 18 Beziehungsglieder in der geſchichtlichen Perſönlichkeit des hl. Franz von Sales auf. Wenn er aber glaubt, die beiden Elemente, die nach ihm den franzöſiſchen Katholizismus des 17. Jahrhunderts beſtimmten, „der humanismus in der Frömmigkeit“ (humanisme deévot) und die muſtik gäben eine ausfchöpfende Erklärung der Salefianifchen Eigen- art, fo überſieht er, einfeitig geblendet, Weſentliches im geſchichtlichen Bild des Heiligen. Zunächſt können jene beiden Geiftesftrömungen des 17. Jahrhunderts ſelber nur aus größeren Zuſammenhängen heraus verſtanden werden. Vor allem aber ſind wir der Meinung, daß Bremond blind war für ein gewiſſes Charisma des hl. Geiltes, das eine Seele hienieden ſchon zu einem neuen Weſen zu verklären ver⸗ mag. Wenn je der himmel über eine Heiligengeſtalt himmliſche Anmut ausgoß, ſo ſicher über den „liebenswürdigſten“ der neueren heiligen.
Johanna Franziska von Chantal, die wie niemand anders in die innerſten Seelengeheimniſſe des Heiligen [hauen durfte, trägt eben doch die letzten, feinſten und Rennzeichnendſten Züge in das Bild ihres heiligen Seelenführers, wenn fie nach deſſen Tod an den Feuillanten⸗ pater Johannes vom hl. Franz ſchreibt: „Unſer feliger Dater war das lebendige Abbild des Sohnes Gottes, unſeres Herrn ſelber. Denn Anordnung und Einrichtung dieſer heiligen Seele war in der Tat ganz übernatürli und göttlich.“ Wie das Übernatürliche, Göttliche in ſeiner Seele ſich auswirkte, ſchildert die heilige Frau im ſelben Brief mit einer Feinheit und Sicherheit der Beobachtung, wie fie in dieſem Punkt nur heiligen eigen iſt. Die beiden geiſtigen Jeitſtrömungen der „humaniſtiſchen Frömmigkeit“ und der Muſtik allein hätten Franz von Sales niemals zu der höhe emportragen können, auf der er für unſere geſchichtliche Betrachtung ſteht. Das göttliche Gnadenwirken war die kiraft, die feine Seele zum Flug nach oben beſchwingte. Das Übernatürliche allein aber — man verſtehe es recht — hätte ihn auch nicht jene entſcheidende Rolle ſpielen laſſen können, wären nicht beſtimmte natürliche Vorausſetzungen gegeben geweſen. Erſt das
1 Histoire littéraire du Sentiment religieug en France depuis la fin des guerres de Religion jusqu’ä nos jours. (Paris 1916.) * Gettres de 8. Frangois de Sales. (Classiques Garnier.) Paris. o. J. p. XII.
31
harmoniſche Ineinandergreifen beider Faktoren befähigte ihn zu den beiſtungen, die ewig mit ſeinem Namen verknüpft bleiben. Nichts widerſpräche mehr feinem Geift, als wollte man aus der Darſtellung des Lebens und Wirkens der Heiligen das Natürlich⸗Menſchliche aus⸗ ſchalten. Er ſelber bezeichnet es einmal als „ein Unrecht an den heiligen und der Nachwelt“, wenn die bebensbeſchreiber der heiligen aus falſch verſtandener Ehrfurcht die Menſchlichkeiten, Fehler und Schwächen verheimlichten'. Don ſich ſelber bekennt er einmal in einem Sonderfall, daß natürliche Anlage, Erziehung, Lebenserfahrung und Anregung der Gnade zur Quelle zuſammenſtrömten, aus der ſein Wirken floß“.
War die Völkerwanderung das Ereignis, das am tiefſten und am meiſten umwälzend in das äußere beben und die ſtaatliche Entwicklung der abendländiſchen Völker eingriff, fo übte nie etwas auf das Geiſtes⸗ leben des Abendlandes einen ſo grundſtürzenden Einfluß wie die ſo⸗ genannte Renaiſſance und Reformation.
Franz von Sales und ſein Wirken können nur aus der geiſtigen Bewegung und der veränderten Weltanſchauung begriffen werden, die die Seele der Renaiſſance und der Reformation bildeten. Alle Faſern ſeiner reichen Natur wachſen aus der Zeit heraus, in der er lebte. Ganz von ſelber drängt ſich ein Vergleich auf zwiſchen dem heiligen und feinem engeren Landsmann von Genf, dem dritten der großen Reformatoren, mit Calvin. Sie haben überraſchend viele Züge gemeinſam. Die Linien laufen lange Strecken nebeneinander her, enden aber in entgegengeſetzter Richtung. Da tritt allerdings ein Unterſchied zu Tag, der nicht geringer iſt, als jener zwiſchen Natur und Übernatur. Naturanlage, Erziehung, Art der bebenserfahrung drücken Franz von Sales das Gepräge auf, das die Menſchentypen der damaligen Zeit kennzeichnet. Nur das vierte Element, das der Heilige ſelber als mitbeſtimmend in der Nusgeſtaltung ſeiner inneren Perſönlichkeit nennt, die bedingungsloſe hingabe an das Gnaden⸗ wirken Gottes, verleiht ihm jene himmliſch verklärten Geſichtszüge, die wir bei den religiöfen Neuerern feiner Zeit vergeblich ſuchen.
Jakob Burkhardt bezeichnet in ſeinem bahnbrechenden Werk „Die kultur der Renaiſſance in Italien“ als innerfte Triebkraft der Umwälzungen, die unſere moderne kultur ſchufen, die Verſelb— ſtändigung des Einzelmenſchen. Wurde der Menſch früher nur gewertet als Glied der Semeinſchaft, fo wird er jetzt in feinem Eigen⸗ wert und feiner Eigenftändigkeit immer mehr erkannt und gewürdigt. A1 dceuvres completes (Ed. Annecy 1892 ss.) t. IX, p. 77. fl. a. O. t. XV, p. 95.
32 5
All die durchgreifenden Änderungen, die auf den einzelnen Aultur- gebieten ſich vollzogen, hängen ohne Zweifel aufs innigſte zuſammen mit dem Umwerten der Bedeutung des Einzelmenſchen. Die ſchöpfe⸗ riſchen Mächte der Renaiſſance und Reformation entſprangen jedoch einer noch tiefer liegenden Quelle.
Weſenszweck des Chriſtentums war, die Menſchen innerlich um⸗ zuwandeln zu einem Leben, das unendlich hinausflutet über die Grenzen, die an fi) allem Gefchaffenen gezogen find. Das wollte der Heiland ausdrücken, als er ſprach: „Das Reich Gottes iſt inwendig in euch.“ Aus einer ſoziologiſchen Notwendigkeit heraus kann dieſe innere Umwandlung der Einzelmenſchen durch das Chriſtentum nur vor ſich gehen, wenn dieſe zu einem Semeinſchaftsorganismus zuſammen⸗ geſchloſſen ſind. Die Sendung des Chriſtentums wird ihren Abſchluß darin finden, daß es die vollendete Gemeinfchaft der innerlich bis zur Vollendung umgewandelten Einzelmenfchen begründet.
Um Mißverſtändniſſen, die aus den folgenden Ausführungen leicht entſtehen könnten, vorzubeugen, glauben wir eine kurze Erklärung vorausſchicken zu müſſen: Das Chriſtentum auch in ſeiner kirchlichen Verkörperung iſt erhaben über jede Entwickelung und Änderung durch zeitgeſchichtliche Bedingungen. Wenn von Wandlungen die Rede iſt, denen im Lauf der Zeit das Semeinſchaftsprinzip unterworfen iſt, fo bleibt die kirche ihrem innerſten Weſen nach davon unberührt. Für jedes logiſch fi) vollziehende Denken hebt ein Gemeinſchafts⸗ begriff ſich ſelber auf, der eine irgendwie hierarchiſch gegliederte Autorität von ſich ausſchlöſſe. Die Primatial⸗ und Episkopalver⸗ faſſung der Kirche, die göttlicher Einrichtung iſt, könnte 3. B. nie durch etwas anderes erſetzt werden. Die Wandlungen auch im rein natür⸗ lichen Gemeinſchaftsbegriff beziehen ſich immer nur auf ein gewiſſes Gefellfehaftsgebaren, auf die Art und Weiſe, wie das Verhältnis von Einzelmenſch und Gemeinſchaft aufgefaßt wird. Daß ſolche Änder- ungen in der inneren Einſtellung nicht ohne Rückſchläge auf das religiös- kirchliche Geben find, ift eine geſchichtliche Tatſache. Nur mit dieſen Einſchränkungen dürfen — wir betonen es noch einmal — die fol⸗ genden Ausführungen über das Verhältnis von Einzelmenſch und Gemeinſchaft verſtanden werden, ohne die die eigenartige Sendung des hl. Franz von Sales ein Rätſel bleibt.
Als das Chriſtentum in die Welt trat, fand es eine fertig in ſich abgeſchloſſene Kultur vor. Es waren in den Völkern, an die es ſich wandte, keine Möglichkeiten zur Weiterentwickelung mehr vorhanden. Das Übernatürliche aber konnte in einer kultur, die keine Entwick⸗
33
IungsmöglichReiten mehr bot, nicht zur Auswirkung gelangen. Das Weſentliche der antiken Kultur hatte ſich im römiſchen Imperium zu einem abſolut ausgeſtalteten Gemeinjchaftswefen kriſtalliſiert. Menſchen und Dölker beſaßen Wert und Bedeutung nur infofern, als fie in dieſen den „Erdkreis“ umſpannenden Rieſenverband irgendwie einge⸗ gliedert waren. Die Vollendung des Einzelmenſchen beftand in der vollendeten Deräußerlichung, nämlich in möglichſt reſtloſem Aufgehen in der Gemeinfchaft. Das Chriſtentum aber zielte auf die Derinner- lichung der Einzelmenſchen und letzten Endes auf eine Gemeinſchaft, die alle vollendet verinnerlichten Sinzelmenſchen umfaßt. Das Chriſten⸗ tum konnte feine geſchichtliche Sendung nur an Völkern und Menſchen verwirklichen, die von einer fertigen Eigenkultur noch nicht ausgeſogen, veräußerlicht waren. Ihre loſe, fließende Semeinſchaftsweiſe mußte, um ſie höherer Kulturgüter und vor allem der übernatürlichen Werte teilhaft werden zu laſſen, zu einer ſtrafferen, in ſich abgeſchloſſenen Gemeinſchaftsform zuſammengezogen werden. Es durfte aber nur eine fremde Gemeinſchaftsform fein, die die innere Eigenart der neuen Völker unberührt ließ. Nur fo konnten fie ein fruchtbarer Ackerboden für die Saat des Chriftentums fein. Wäre fie aus ihrem Eigenften herausgeboren geweſen, ſo wären es wiederum, ähnlich wie in der rõmiſch⸗helleniſtiſchen Welt, innerlich erſchöpfte, veräußerlichte Menſchen geweſen. Das Chriſtentum bediente ſich der antiken Gemeinſchafts⸗ form. In ſie nahm es die formloſen, beweglichen Maſſen der ger⸗ maniſchen Dölker auf.
Die neuen Völker waren reine Empfänglichkeit, Entwickelungs⸗ möglichkeit. Mittel und Zwiſchenglied der erziehenden, innerlich um⸗ wandelnden kräfte, die aus dem Chriftentum ihnen zufloſſen, war eben die antike Gemeinſchaftsform. Sie ſtand in einem gewiſſen Gegenſatz zum Chriſtentum und zu den neuen Völkern: zum Chriſten⸗ tum, weil es verinnerlichte und nicht veräußerlichte; zu den neuen Völkern, weil fie nicht aus ihrer Eigenart herausgewachſen war. Die kiluft zwiſchen der Deräußerlihung, die im Weſen der antiken Gemeinſchaftsform lag, und der Verinnerlichung, die das Chriſtentum bewirkte, weitete ſich immer mehr, fo daß die Möglichkeit einer Über⸗ brückung immer fraglicher werden konnte. Verinnerlichung darf hier nicht im bloß religiöſen Sinn, ſondern als eine ſtetig fortſchreitende Derfelbftändigung des Einzelmenſchen genommen werden.
Die Art der antiken Gemeinſchaftsform, die aufs innigſte mit dem Chriftentum verhaftet war, wurde in zunehmendem Maße als eine hemmende Feſſel empfunden für eine immer tiefer greifende Derinner-
Benediktiniſche Monatſchriſt IV (1922), 1—2. 3
34
lichung. Man war blind dafür geworden, daß die Verinnerlichung ihr beben nur aus der Offenbarung und nicht etwa aus den Tiefen der eigenen Seele ſchöpfte. Die Spannung war vorhanden. Sie drängte auf einen Bruch. Und der Bruch kam in der Reformation. Die Verbindung mit der übernatürlichen Kraftquelle war abgeriſſen. Die Reformation nahm als Erbe mit, was an Chriſtentum bereits ver⸗ innerlicht worden war. Weiterer Zufluß aus der Quelle war ab» geſchnitten. Es konnte ſpäterhin einmal der Tag nicht ausbleiben, wo das mitgenommene Erbe aufgezehrt ſein würde. Und dieſer Tag ſcheint anzubrechen. Die gemeinſchaftswirkende Natur des Menſchen fällt, ſobald ſie ſich der ſegensreichen Wirkung des Übernatürlichen entzieht, der Deräußerlihung im Stil der antiken kiultur anheim. Die Reformationsbewegung, die das Recht der Verinnerlichung ohne jede Gemeinſchaftsbindung beanſpruchte, kann nur im geraden Gegen⸗ teil, in einer neuen Deräußerlihung enden.
Der Bruch wurde nicht von allen vollzogen. Die Verbindung mit dem Übernatürlichen blieb fo der Menſchheit erhalten. Diejenigen aber, die nicht brachen, konnten und brauchten auch nicht der neuen Entwicklung ſich entziehen. Das Streben nach Verinnerlichung war auch hier im Wachſen begriffen. Nur das Tempo war unvergleichlich langſamer. Es unterſtellte ſich der regelnden Wirkung der kirchlichen Gemeinſchaft. Wie die Geſchichte zeigt, blieben auch innerhalb der kirchlich treuen reife Kriſen nicht aus. Sie laſſen ſich alle auf den- ſelben Punkt zurückführen, der den Reformatoren zum Verhängnis wurde. Die Sendung des Chriſtentums war in ein kritiſches Stadium eingetreten. Die £irche verfügte nicht mehr über die natürlichen, menſchlichen Mittel, um die Einzelmenſchen und Einzelvölker in reli⸗ giöſer Einheit zuſammenzuhalten. In Zeiten, wo die Einzelmenſchen ſich nur als Glieder der Gemeinſchaft fühlten und nur als ſolche gewertet wurden, waren ſolche Schwierigkeiten leicht zu überwinden. Denn ſoweit reichten die Mittel, welche die antike Gemeinſchafts⸗ geſinnung der Kirche bot. Sie mußten aber verſagen gegenüber den zur Eigenftändigkeit und zu gewiſſer Gemeinſchaftsunabhängigkeit erwachten Einzelmenſchen. Eine neue ſeeliſche Gemeinſchaftshaltung hatte ſich noch nicht gebildet. Denn die Verinnerlichung war noch nicht vollendet. Es drohte hier eine Gefahr, mit der auch die Zeit der Chriftenverfolgung in keiner Weiſe verglichen werden kann.
In dieſer Not erweckte die göttliche Dorfehung der Kirche Orden und Männer, die, vom Hl. Geiſt entzündet, die menſchlich unlösbare Aufgabe löſten. Sie ſchufen Zwiſchenglieder, neue Gemeinſchafts⸗
35
weiſen, die zwiſchen der antiken Gemeinſchaftsform und dem neu⸗ erwachten felbftändigen Einzelfeelenleben vermittelten. Es iſt das unſterbliche Derdienft der Gefellfchaft geſu, dieſe überaus ſchwierige Pionierarbeit geleiſtet zu haben. Und die grundſätzliche Bedeutung des hl. Franz von Sales, der feine geiſtliche Ausbildung von den Vätern der neuen Genoſſenſchaft empfing, beſtand darin, das neu⸗ erſchloſſene Miſſionsgebiet zu einer organiſch eingegliederten Provinz des kirchlichen Lebens zu machen.
Um den Geift des großen Biſchofes von Genf in feiner ganzen Eigenart kennen zu lernen, müſſen wir auf ein paar Einzelheiten der einzelmenſchlichen Verſelbſtändigung, wie fie Renaiffance und Refor⸗ mation kennzeichnet, eingehen. Zwei Geſichtspunkte ſind hier vor allem von entſcheidender Bedeutung: Nicht logiſche Richtigkeit oder Unrichtigkeit von Lehr: und Glaubensſätzen, nicht lehrhafte Meinungs⸗ verſchiedenheiten, theoretiſche Schulftreitigkeiten waren es, die Anlaß zu den religiöſen Neuerungen gaben. Sie nahmen ihren Ausgangs⸗ punkt vom inneren Erleben. Die immer ſelbſtändiger ſich regende und betätigende Einzelſeele wurde eines quälenden Gegenſatzes zwi⸗ ſchen den nach Weiſe der antiken Gemeinſchaftsform aufgeſtellten Forderungen des Chriſtentums und der Ligengeſetzlichkeit ſeeliſchen Erlebens bewußt. Bezeichnend genug iſt, daß ſich das innere Erleben in dem Gnaden⸗ und Auserwählungsproblem verdichtete. In ihm gerade klaffte der Zwieſpalt zwiſchen der Eigenwertigkeit des Einzel⸗ menſchen, der ſich als ſelbſtändig mitwirkenden Faktor im heilswerk begriff, und dem Verhältnis zwiſchen Menſch und Gott, wie es nach der Autoritätsauffaffung der antiken Gemeinſchaft aufgefaßt und formuliert wurde. Die Reformatoren traten in einſeitiger ktampf⸗ ſtellung für das Recht des Erlebens als zwar nicht ganz ausſchließ⸗ licher, aber doch entſcheidender Inſtanz im heilswerk ein. Luther und Calvin riſſen Gott und die Seele auseinander. Nur ſcheinbar überbrückten beide den ungeheuren Abgrund: Luther durch das un⸗ bedingt gläubige Vertrauen, Calvin durch die ſich ſelber ſuggerierte Überzeugung der eigenen Auserwählung.
Der andere Geſichtspunkt ergibt ſich aus folgender Anſchauung: Das frühere Denken ſah zwiſchen Natur und Übernatur einen gewiſſen feindlichen Gegenſatz, wie etwa zwiſchen Fleiſch und Geiſt in den Daulusbriefen. Selbftverneinung und Weltflucht, ein Leben äußerer Entfagung und härte waren die ſelbſtverſtändlichen Vorbedingungen zur Erreichung der höhen der Vollkommenheit. Nicht als ob die Weltleute ihr Seelenheil nicht hätten wirken können. Sie lebten aber
3
36
in einer Befahrzone, wo nur wenige fich retteten. In allen, die in der Welt nach Dollkommenbeit verlangten, lebte nur der eine Wunſch, eines Tages noch die Welt zu verlaffen, um in Klöſterlicher Welt⸗ abgeſchiedenheit das heil der Seele in Sicherheit zu bringen. Nur wenige waren in der Cage, den Wunſch zu verwirklichen. Durch die fogenannten Drittorden, die im 13. Jahrhundert aufkamen, wurde es breiten Schichten des Volkes ermöglicht, Anſchluß an das klöſterliche beben zu gewinnen, ohne den weltlichen Stand verlaſſen zu müſſen. Das chriſtliche Vollkommenheitsſtreben war von der Welt weg hinein in die Abgeſchiedenheit der Klöfter gerichtet. Als Berufe im vollen
Sinn galten nur der Prieſter⸗ und der Mönchsſtand. Es unterliegt
kaum einem Zweifel, daß dieſe Art geiſtiger Einftellung im Fortwirken der antiken Gemeinſchaftsgeſinnung tief verwurzelt iſt.
Mit der Bejahung des ELinzelmenſchlichen als ſelbſtändigen, ja entſcheidenden Faktors gegenüber dem Gemeinſchaftsförmigen war ein ganz neuer Maßftab für die Wertung des Natürlichen, Menſch⸗ lichen, Weltlichen gegeben. Es war eine Umwertung der bisherigen Werte. Nicht Selbſt⸗ und Weltflucht, ſondern Selbſt⸗ und Weltbejahung wurden als Notwendigkeiten für eine umfaſſende Auswirkung des Chriftentums angeſehen. Äußere Werke, Weltentſagung, äußere Ab⸗ tötung, klöſterliches Leben verurteilten die Reformatoren als den ſitt⸗ lichen Forderungen zuwider. Nicht im Fliehen ſondern im Auffuchen der Welt und der menſchen, um ihnen helfender Bruder in allem zu fein, erkannten fie die Vollendung der Vollkommenheit. Es war eine Art Abwehrſtellung gegen das Hufgefogenwerden des Menſch⸗ lichen durch das Übernatürliche nach der Weiſe, wie der Einzelmenſch von der antiken Gemeinſchaft aufgeſogen worden war. Das Über⸗ natürliche ſollte vielmehr in das Menſchliche hereingezogen werden. Die Einzelmenſchen ſollten umgewandelt, verinnerlicht werden. Wie die Folgezeit zeigte, war der Grundirrtum der Reformatoren der, daß fie das Übernatürliche als eine von außen kommende, bindende Macht verwarfen und es aus den Tiefen des eigenen Innern herauszuent⸗ wickeln meinten. Es war nur folgerichtig, wenn ſie in jeder welt⸗ lichen Beſchäftigung und nicht bloß im Prieſter⸗ und Ordensſtand einen wahren Beruf erkannten. Maz Weber hat dem Begriff Be⸗ ruf eine geiſtreiche Unterſuchung gewidmet. Er weiſt nach, wie früher der Begriff Beruf rein religiöfen Sinn hatte, von den Reformatoren aber auf jede bürgerliche Tätigkeit übertragen wurde. Gerade die calviniftifche Frömmigkeit wird als „innerweltliche Rsgefe” der „außer⸗ weltlichen“ des Mönchtums gegenübergeſtellt.
1 Aufſätze zur Religionsfoziologie. (Tübingen 1920) I. B. 8. 1 ff.
37
Die Zeit der Renaiffance und Reformation hat im rein natürlichen Seelenleben Gebiete erfchloffen, die früher mit Eigenforderungen nicht in die Erſcheinung getreten waren. Sollten diefe Gebiete vom kirchlich⸗ übernatürlichen Leben nicht abgeſchnürt werden, fo mußten Mittel und Wege gefunden werden, um fie ins kirchliche Leben einzubeziehen. Zu dieſer ſchwierigen Miſſion bedurfte es eines Geiſtes, der natürlich ganz in ſeiner Zeit fußte und übernatürlich noch uneingeſchränkter in der Atmoſphäre der von Chriſtus geſtifteten Kirche lebte. Er wurde der ktirche geſchenkt in der Perſönlichkeit des hl. Franz von Sales. |
Die beiden Befichtspunkte, die dem Renaiſſancezeitalter Richtung gaben, heben ſich Zug für Jug als natürliche Eigentümlichkeiten auch aus dem Leben und Wirken des Heiligen hervor. Wir wiſſen, daß für feine ganze Cebensrichtung nicht wiſſenſchaftliche Anſchauungen oder beſtimmte Lehrmeinungen entſcheidend waren, ſondern ein Er⸗ lebnis, das ſich inhaltlich mit dem der Reformatoren deckt. Es war ebenfalls das Gnaden⸗ und Auserwählungsproblem. Das Bekannt⸗ werden mit der thomiſtiſchen Gnadenlehre brachte ihn als achtzehn⸗ jährigen Studenten in Paris wochenlang in die qualvollſten Zweifel ob feiner eigenen Auserwählung. Er glaubte ſich unrettbar zur hölle verdammt. Trotz einer inneren Gottesverlaſſenheit, die ſich bis zur Verzweiflung ſteigerte, hielt er im nackten Glauben und vertrauens⸗ vollen Gebet an Gott feſt, bis endlich vor dem Altar der Madonna in Saint⸗Stienne⸗du⸗Grés milder Friede in feine zermartete Seele ſich ergoß. Damit war die Richtung ſeines Seelenlebens in einer grund⸗ legenden Frage entſchieden. Er bekannte ſich zur moliniſtiſchen Gnadenlehre, die damals gerade die katholiſchen Theologen in äußerſter Spannung hielt. Sein inneres Erleben hatte ihn überzeugt, daß der menſch als ein ſelbſtändig mitbeſtimmender Faktor im heilsvollzug tätig iſt. Gottes Gnade ſteht für jeden Menſchen, der guten Willens und aufrichtigen Strebens iſt, bereit. Wenn auch die Rettung der Seele mehr eine Wirkung der Gnade als des freien Willens ift, fo bleibt doch der Widerſtand gegen die Gnade ganz das Werk des freien Willens. Wir müſſen im Molinismus geiſtesgeſchichtlich wohl den notwendig gewordenen Derfuch erblicken, das Verhältnis zwi⸗ ſchen Einzelmenſch und Autorität, wie es ſich durch die einzelmenſch⸗ liche Derfelbftändigung herausgeſtaltet hatte, auf eine den neuen Seelentatſachen entſprechendere Formel zu bringen. Man darf viel⸗ leicht die Behauptung wagen, daß der ſogenannte Thomismus in landläufiger Erfaſſung, der das Verhältnis zwiſchen Einzelmenſch und
38
Gott mehr nach Art der antiken Bemeinfchaftsgefinnung auffaßte, dieſe lebenswichtigſte religiöfe Frage der Neuzeit nicht zu löſen ver⸗ mocht hätte. Im Molinismus kommt jener Geift mehr zur Geltung, der aus dem Beilandswort zu uns ſpricht: „Der Sabbat iſt des Men⸗ ſchen wegen da und nicht der Menſch des Sabbates wegen.“
Das Übernatürliche mußte organiſch in die neuen Seelengebiete eingebaut und nicht der Derfuch unternommen werden, die durch fortſchreitende Entwicklung geweiteten und verſelbſtändigten Einzel- menſchen wieder auf die Enge zuſammenzuſchnüren, wie ſie in der antiken Gemeinſchaftsauffaſſung gegeben war. Franz von Sales war nicht extremer Moliniſt. Seine Anſicht war vielmehr, daß beide, Thomismus und Molinismus in ihren äußerſten Folgerungen auf Irrtümer hinauslaufen. Nur hielt er den Molinismus, wie er 1618 an Leffius ſchreibt, „der Barmherzigkeit und Gnade Gottes ent⸗ ſprechender, wahrer und liebenswerter.“ Es ſteht feſt, daß das Gut⸗ achten, das Paul V. im Moliniſtenſtreit bei dem hl. Biſchof einholen ließ, das formelle kirchliche Gebot veranlaßte, den Molinismus nicht der Irrgläubigkeit zu verdächtigen.
Derſelbe Erundzug feines Weſens führte den heiligen dazu, jede Seele einzeln, nach ihren beſonderen Anlagen und natürlichen Eigen- tümlichkeiten zur Vollmommenheit anzuleiten. „Die Frömmigkeit,“ ſchreibt er einmal (Philothea I, 3), „muß anders geübt werden vom Edelmann, anders vom handwerker und Diener, vom Fürſten, von der Witwe, vom Kind und von der Frau; ja die Ausübung der Frömmig⸗
keit muß ſich den Kräften, Derhältniffen und Pflichten eines jeden
anpaſſen.“ Er darf wohl der Begründer der individuellen Seelſorge ohne Ausnahme genannt werden. Das Verhältnis zu denen, die ſich feiner Leitung anvertrauten, geſtaltete ſich zu einem intim perſön⸗ lichen. Es Ronnte ſich bis zur innigſten Seelenfreundſchaft erheben. Könnte es etwas Anziehenderes geben, als feine übernatürlich ver⸗ klärte Freundſchaft zur Frau von Chantal! Er iſt auch der Begründer der brieflichen Seelenleitung großen Stiles.
Für Franz von Sales iſt es eine ſelbſtverſtändliche Tatſache, daß das beben in der Welt kein Hindernis iſt, auch die höchſten Stufen der Vollkommenheit zu erreichen. In natürlicher Bildung und Kultur, in menſchlichem önnen und Wiſſen erblickte er mächtige Förderungs⸗ mittel für das übernatürliche Geben. Er felber hat bewußt eine Er⸗ ziehung und Ausbildung genoſſen, wie ſie den Söhnen der beſten Geſell⸗ ſchaft damals zuteil wurden. Er ſchätzte die Wiſſenſchaft ſo hoch, daß er als Student feinen Leichnam der mediziniſchen Fakultät in Padua
39
zur Sezierung vermachen wollte. Einer menſchenflüchtigen Einſam⸗ keit hat der Heilige nicht das Wort geredet. Er verlangte vielmehr aus dem Beift chriſtlicher Frömmigkeit heraus, daß man zu geheiligter, maßvoller Freude, zu angenehmer Unterhaltung, zu Spiel und Er⸗ holung beitrage. Welchen Widerſpruch mußte er von Rigoriften er⸗ fahren, als er ſo milde, nachſichtige, ja billigende Worte für Tanz und ähnliche Unterhaltungen fand (Philothea III, 31 - 35). Er drang immer auf vornehme Haltung, Seſchmack in Kleidung, Rede und Gebärde. Er hegte keine Geringſchätzung für äußere Abtötungen. Er wertete ſie aber nicht mehr ſo, wie es früher geſchah. Ihm war die innere Abtötung alles. Um vollkommen zu werden, braucht man nicht die Welt zu verlaſſen. „Es iſt ein Irrtum, ja eine häreſie,“ ruft er aus, „das Leben der Vollkommenheit aus den Kaſernen der Soldaten, aus den Werkftätten der handwerker, von den Höfen der Fürſten und aus den Haushaltungen der Eheleute verbannen zu wollen“
(Philoth. I, 3). Er hat das beben der Vollkommenheit aus den Mauern der Klöſter mitten in die Welt zurückgeführt. Er hat das Antlitz der Frömmigkeit, das in all den früheren Jahrhunderten weltabgewandt war, weltwärts gewendet. Grundſätzlich und für immer löſte er das Problem, das ſich im Drittordensweſen des 13. Jahrhunderts an⸗ gekündigt hatte. Es bedarf wohl kaum der Derficherung, daß dieſe Neuorientierung der Frömmigkeit nichts zu tun hat mit einer Gering⸗ ſchätzung des klöſterlichen Lebens. Selbſtverſtändlich war der heilige von der größten Hochachtung für den Ordensſtand erfüllt.
Der hl. Thomas unterſchied zwiſchen der Dollkommenheit und dem Stand der Vollkommenheit. Lebterer war gebunden an die Beobach⸗ tung der evangeliſchen Räte, zu denen man ſich mit einer gewiſſen Feierlichkeit verpflichtet. Wer dem Stand der Vollkommenheit an⸗ gehören will, muß ſich dem Ordensleben oder dem kirchlichen Stand weihen. Franz von Sales geht einen Schritt weiter: Die höhere Voll⸗ kommenheit kann und muß als Regel und nicht bloß als Ausnahme in jedem weltlichen Stand und Berufsleben geübt werden. Der heilige geht darin über die frühere Auffaffung hinaus, daß er die „vie dèvote“, das Leben der Frömmigkeit, als Vollkommenheit im engeren Sinn nicht auf das Ordensleben beſchränkt ſein läßt, ſondern auf das welt⸗ liche Berufsleben ausdehnt. Das Ordensleben wird zu einem Sonder⸗ fall der „vie denote”. Dieſe Entwickelung war keimhaft ſchon beim hl. Thomas angelegt, vollzogen aber wurde ſie erſt von Franz von Sales, der ſich ſonſt mit peinlicher Sorgfalt an die Lehren des Aqui⸗ naten hält. Nun war der ſcheinbare Widerſpruch Wirklichkeit ge⸗
40
worden: Weltleben follte klöſterliches Geben und klöſterliches Geben beben in der Welt fein, mit anderen Worten: die falſche Trennung zwiſchen Welt⸗ und Rloftermoral, wie in ſemann' ſchreibt, wurde von Franz von Sales endgiltig überwunden. Das war ſicher ein Gedanke, der zutiefſt in der Sendung des Chriſtentums gebunden war. Erſt die Zukunft wird die ganz Tragweite dieſes Fortſchrittes offenbaren. Bezeichnend iſt die Nuffaſſung, die der heilige vom Beruf zum Ordensſtand hat. Sie könnte auf den erſten Blick überraſchen. Sie iſt aber nur die logiſche Folgerung aus dem Grundſatz, daß der Einzelmenſch ſelbſt⸗ ſtändig mitwirkender Faktor im Heilswerk iſt. Der Beruf hängt nach ihm mit vom freien Willen ab. Wie anders ſollen wir Stellen in ſeinen Schriften verſtehen, wie etwa folgende: „Wenn ich vom ſpe⸗ ziellen Beruf zum Ordensſtand reden ſoll, ſo glaube ich, daß viele von Gott hierzu berufen ſind, aber wenige den Beruf feſthalten und bewahren. Es gibt aber auch andere, die keinen Beruf hatten, aber ſie traten doch ein und ihr Beruf wurde gebeſſert und von Gott ge⸗ nehmigt“ (Entret. XVII, t. VI, pag. 311). Er felber hat mit Johanna Franziska von Chantal den Orden „der Heimſuchung“ geſtiftet. Der Gedanke, den er in der Stiftung urſprünglich verwirklichen wollte, war der, daß auch ſchwächliche und gebrechliche Naturen, die ſonſt in. keinem anderen Klofter aufgenommen worden wären, ſich dem klöſter⸗ lichen beben widmen könnten. In feinem erſten Plan war es auch, daß die „Heimſuchung“ nicht bloß dem innerlichen Geben, ſondern vor allem der werktätigen Nächſtenliebe dienen ſollte. Er wollte für ſeine &löfter Reine klauſur. Er mußte aber dem Drängen des Erz⸗ biſchofes von Lyon nachgeben, der unerbittlich auf Klauſur in feinem Sprengel beſtand. Als Neal ſchwebte ihm vor die Harmonie zwiſchen vollendeter Innerlichkeit und vollſtändiger Hingabe im Dienft der nächſtenliebe. Mit ihm eilte er feiner Zeit voraus, der offenbar noch die Vorausſetzungen für die Verwirklichung dieſes Jdeales fehlten. Die Neigung der Frau von Chantal zu einem ausſchließlichen Leben des Gebetes drängte den Orden einſeitig auf die Bahn bloßer Inner⸗ lichkeit. Wie ſehr aber der heilige gerade auf die Ausübung chriſt⸗ licher Nächſtenliebe hielt, bezeugt niemand treffender als Frau von Chantal in dem oben erwähnten Brief an den Feuillantenpater Johannes vom hl. Franz: „Die Tugend, die in unſerem ſeligen Vater vorherrſchte, war nach meinem Dafürhalten fein Seeleneifer. Manch⸗ mal hätte man ſagen können, daß er den unmittelbaren Gottesdienſt verfäumte, um den Dienſt des Nächſten vorzuziehen.“ Das Aufgehen Moraltheologie. (Freiburg 1878.) 8. 28.
41
im Dienft der Nächſtenliede hält Franz von Sales durchaus vereinbar mit den höchſten Stufen des Gebetslebens. Er war es auch, der die muſtik als felbftverftändliches organiſches Glied, als Vollendung der Frömmigkeit in den großen Juſammenhang der chriſtlichen Dollkommen- heit einwob. Muſtik ift ihm nichts anderes, als vollendete Derinner- lichung und Derfelbftändigung des Einzelmenfchen bis zu dem Grad, daß er im „Zipfel der Seele“ (cime de l’äme), in der „feinen Spitze der Seele“ (fine pointe de l’äme), im „oberſten und geiſtigſten Teil der Seele“ ſich ſelber beſitzt und im vollen Beſitz ſeines freien Willens nur noch „von ſich und von Gott abhängt.“ Dort haben auch „die göttlichen und übernatürlichen Anmutungen“ (affections divines et aurnaturelles) ihren Sitz, die der Heilige als weitere Stufe über die gewöhnlich frommen Anmutungen (affections chrétiennes) anführt. Die pſuchologiſche Frage nach der Deutung des „Seelengipfels“ würde dieſen Ortes zuweit führen. Soviel aber iſt gewiß, daß in dieſer rein geiſtigen Region das ſogenannte muſtiſche beben als die organiſche Vollendung der „vie devote“ ſich abſpielt. Zu diefen Höhen geiſtlichen bebens gelangt die Seele nur, wenn fie ſich zur vollſtändigen Ergebung und „heiligen Gleichgültigkeit“, zum „Tod des Willens“ erzieht. Man hat dem heiligen — insbeſondere Boſſuet in ſeinem leidenſchaftlichen Rampf gegen Fenelon — den Vorwurf des Quietismus und Semiquietis⸗ mus gemacht. mit Unrecht. Die heilige Gleichgültigkeit, von der er redet, kann wiederum nur zeitgeſchichtlich verſtanden werden. Luther und Calvin lehrten eine gänzliche Ohnmacht und Willenloſigkeit gegenüber dem Göttlichen, betonten aber um ſo ſchrankenloſer die Betätigung auf rein menſchlichen Gebieten. Im Dergleich zu dieſer Art Tätigkeit war das Ruhen des menſchlichen im göttlichen Willen, worin Franz von Sales die Vollendung der Frömmigkeit ſah, Un⸗ tätigkeit, Intereſſeloſigkeit. In Wirklichkeit aber iſt es höchſte Tätig⸗ Reit und Betätigung des letzten und höchſten Intereffes. Der heilige Biſchof vermied die Klippe, an der Molinos und Fenelon ſcheiterten, ohne das Gute, das in den Lehren beider lag, preisgeben zu müſſen. Franz von Sales beſitzt eine ausgeſprochene Hochachtung vor Eigenwert und Selbſtändigkeit des Einzelmenfchen. Er achtete die Freiheit jeder Seele bis zum äußerſten, ſolange nur die Willens⸗ richtung eine gute blieb. Man kann ihn als den Schöpfer des indivi⸗ duellen Gebets- und Frömmigkeitslebens im heutigen Sinn bezeichnen. mag man dieſe Art des Betens aliturgiſch nennen, es wäre geiſtige KRurzſichtigkeit, wollte man dem heiligen das Derftändnis für das liturgiſche Gebet abſprechen. Das liturgiſche Bebet hatte ſich in einer
42 deit gebildet, wo die antike Gemeinſchaftsgeſinnung die Menſchen
noch ganz beherrſchte. Die Verſchiebung des Derhältniffes zwiſchen
Einzelmenſch und Bemeinfchaft, wie fie das Renaiſſancezeitalter mit ſich brachte, machte eine Erweiterung des Kreifes notwendig.
Beift und Wirken des hl. Franz von Sales zeigen in ihren natür⸗
lichen Grundlinien alle Merkmale, die wir für Renaiſſance und Re⸗
formation charakteriſtiſch fanden. Natürliche Anlage, Erziehung und
Lebenserfahrung, die natürlichen Faktoren in der Entwickelung des Heiligen atmen den Geiſt ſeiner Zeit. Und doch trennt ein unüber⸗ brückbarer Abgrund das Werk des Heiligen von dem der Reformatoren. betzteren fehlte gerade das, was Formelement im Wirken des großen Biſchofes war: die Beziehung zum wahrhaft Übernatürlichen. Sie
ſchuf aus denſelben Gegebenheiten eine neue, anders geartete Welt.
Zwei große Kanäle find es, die den Zufttom des Übernatürlichen in die Niederungen der Natur ſichern: Euchariſtie und päpſtliche Un⸗ fehlbarkeit. Es war Franz von Sales, der dieſe beiden Grundtat⸗ ſachen in den Mittelpunkt des religiös⸗kirchlichen Lebens rückte, und zwar in der Weiſe, wie wir ſie heute in ihrer vollen Entfaltung vor uns ſehen. Wie tief immer die Wandlungen im Gemeinſchaftsgebaren der Menſchen auch ins kirchliche Leben greifen mögen, Euchariſtie und Unfehlbarkeit bleiben die beiden unverrückbaren Pole in der Er⸗ ſcheinungen Flucht. Verinnerlichung und Derfelbftändigung der Einzel⸗ menſchen ſind mit allen Mitteln zu fördern. Sollen ſie aber nicht in ihr Gegenteil, in Deräußerlichung und Verſklavung, alfo ins Heiden⸗ tum umſchlagen, fo muß in Eudariftie und päpſtlicher Unfehlbarkeit die innigſte Derbindung mit dem Übernatürlichen gewahrt bleiben. Euchariſtie und Unfehlbarkeit find die beiden Leitfterne, die das Chriſtentum zum Abſchluß ſeiner Sendung führen werden: zur vollen⸗ deten Semeinſchaft der vollendet verinnerlichten und een Einzelmenſchen.
Franz von Sales legte die behre von der päpſtlichen Unfehlbarkeit bereits mit der Klarheit und Beſtimmtheit dar, mit der fie das Dati- canum zum Glaubensſatz erhob. Das Breve, das dem heiligen 1877 die Würde eines ktirchenlehrers verlieh, legt gerade auf dieſen Punkt beſonderen Nachdruck, wenn es ſchreibt: „Vor allem verteidigte er (der Heilige) das Anſehen des Apoftolifchen Stuhles und der römifchen Biſchöfe als der Nachfolger des hl. Petrus. Er legte Sinn und Weſen des Primates bereits mit einer ſo lichtvollen Schärfe dar, daß er den Entſcheidungen des Vatikaniſchen Konzils vorauseilte. Wahrhaftig, ſeine Ausführungen über die päpſtliche Unfehlbarkeit in der 40. Pre⸗
43
digt des „Controversarium“, deren Urſchrift gerade während der Ver⸗ handlungen des Daticanums entdeckt wurde, find derart, daß ſie einige noch ſchwankende Väter zur Abſtimmung für die Lehrentfcheidung beſtimmten.“ n
Franz von Sales war ferner ein glühender Verehrer des aller⸗ heiligſten Altarſakramentes. Er ift der eigentliche Urheber der eucha⸗ riſtiſchen Frömmigkeit, wie fie zum ſprechendſten Wahrzeichen leben⸗ digen katholiſchen Lebens unſerer Tage geworden iſt. Frau von Chantal lüftet wiederum mit zarter Hand den Schleier von dieſem Geheimnis feines Seelenlebens. Nachdem fie mit heiliger Ehrfurcht die engelgleiche Sammlung und Verklärung des Heiligen beim Lefen der hl. Meffe geſchildert hat, fährt fie fort: „Er hatte eine ganz befondere biebe zum allerheiligſten Sakrament. Es war [ein wahres Leben und feine eigentliche Kraft. O Gott! Welche brennende und ergreifende Andacht hatte er, wenn er das Allerheiligſte bei Prozeſſtonen trug. Sie hätten da einen leuchtenden Cherub ſehen können. Unausſprechliche Feuergluten zogen ihn zu dieſem Sakrament.“
Damit haben wir das betzte und Tiefſte im Geilt des hl. Franz von Sales enthüllt. Euchariftie und Unfehlbarkeit bilden den über: natürlichen Mittelpunkt, in den alle natürlichen Linien feiner Per⸗ ſönlichkeit einmünden. Es find an ſich dieſelben Linien, die wir in den Reformatoren und ihrer Zeit feſtſtellen konnten, nur laufen bei dieſen die Linien einem Mittelpunkt zu, der die unmittelbare Der- neinung des ſaleſianiſchen iſt: bedingungsloſe, einzelperſönliche Inner⸗ lichkeit, die Chriſtus feiner Gottheit, Wirklichkeit und feiner ſakra⸗ mentalen Gegenwart entkleidet, keine von außen kommende, gemein⸗ ſchaftsbindende Autorität anerkennt. 80 entſtanden aus gleichen Elementen zwei weſensverſchiedene Gebilde, die wie Natur und Über⸗ natur voneinander ſich abheben.
Der Geift eines hl. Franz von Sales könnte gerade unferer Zeit Zeihen und Wegweiſer werden.
e" durch die mühſame Dorarbeit wiſſenſchaftlicher Einzelunter⸗ ſuchungen wird es gelingen, den Strom des afzetifchen Lebens an ſeiner Quelle zu faſſen, ihn in ſeinem Fluß durch die Jahrhunderte zu verfolgen ... und aus der Fülle zeitgeſchichtlicher Erſcheinungen den allgemein kontinuierlich überlieferten Beſtand der chriſtlichen Aſzeſe feftzulegen ... welches Studium trüge reicheren Lohn in ih... P. de Chastonay in den Stimmen der Jeit 89 (1915) 270.
44 Erinnerungen an einen Meiſter liturgie=
geſchichtlicher Forſchung.
Bon P. Cunibert Mohlberg (Maria⸗PGaach).
m 17. Februar 1922 werden fünf Jahre voll ſeitdem E. Bishop
in feinem ſtillen heim zu Barnſtaple in England geftorben iſt (ö). Mit ihm ſind in der Zeit des Krieges und ſeit die Waffen ruhen eine Reihe um die Giturgiewilfenfchaft verdienter Männer vom Suchen und Forſchen zum Finden und Beſitzen abberufen worden: Dom Marius Férotin O. S. B. (+ 15. Sept. 1914), der ſich um die Er- forſchung und Herausgabe der ſpaniſchen Liturgiedenkmäler () das höchſte Derdienft erworben hat; — der proteftantifche Gelehrte D. 6. Rietſchel (T 13. Juni 1914), durch feine liturgiegeſchichtlichen Bei⸗ träge zur Realenzuklopädie für proteſtantiſche Theologie und kirche () und fein Gehrbuch der Liturgie () unſeres Dankes wert; — Prälat Dr. fi. N. Kellner (+ 6. Febr. 1915) bekannt durch feine in verſchiedene Sprachen überſetzte Heortologie (); — der unermüdliche um die Er⸗ forſchung der Perikopenſuſteme () hochverdiente P. St. Beiſſel 8. 9. (T 31. quli 1915); — Prälat Dr. A. Franz (+ 16. Nov. 1916), der
eifrigfte Pfleger und Förderer liturgiegeſchichtlicher Arbeit ()) — A.
Holder (+ 12. Jan. 1916) (): — W. Meyer von Speyer (+ 9. März 1917) () — 6. Rauſchen (+ 12. April 1917) (0; — Mfgr de Waal (+ 27. Febr. 1917) (“) P. hugo Gaiſſer O. S. B. ( 26. März 1919) (0.
Unter dieſen und anderen, die im Rückblick auf die letzten Jahre
in Ehrfurcht und Dankbarkeit zu nennen ſind, muß ein beſonderes Andenken dem Manne geweiht werden, der vielleicht der bedeutendſte Gelehrte auf dem Gebiete geſchichtlicher Liturgie war: Edmund Bishop. Die deutfche Citurgiewiſſenſchaft insbeſondere verdankt ihm in zweien ihrer beſten Vertreter: P. Suitbert Bäumer O. 8. B. (+ 1894) ( und Prof. Dr. A. Ebner (T 1898) (0) eine weſentliche Förderung. Die liturgiewiſſenſchaftlichen Arbeiten in Deutſchland ſind in einer Weiſe in Fluß gekommen (), welche die Hoffnungen des ſterbenden Ebner übertrifft und dem Geiſte des toten E. Bishop ſo ganz entſprechend ift; fo darf gerade jetzt des letzteren Name mit Fug genannt werden. Ich perſönlich fühle mich noch in beſonderer Weiſe dazu gedrängt; denn im Sommer 1911 durfte ich in verhältnismäßig kurzem, aber in um fo vertrauterem perſönlichen Derkehr mit dieſem einzigartigen Manne ſoviel für grundſätzliche Ruffaffung liturgiegeſchichtlicher Fragen lernen und foviel Anregung, Mut und kraft ins beben und an die
45
Arbeit von ihm mitnehmen, daß es mir herzensbedürfnis ift, das zu bekennen und den Gewinn mitzuteilen.
Edmund Bishop wurde am 17. Mai 1846 zu Totnes (Devonshire) von anglikaniſchen Eltern geboren. Die erſte Schulbildung erhielt er zu Ashburton und Exeter. Hernach bezog er obwohl Anglikaner ein katholiſches Inſtitut in Belgien. Der Schule entwachſen übernahm er einen eigenartigen Dienſt bei dem gelehrten Hiftoriker und Schrift⸗ ſteller Thomas Carlule (+ 1881). Dieſem war der einzige Setzer geftorben, der feine unleſerliche Handſchrift entziffern konnte. 50 mußte Carlule ſich um eine hilfe zum Umſchreiben für den Druck bemühen. Bishop trat in ſeinen Dienſt, nachdem er an einem ad hoc zuſammengekritzelten und beſonders umſtändlich verbeſſerten Fetzen ſein Examen gemacht und beſtanden hatte. Der ungewöhnlichen Handſchrift, meinte Carlyle, werde wohl auch ein ungewöhnlicher Schreiber entſprechen. Zweifellos war der Verkehr mit dem alten Gelehrten für die zukünftige Geiftesrichtung des jugendlichen Mannes nicht ohne nachhaltigen Einfluß. Wie Carlule ſo ſehen wir in der Tat Bishop vielſeitig geiſtig intereffiert für Geſchichte und ſchöne Lite ratur, Altertumskunde und Theologie, kurz für alles, was auf dem Gebiete des Beiftes geworden war und lebte. Wie Carlyle hatte Bishop Verſtändnis für deutſche Geiftesart; die hiſtoriſche Schule, aus der die Arbeiter für die Monumenta Germaniae heranwuchſen, galt ihm als die beſte. Wie Carlule war Bishop originell, manchmal ekzentriſch. Vor allem aber glühte in Bishop wie in Carlule etwas vom Propheten und der Haß gegen alle Unwahrhaftigkeit und jeden Schein. Während aber Carlule das Vergangene dichteriſch ſchaute, äußerte ſich Bishops Wahrheitswille im ſtärkſten Sinne für die Tat⸗ ſachen. „Tatſachen keine Theorien!“ war von früh an fein Leitwort.
1864 trat Bishop in der Abteilung für Erziehung und Unterricht des „Privu Council Office“ in Dienſt. Zwanzig Jahre lang arbeitete er hier für den hohen Staatsrat; zugleich aber privatim für die Wiſſen⸗ ſchaft. In den Sommer 1867 fällt die Epifode, von der er ſpäter ſchrieb (): Wie lang war der Weg, der mich bis zur Überzeugung von meiner Unwiſſenheit führte. Mehr als 32 Jahre find vergangen, ſeit ich von einem anregenden Geſpräche über Bücher den alten Mar⸗ tene heimtrug und Mabillons „Museum italicum“ bei Mr. Weſtell kaufte. In jenem Sommer las ich Martene von einem Ende bis zum anderen und wurde dann im Kaufe der Lektüre Ratholiſch.“ Nach der Schule Carlules war es alſo hauptſächlich die der Mauriner, in der Bishop ſich weiter bildete. Die Freiſtunden ſeines Amtes ver⸗
46
brachte er unter den Handſchriften und Büchern des Britifchen Mu⸗ ſeums und des „Record Office“. Damals entdeckte und ſchrieb er u. a. an der „Collectio Britannica“, der wertvollen Sammlung von drei⸗ hundert Papſtbriefen vom fünften bis elften Jahrhundert; verzichtete aber dann auf die Ehre einer Sonderveröffentlichung und ſchenkte ſeine Arbeit in freigebigſter Weiſe der Geſellſchaft der Monumenta Germaniae ().
Im Jahre 1885 trat Bishop aus dem Staatsdienſte aus und trug ſich mit Kloſtergedanken. April 1886 kam er nach der Benediktiner⸗ abtei Downfide. Damals ſchrieb fein Freund, der franzöſiſche Gelehrte Graf Riant: „Bishop iſt meines Erachtens ein Gelehrter erſten Ranges, er iſt in hervorragender Weiſe befähigt Editionen vom Range eines Dugdale Wharton und der Gebensbefchreibungen engliſcher Heiligen zu ſchaffen. Er hat immenſes Wiſſen, überaus ſicheren und ſehr feinen kritifchen Sinn, dazu große Arbeitskraft und ſtärkſtes Bedürfnis nach kleinfter Genauigkeit. Er hat das Zeug zu einem Montfaucon oder
Mabillon. Ich hoffe und wünſche, daß feine neuen Oberen den Wert
der Erwerbung ermeſſen, die fie in feiner Perſon machen. Er iſt im⸗ ſtande, für Großbritanien das große katholiſche Geſchichtswerk zu er⸗ ftellen.” Ob die klöſterliche Wirklichkeit feinen Jdealen nicht ent⸗ ſprach und ihm der Beruf fehlte, oder ob feine Gefundheit dem mo⸗ naſtiſchen beben nicht genügte, Bishops Name kam nicht in den Mönchskatalog der Abtei. Im Jahre 1889 gab er den Gedanken, Benediktiner zu werden, auf, blieb aber dem Haufe Downfide bis zu ſeinem Tode in treuer Anhänglichkeit ergeben und gewann auf das Beiftesleben der Abtei den größten Einfluß. Don 1893 bis 1901 arbeitete er zuſammen mit Dom Ridan Gasquet, dem ehemaligen Prior von Downfide, jetzigen kardindf und Präſident der Dulgata= Rommiffion, zu London in der Great Ormond Street in der Nähe des British Museum (). Unter feinem Einfluſſe ſtanden die ordens⸗ geſchichtlichen Studien Dom CE. C. Butlers, gegenwärtig regierenden Abtes von Downrfide. Ruch was Dom N. B. Kuupers „Book of Cerne“ (1902) als Textausgabe und in liturgiegeſchichtlicher hinſicht leiſtet, geht auf E. Bishop zurück (). Dom h. Connollus Arbeiten über Narſai (1909) ( und die Richtung feiner ſyriologiſchen Studien knüpfen ‚ebenfalls an E. Bishop an. Er hat auch auf manche Arbeiten Dom Gasquets, des jetzigen Kardinals, eingewirkt, oder ſich wenigſtens für fie eingeſetzt, wie 3. B. für den Bosworth Psalter (1908) (“). Sein Einfluß blieb nicht auf den Bezirk der Abtei Downfide beſchränkt, auch die Benediktiner in Belgien und Deutſchland ſollten davon nach⸗
w . ——j˖.—r—. — ——— —
47
haltig berührt werden. Dom Germain Morins patriftifche und litur⸗ giſche, Dom Ursmar Berlières monaſtiſche Studien gehen in ihren Anfängen über P. Bonifatius Wolff (T 20. März 1920) teilweiſe auf E. Bishop zurück, oder wurden direkt durch dieſen gefördert. P. B. Wolff ſelber verdankte E. Bishop die reichen Anregungen auf wiſſen⸗ ſchaftlichem Gebiete, die er in ſeinen beſten gahren empfing und an andere übertrug, fo vor allem an die beiden genannten Mönche der Abtei Maredſous. Auch das Beſte, was deutſche Benediktinergelehr⸗ ſamgkeit in den neunziger Jahren hervorgebracht hat, iſt von E. Bis⸗ hop befruchtet. P. Suitbert Bäumers Arbeiten über das „Stowe Miſſale“ (1892) (“% und über das „Sacramentarium Gelafianum“ (1893) (0, vor allem aber der breite zeitgeſchichtliche hintergrund feiner Breviergeſchichte (), das Spiel und Gegenfpiel von Liturgie und kirchlichem Leben, von Liturgie und politiſcher Geſchichte find Derdienſte €. Bishops. Es ift heute kein Geheimnis mehr, daß P. S. Bäumers Name für E. Bishop lange gahre hindurch die Deckung war, hinter dem dieſer gegen die damals erſcheinenden liturgiegeſchicht⸗ lichen Arbeiten Duchesnes () und Batiffols (“) Stellung nahm. Erft mit dem Tode P. 8. Bäumers (1894) beginnt E. Bishop einzelnes ſelbſtändig zu veröffentlichen. 80 noch in demfelben Jahre im An⸗ ſchluß an Wilſons Ausgabe des „Sacramentarium Selasianum“ feine bedeutende Arbeit über das älteſte römiſche Meßbuch (“). Im Jahre 1899 die nicht weniger wertvolle, viel Aufſehen erregende, populär⸗ wiſſenſchaftliche Studie über den Geift des römiſchen Ritus (“). Im gleichen Jahre eine ziemlich unbekannt gebliebene Unterſuchung über das Ayrie eleison (*). . Der 1902 erſchienene Anhang zu der bereits genannten () ftuuperſchen Ausgabe des „Book of Cerne mag als charakteriſtiſches Beiſpiel für die wiſſenſchaftliche Art Bishops genannt werden. Sie kann in letzter Ginie als die Arbeit des gefunden Menſchen⸗ verſtandes an hiſtoriſchen Tatſachen und Texte bezeichnet werden. Er berief ſich dafür gerne auf den alten Bocquillot. (“) Es folgte eine Arbeit über den chriſtlichen Altar (“) mit einer Bibliographie von 75 Nummern als Beigabe (1905), und die bereits genannte (“) mit Dom Gasquet durchgeführte Studie über den Bosworth Pſalter (1908). Don 1909 an erſchienen im „Journal of theological Studies“ als „Liturgical Comments and Memoranda“ (“) eine Reihe liturgiege⸗ ſchichtlicher Studien, die ganz das Gepräge ſeiner eigentümlichen Geiftesart tragen. |
Bishop war krank und brauchte Hilfe; die wurde ihm in Dom A. Wilmart und Dom P. de Puniet, zwei Mönchen aus der franzö⸗
48
ſiſchen Benediktiner-Rongregation von Solesmes. Nun ſchloß fih um ihn in einem internationalen Kreife zuſammen, was an benediktini- ſcher Kraft der liturgiegeſchichtlichen Forſchung gedient hatte und zu dienen bereit war.
Im Sommer 1911 durfte ich bei einem Aufenthalt in England mit E. Bishop zuſammentreffen. Die mit dieſem ſeltenen Manne damals vom 16. bis 23. Juli geführten acht bis zehn Beſprechungen habe ich in Tagebuchnotizen ſorgfältig gehütet. Sie charakterifieren die eigene Geiſtesart Bishops, feine Auffaffung von der wiſſenſchaft⸗ lichen Arbeit im allgemeinen, insbeſondere ſeine aus langer Erfahrung gefloſſenen Erkenntniſſe für die liturgiegeſchichtliche Forſchung und geben ein deutliches Bild von ſeiner perſönlichen Entwicklung. Ein⸗ zelne Ergebniſſe feiner Forſchung follen einer ſpäteten Darſtellung vorbehalten werden. hier intereffieren uns nur feine grundlegenden Auffaſſungen.
E. Bishop ſprach nie von „Liturgie“, ſondern von „Christian Wor⸗ ship“ (“), chriſtlichem Gottesdienft, ſah darin „das innerſte und inner⸗ lichſte beben der Menſchheit, die zarte Blume der Ziviliſation“ und empfahl das Studium der Liturgie im weiteſten Sinne als „beben der Kirche“. Ihre Gefchichte wollte er aus dem chriſtlichen Gefamtmilieu heraus begriffen und dargeſtellt ſehen. Darum hielt er das Studium der chriſtlichen Kultgeſchichte für das anſpruchsvollſte. Es fordere Schriftkunde und Philologie, politiſche Gefchichte und Geographie, Dolkskunde, patriſtiſche und mittelalterliche Literaturkunde und ſchließ⸗ lich die Theologie ſelber als Hilfskräfte.
Die Hauptprobleme der liturgiegeſchichtlichen Forſchung fah Bishop bei den Knoten der Entwicklung: zunächſt im Morgenlande vom zweiten bis fünſten Jahrhundert. Dabei dachte er nicht nur an geru⸗ ſalem und Alexandrien, Konftantinopel und Antiochien, ſondern auch an Edeſſa und an die Ufer des Euphrat. Vom fünften Jahrhundert an verſchiebe ſich das Intereſſe des Hiſtorikers nach dem Abendlande bis zum neunten und gehe über auf Rom und Mailand, auf Spanien und Frankreich und die britiſchen Infeln, auf das ganze Hochmittel⸗ alter mit feinen Parallelſtrömungen und Gegenbewegungen. Damit folle jedoch die Zeit nach Juſtinian für das Morgenland und die Geſchichte nach karl dem Großen keineswegs ausgeſchloſſen fein. Bishop verlangte gleich liebevolles Intereſſe für die Erforſchung der Rircheninventare, der Privaturkunden des ſpäten Mittelalters, wie für die Sakramentarien und die übrigen liturgiſchen Quellen früherer Zeiten. Darin offenbarte ſich der geborene geiſtvolle Hiftoriker, daß
49
er die geſchichtliche Dergangenheit Reiner Zeit und keines Dolkes der hiſtoriſchen Unterſuchung für unwert hielt, ſondern für alle Geſchlechter, für jede Art und für jedes kultiſche Gebilde Derftändnis und Auf: merkſamkeit befaß und verlangte. Er ſprach von einer vergleichen⸗ den methode auch in dem Sinne, daß er das Alte an jüngeren und modernen Problemen zu ſtudieren empfahl. ga er gab der vom Späteren N zum Früheren zurückſchreitenden Forſchungsweiſe den Vorzug. — „Das Geringe nicht verachten,“ lehrte er mich an einem ſonnigen Morgen, als wir das Studium der liturgiſchen Schriftſteller des Mittelalters von Amalarius bis Radulphus de Rivo beſprachen. Wie Bishop über die äußere Deranlaffung der Wandlungen liturgiſcher Gebräuche dachte, hat er in der Einleitung zur Studie über den chriſt⸗ lichen Altar geſagt: (“) „Es kann nie genug betont werden, daß weder perfönliche Einfälle leitender Stellen noch... kirchliche Dekrete die Wandlungen ſchufen, ſondern der Sinn ... des chriſtlichen Volkes.“
Aus dieſer breiten und lebens vollen Auffaſſung der Gefamterfcheinung des chriſtlichen Kultus und der erwähnten Anſicht vom gefunden Dolks- verſtand erklärt ſich die ablehnende Haltung E. Bishops gegenüber liturgiſchen Reformbewegungen. Er ſah darin einen Reſt der Ro⸗ mantik. „Man hat Erinnerungen zu Hoffnungen gemacht,“ meinte er mit den Worten der Frau Stael. Seine Ehrfurcht dem hiſtoriſch Gewordenen gegenüber litt nicht, daß Erworbenes verworfen, Doran= ſtrebendes zurückgeſchraubt werde. Dabei bedauerte er aufrichtig, daß dem Volke Sinn und Gefühl für das liturgiſche beben und ſeine Übung verloren gegangen war. Die heilung erwartete er von der Geiftlichkeit; fie müſſe zu den Grundbüchern der Liturgie, beſonders zu Brevier und Miſſale als den lebendigen Quellen des Gebetes und der Betrachtung zurückkehren. Vor allem ſollten die Pſalmen Gebet werden. Bei einer Reform des Breviers — es war im Sommer 1911, alſo vor der Reform Pius X. — ſei vor allem das moderne beben zu berückſichtigen. Den Geiſtlichen müſſe ihre Arbeit an Samstagen und Sonntagen durch ein entſprechendes Offizium erleichtert werden. muſter waren ihm die Breviere der gallikaniſchen Liturgie, deren völliges Verſchwinden er bedauerte. Daß E. Bishop zu Lebzeiten beos XIII. von dieſem für eine liturgiſche Reform des kirchlichen Offiziums zu Rate gezogen worden iſt und dafür gearbeitet hat, dürfte wenig bekannt ſein.
nie vergeſſe ich den Abend, an dem E. Bishop unſere Unter⸗ haltungen zuſammenfaßte und mit mahnend erhobener Hand warnte: „Arbeiten Sie nie für das Schaufenſter.“ Bishop haßte die Ehr⸗
Benediktinifhe Monatſchrift IV (1922), 1—2. 4
50
geizigen, die nur perſönliche Erfolge bei ihrer Forſchung ſuchen, und die Oberflächlichen, die alles angreifen und nichts vollenden. „Beſſer einfach und treu ihre Berufspflichten erfüllende Prieſter als eingebildete geiſtliche Gelehrte.” Unvergeßlich wird mir das Wort Miltons bleiben, das er mir in der allererſten Stunde unſeres Zufammenfeins und immer wieder einprägte: „Huch jene dienen, die nur daſtehen und warten.“
neben dieſer großen Liebe zur Wahrheit und demütigem gewiſſen⸗ haftem Arbeitsſinn forderte Bishop für den Forſcher jenes „Gefühl der Unwiſſenheit“, das einſt über ihn kam, als er Martene las. Er unterſchied die hiſtoriſche Arbeit ſcharf von der naturwiſſenſchaft⸗ lichen. „Reine Chemie,“ warnte er und verurteilte damit die äußerliche Bearbeitung der geſchichtlichen Dergangenheit. Es gibt nach der Nuf⸗ faſſung Bishops keine fertige Kultgeſchichte, fie muß erſt durch lang⸗ ſames Taften, umſichtiges Sammeln aus Verſuchen und Wahrſcheinlich⸗ Reiten ganz allmählich erſtehen. Die Schwierigkeiten erwachſen dabei hauptſächlich daraus, daß die Denkmäler der Liturgiegeſchichte faſt alle ohne Angabe der Derfallerfchaft daſtehen und ſelten aus einem Guſſe wurden. Oft find die verſchiedenſten Elemente verſchmolzen und das Ganze bleibt unverſtändlich, ſolange die Beſtandteile nicht erkannt ſind. Das gilt vor allem von dem ſo mannigfach verſchiedenen Geift der einzelnen chriſtlichen Dölker im Schoße der gleichen Kirche. Nur die mühſamen und ſorgfältigen kleinen Unterſuchungen, gepaart mit weitem Blicke für das Ganze, führen allmählich zu einer einiger⸗ maßen ſicheren Erkenntnis. Jeder wahre Fortfchritt an Erkenntnis er⸗ zeugt aber geſteigerte Sehnſucht nach höherer Einficht und Trauer über die Unvollkommenheit der Erworbenen. Das von E. Bishop geforderte „Bewußtſein des Nichtwiſſens“ iſt alſo Gewähr ernſthaften Strebens nach Erkenntnis und das ſicherſte Kennzeichen echten Fortſchreitens.
Noch fehlt im Bilde Bishops ein weſentlicher Jug: er beſaß eine Bücherkunde wie wenige. Rardinal Gasquet berichtet (“) darüber aus der Londoner Zeit gemeinfamer Arbeit in der „Great Ormond Street“: „Wieder und wieder frug ich nach dem beſten Werk für die und die Frage, und ſofort kam als Antwort eine Reihe von Autoren, die Namen ihrer Werke, das Jahr der Veröffentlichung, die beſten Ausgaben und der befondere Wert eines jeden. Genau fo war es mit dem großen Hand ſchriftenſchatz des British Museum. Er ſchien ihn durch und durch zu kennen; ich glaube, daß nie einer die Hand⸗ ſchriften fo gekannt hat und wieder fo kennen wird.“ Der Kardinal erzählt dann weiter () von einem Beſuche Bishops auf Monte Caffino. Der damalige Archivar und Prior, der jetzige Abt Amelli,
51
bat Bishop, ihm die beften Werke für liturgiſche Studien anzugeben. Dieſer ſetzte ſich an die Arbeit und ſchrieb innerhalb vierundzwanzig Stunden auf vierundzwanzig Quartblätter in kleiner Schrift einen Bericht über die beſten Schriften nieder: „Jeder war eine Angabe über ihren kritiſchen Wert beigefügt.“ Abt Amelli geſteht, daß er nie je⸗ manden ein ſo wertvolles und praktiſches Bücherverzeichnis irgend⸗ welcher Art in ſo kurzer Zeit hat ſchaffen ſehen und zwar ohne ein Buch oder irgendwelche Notizen. Dieſe umfaſſende Literaturkenntnis hatte ſich Bishop in folgender Weiſe erworben: als junger Mann hatte er ſich daran gewöhnt, für die verſchiedenen Gegenftände feines Studium jeweils Hauptwerke zu nehmen, auf Literatur und Quellen zu unterſuchen und Jo feſtzuſtellen, wie weit ihr autoritativer Wert gehe. So hatte er 3. B. „Die Geſchichte des Derfalles und Untergangs des römifchen Reiches” von Edward Gibbon (“) behandelt. Für das Studium der Giturgie war ihm zunächſt Grimaud (“) Führer gewefen. Ferner lobte er Dilette, (“) Bocquillot (“) und vor allem den Bene⸗ diktiner Claudius de Bert (“), die er die „Schule des gefunden Men⸗ ſchenverſtandes“ nannte. Die kritiſche Behandlung liturgiſcher Ur⸗ kunden hatte er von Ernſt Ranke (“ gelernt; bei Theodor kfliefoth (“) war ihm zum Bewußtſein gekommen, wie notwendig ein lebendiges Intereffe für die gottesdienſtlichen Formen und Formeln zum vollen Derftändnis der Liturgie ſei. 6. h. Forbes (), der ſich in einſamem ſtillen Studium der gallikaniſchen Liturgien angenommen hatte, ſtellte er neben Caſſander, neben Bona, Tommaſt und Mabillon. Als die beſten Vorbilder ſtreng wiſſenſchaftlicher Arbeit galten ihm die Arbeiten der Gefellfhaft der „Monumenta Germaniae Historica“. An fie wies er mich in der letzten Stunde unſeres Juſammenſeins.
Seitdem ift manches durch das band gegangen. Mitten im Kriege, am 17. Februar 1917 ift Edmund Bishop zu Barnſtaple geſtorben. In Downfide, wohin er feit vielen Jahren regelmäßig zu einem mehrmonat⸗ lichen Sommeraufenthalt kam, hat man ihn begraben. Die Mönche haben im Rlofter E. Bishop pietätvoll folgende Gedenktafel geſetzt:
MEM ORIAE EDMVNDI BISH OP VIRI INTER REI LITVR- GICAE PERI TOS EXIMI | VI DOCTIS LVCUBRATIONI- BVS | AMICITIS ERVDITORVM CLARVS | CLARIOR PIE- TATE MODESTIA CARITATE | QVA NVLLI SE CONSV- LENTI DEFVIT | EX HAC VITA MIGRAVIT | DIE XIX FEB. ANNO MCMXVI | AETATIS SVAE LXXI | ATQVE IN VICINO MONACHORVM COEMETERIO | IPSE ANIMO MONACHVS | VBI OPTAVERAT REQVIESCIT | ANIMAE IMPLORA PACEM.
4*
52
Was er gearbeitet und das, womit er anderen gedient hat, lebt fort. Die eigenen, da und dort veröffentlichten Studien hat er kurz vor ſeinem Tode noch überarbeitet. Sie ſind, da er ſchon im Grabe ruhte, in einem prächtigen Bande erſchienen: die „Liturgica Historica“, das Denkmal feines Lebens und Schaffens. So bedeutend dieſes Buch an Umfang und Inhalt fein mag, es iſt doch kein ‚Standard Work’, das im Derhältniffe ſtünde zu feinem Wiſſen und Können und zu feinem ſeltenen Genie. Weit mehr hat er anderen geholfen und ge⸗ geben: Eigenes, das er erarbeitet und das fortlebt in fremden Werken. Vieles bleibt begonnen und unvollendet in ſeinem literariſchen Nach⸗ laß. Was aber vor allem unter uns fortleben möge, iſt Bishops Geift, der Geift, von dem eine jede feiner Arbeiten Zeugnis gibt, der ſich uns als ein unbedingtes Streben nach Wahrheit und Wahrhaftig⸗ keit und als reſtloſe hingabe an ſie offenbart, die gepaart gehen mit einer großmütigen dienenden Liebe und mit harrender ſtarker Geduld. In dieſen Geſinnungen hat er geſtanden und gewartet und vielen gedient und dadurch die liturgiewiſſenſchaftliche Forſchung wie keiner gefördert. | miltons Wort, das Bishops Lieblingsfentenz geworden war, hat ſich an ihm in ergreifender Weiſe erfüllt: „Auch jene dienen, die nur daſtehen und warten.“
Anmerkungen.
() Über e. Bishop gibt die Downside Review 36 (1917) 2/11: fl personal appreciation bu 8. €. Cardinal Sasquet; 12/18: Hommage d'un disciple et d' un ami bu D. Andre Wilmart; 29/35: Some recent notices of €. B. Darunter die Notiz von D. Hugh Connolly im Tablet 1917 (3. märz). Außerdem erſchienen Nach rufe: im Journal of theological Studies 18 (1917) 97/102 von N. Robinſon, in der Rivista liturgica 4 (1917) 46/8 von Abt Amelli, in den Etudes (1919) II. 68/76 von A. d' Alès.
() Ge biber Ordinum en usage dans l'eglise wisigothique et mozarabe d' Es- pagne du Ve au Xle siècle [Mon. Eccl. Pit. V (1904) XLVI, 800 8.] — Piber Mozarabicus Sacramentorum et les Manuscripts mozarabes [Ebö. VI (1912) XCI, 1096 8.] Einen Nachruf widmet ihm F. Cabrol im Journal of theol. Stud. 16 (1915) 305/13.
() Dgl. Abend mahlsfeier, Anaphora, Antimenfium, Graduale, Himmelfahrtsfeſt, Hoſtien, Kinderkommunion, Kirchenagende, Kirchenlied I (d. alt. Kirche), Kirchgang der Wöchnerinnen, Weihnachten.
(*) Berlin 1900 1909. a
(0) Freiburg i. B. 1901 (1. Aufl.), 1911 (3. Aufl.). Italieniſch (1906); engliſch (1908); Franzöſiſch (1909); Spaniſch (1910). |
(9) Geſchichte der Evangelienbücher in der erften Hälfte des Mittelalters. Stim- men aus Maria Paach, 23. ergzgsbd. (Freiburg i. B. 1906).
Die Entftehung der Perikopen des Römiſchen Meßbuches. Ebd., 24. ergzgsbd. (Freiburg i. B. 1907). Einen Nachruf wioͤmete ihm P. J. Braun in den Stimmen der Zeit 89 (1915) 505/13.
53
() Die Meffe im deutſchen Mittelalter (Freiburg i. B. 1902). — Das Rituale von St. Florian aus dem 12. Jahrhundert (Freiburg i. B. 1904). — Die Leiftungen und Aufgaben der liturgiſchen Forſchung in Deutſchland. In den Hift. Pol. Bl. 141 (1908) 84/99. — Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter (Freiburg i. B. 1909, 2 Böe). — Das Rituale des Biſchofs Heinrichs L von Breslau (Freiburg i. B. 1912). Das erfte Heft der liturgiegeſchichtlichen Forſchungen iſt Franz gewidmet.
(°) Dielfah und dauernd um Liturgiekunde verdient durch meiſterhafte Be⸗ ſchreibung der Reichenauer liturgiſchen Hanöfchriftern zu Karlsruhe; daneben u. a. auch durch Veröffentlichung eines Reichenauer Rurzmarturologiums, wofür er den beſondern ehrenden Dank Giovanni B. de Roffis erntete; vgl. Röm. Quartalſchrift II (1889) 251. |
(0) Fragmenta Burana (1901); Das Turiner Bruchſtück der älteften irifchen Giturgie (1903); Gildae oratio rhuthmica, die alten Reiſegebete, Papae Gelasii De⸗ precatio (1912); Spaniſches zur Geſchichte der älteſten mittelalt. Rhuthmik, — Über die rhuthmiſchen Preces der mozarabiſchen Liturgie (1913). Die Preces der moz⸗ arabiſchen Liturgie (1914).
(% Eudariftie und Bußſakrament in den erſten ſechs Jahrhunderten der Kirche. (Freiburg i. B. 1908, 1. Aufl. 1910 2. Aufl.)
(% Herausgeber der Römiſchen Quartalſchrift, Mitbegründer des Oriens christia⸗ nus, Erforſcher altchriſtlicher römiſcher Kultſtätten und Kultgegenſtände ufw.
(%) Bekannt durch feine Studien zur Griechiſchen Kirchenmuſik.
(% Dal. Anm. 22 — 24. E. Bishop hat 1905 in einer bibliographiſchen Lifte feine Mitarbeit an Bäumers Studien genau angegeben.
(0% Dgl. C. mohlberg, Das fränkiſche Sacramentarium Gelasianum in ala⸗ manniſcher Überlieferung [Giturgiegefch. Quellen 1/2 (1918)] Einleitung S. XXV/VXXXVII. Mitteilungen aus dem Briefwechſel Ebner Bishop. Dieſer Band iſt dem Andenken ebners geweiht.
(?5) Piturgiegeſch. Quellen u. Giturgiegefh. Forſchungen ſeit 1918, Jahrbuch für Giturgiewiffenfchaft ſeit 1920. Ugl. Bened. Mmonatſchrift 3 (1920) 495 ff.
(% In der Studie über das Kurie eleiſon in der Downfide Review (1899).
(1) Dgl. Neues Archiv 5 (1880) 275/414; 505/96.
(0) Dgl. Gasquet in: Downfide Review 36 (1917) 5.
(12) The Prayer Book of Aedeluald the Bishop commonly called The Book of Cerne by Dom A. B. Ruypers (Cambridge 1902). Dgl. die Einleitung u. Giturgical Note bu €. Bishop. 8. 234/83.
(% The liturgical Homilies of Harsai: Einleitung und Überſetzung aus dem Suriſchen von Dom R. 8. Connolly; erläuternder Anhang 8. 87 — 163 von E. Bishop.
(% The Bosworth Pfalter bu Abbot Sasquet und E. Bishop. Dgl. die letzte aus der Mitarbeit Bishops mit Card. Gasquet veröffentlichte Arbeit „responsiones Bregorii ad interrogationes beati Hugustini“ in den: Scritti varii di letteratura ecclesiastica dedicati al Kino Ab. Ambrogio Amelli O. 8. B. (Miscellanea Amelli, Montecaffino 1920).
(7) In: Zeitſchrift f. Rathol. Theol. 16 (1892) 446 ff.
() In: hiſtoriſches Jahrbuch 14 (1893) 241 ff.
(% Geſchichte des Breviers (Freiburg i. B. 1895). Don Bishop ſtammt 8. 203/18, 223/7, 228/40, 263 /5, 279/85, 303/27, 8. 265 F. 6 bis 304 3. 14. In der franzöſi⸗ ſchen Überfegung (Paris 1905) 1 293/304 F. 6, 306/16, 322/5, 327/42, 351/3, 378/80, 400/09; II 1/33, 87 3.18 bis 96 F. 16.
(0 Ges Origines du culte hrötien. (1889).
(% Histoire du Bréviaire romain (1893).
(%) The Earliest Roman Mass Book. In: Dublin Review (1894), jetzt: Gitur- gica Historica (Oxford 1918) 39/61.
(?°) Dortrag in der historical Research Society, Weſtminſter 8. Mai 1899. Zuerft
54
gedruckt im Weekly Regifter (Mai 1899). Jetzt: Liturgica historica 1/19. Auch: Ga Die et les arts liturgiques 5 (1919) 677/93, 828/36, 869/80.
(*) In der Downfide Review (Dezember 1899), (März 1900). Jetzt: Litur- gica Historica 116/136.
(?°) Dol Anm. 19.
(% Traite historique de la Giturgie sacrèe ou de la Messe. (Paris 1701) Preface 8. VII. f.
() In der Downfide Review (Juli 1905). Jetzt: Giturgica Historica 20/38.
(% Dgl. Anm. 21.
(% I-II 10 (1909) 446 / 9, 592/603; III 11 (1910) 67/73; IV-VI=12 aan) 384/413; VI-IX =14 (1913) 23/61.
(% DBgl. Giturgica Historica 116.
(% Giturgica Historica 20.
(% Downfide Review 36 (1917) 5 f.
(0% Ebda 8. 9.
(?°) The History of the Decline and Fall of the Roman Empire bu Edward Sibbon. 12 Bde (Leipzig 1829). Aus dem Engliſchen überſetzt von K. 6. Schreiter. 19 Bde (Leipzig 1805 - 1806).
(0% G. Grimaud. La Liturgie sacrée, olı l’antiquite, les mustères et les c&r&- monies de la Sainte Messe sont expliquès .. (Gyon 1666, Paris 1678).
(*) Cl. Villette. Les raisons de Loffice et cèrèmonies qui se font en T’Eglise catholique, apostolique et romaine (1611).
(% P. N. Bocquillot. Traité historique de la Piturgie sacree, ou de la Iesse. (Paris 1701).
(*?) explication simple littörale et historique des c&r&monies de Teglise. Bö. 1. 2. (Paris 1697—98); 2. Aufl. (1707—08); Bd. 3. 4, (1713).
(*) Das kirchliche Perikopen⸗Suſtem aus den älteſten Urkunden der römiſchen biturgie. (Berlin 1847).
(*) The ancient liturgies of the Gallican Church. (Burntisland 1855).
(%) Giturgifhe Abhandlungen. Bö. 1-8. (Schwerin 1854 — 61).
2 %%%jj. eee eee eesti eesseeceeessseeeseeeeese sees eee sees ese eee tee eee eres ess hennes es tests eee e eee eee eee eee ensesesseneeesst eden ene ses eesstesseeeesssseesseeeeeesse
An die hl. Mutter des bichts. Aus dem Suriſchen überſetzt von P. Pius Zingerle O. 8. B. **
Gruß, o Demütigfte, Dir, Jungfrau und Gebärerin Gottes! Mutter, von keinem Manne berührt! Sieh: alle Geſchöpfe Preiſen verherrlichend Dich, o Mutter des ewigen Lichtes! Du biſt genen, die ſitzen in Nacht, ein tröſtendes Vicht ſelbſt, Du der Gläubigen Zierde und Ruhm: und alle Geſchöpfe Preiſen verherrlichend Dich, o Mutter des ewigen Lichtes!
(Harfenklänge vom Libanon, 1840, 8. 148.)
„ „ &
5 55
Dom Ursmer Berlieres Führung durch die benediktiniſchen Jahrhunderte für Gebildetenkreiſe. |
Don P. Anfelm Manfer (Beuron).
In gründlicher und umfaſſender Pflege der Benediktinergeſchichte ſteht
gegenwärtig anerkanntermaßen Dom Ursmer Berlière, Mönch von Maredſous und Mitglied der kgl. belgiſchen Akademie der Wiſſen⸗ ſchaften, zwar erfreulicherweiſe nicht allein, aber einzig da. Dertrauend nimmt man aus feiner unermüdlichen, vollen hand ein Buch entgegen über ein nun ſchon vierzig Jahre treu und erfolgreich bebautes Gebiet! Das Buch drängt ſchon vor dem beſen zum Dank an den hochwürdigen Derfaffer, der es weit über die gelehrten Fachkreiſe hinaus für die ungleich zahlreicheren Gruppen allgemein Gebildeter berechnet hat. Und er hat es dabei verſtanden, ſeine Schrift ebenſo faßlich, wie bei aller Gediegenheit auch genußreich zu geſtalten. Nach erfter und viel⸗ leicht noch mehr nach wiederholter Gefung ſchließt man vorliegendes Buch belehrten Geiftes und erwärmten Herzens mit geſteigertem Dank⸗ gefühl. Ein kleines, aber reiches, reifes und klares Buch kann an- muten wie eine Edelgabe des Herbſtſegens.
Das Buch erwuchs aus dem lebendigen Wort: nämlich aus einer Reihe von Vorträgen an einen reis für Ausbreitung von Hochſchul⸗ bildung zu Brüſſel im Winter 1911 auf 1912. Es erſchien bald nachher auf vielfache Wünſche hin in erſter Auflage. Laut dem damaligen Vorwort rechnete der Derfalfer nur mit einem ganz kurzen Leben und Wirken feiner beſcheidenſt gewerteten Arbeit. Als die Auflage bald vergriffen war, verſiegte aber die Nachfrage keineswegs. Sie über⸗ dauerte den blutigen Weltkrieg und zeitigte die erſehnte zweite Auflage dieſes ganz friedſamen und frommen Frieden atmenden Buches. Es ift beſonders um viele Nennungen inzwiſchen erſchienener einſchlägiger Beiträge zur Mönchsgeſchichte bereichert. Dieſe Fülle von Schriften⸗ angaben jeweils hinter den einzelnen Kapiteln des Buches dient nicht allein zum Beleg ſeiner Anſchauungen und Tatſachenmitteilungen, ſondern nicht minder zum Weiterlernen. Ein Erſatz für dieſe Hinweiſe dürfte dermalen anderswo für weitere Kreiſe ſchwer zu finden fein. Mehr, ja tunliche Dollftändigkeit nach dieſer Seite hin ſtellt der um⸗ ſchauende Forſcher in feinem teilweiſe ſchon vollendeten wiſſenſchaft⸗ lichen Handbuch der Benediktinergeſchichte in Ausficht. In dieſen Schriftenliſten find die deutfchen Gelehrtennamen reich, ehrenvoll und wohl überwiegend vertreten“.
15“ Oròdre monastique, des origines au XIIme siècle, par D. Urs mer Berlière, de Labbaue de Mlaredösous; deuzieme édition revue et complétée; Paris, B. Gethielleug, etc. 1921; 276 88. in 8°; 6,50 fres.
2 Dabei ſtößt man hier ſelten auf fehlgeöruckte Uamen. So erſcheint z. B. der verdiente Geſchichtſchreiber des morgenländiſchen Mönchtums, Stephan Schiwietz, auf 8. 34 auch in der Fehlform Schiewietz. Auf 8. 30 hat der gelehrte armeniſche Archi⸗ diakon Dr. Erwand Ter⸗Minaſſiantz den Schlußlaut feines Namens eingebüßt.
56
Hauptziel des kleinen Buches ift die verſtändliche und anſchauliche Darſtellung der erften ſechs Jahrhunderte der Benediktinergeſchichte nach ihren Grundzügen und in zuſammengefaßten geſchichtlichen Ge= mälden. Sie halten fi demnach im Zeitraum vom ſechſten bis zum zwölften gahrhundert. Gleichſam als Markſcheiden ſtehen da die Geftalten des Patriarchen Benediktus (T um 543) und feines hoch- mittelalterlichen güngers Bernhard von Clairvaux (+ 1153). Sie finden ſich in der auch geſchichtlich vielſagenden Allerheiligenlitanei der römifchen Liturgie bedeutſam zwiſchen dem hl. äguptiſchen Alt⸗ und Wüſtenvater Antonius dem Großen (356) und dem hl. Stifter (11221) des auf Wiſſenſchaft und Predigt eingeſtellten Dominikanerordens ein= gefügt und unmittelbar zuſammengerückt. So erſcheinen Benediktus und Bernardus als die überragenden Flankengeſtalten der mit ihnen ziehenden abendländiſchen Mönchsſcharen von ſechs Jahrhunderten.
Dieſe Zeitſpanne hat Kardinal Newman (+ 1890) mit feinem geſchichtsphiloſophiſchen Tiefblick als die in befonderem Sinne „bene⸗ diktiniſchen Jahrhunderte” geſchaut und bezeichnet. Dieſe An⸗ ſchauung und Benennung beruht auf der Tatſache, daß das abend⸗ ländiſche benediktiniſche Mönchtum während jener Zeit in der Welt- kirche und in den Weſtſtaaten bei der Geſtaltung des religiöfen und wirtſchaftlichen Lebens, der gelehrten und künſtleriſchen Tätigkeit, und dann beſonders im Unterrichts- und Erziehungsweſen allgemeinen und oft formgebenden Einfluß beſaß (ſ. Cuthbert Butler, Benedictine Monachism, London 1919, 8. 77, Anm. 3). |
Hieraus wird Rlar, daß Dom Berliere für feine Dorträge und fein Buch glücklich einen ebenſo geſchloſſenen wie belangreichen Abſchnitt aus der Benediktinergeſchichte herausgegriffen hat. Es bekam und bewahrt dadurch eine ungemeine Bedeutung und Anziehungskraft. Das Verwachſenſein der europäiſchen Geſchichte und Bildung mit dem Mönchtum in dieſen nach mancher Seite hin grundlegenden gahr⸗ hunderten ſicherte den ernſten geſchichtlichen Gemälden und Umriſſen Berlieres einen großen kulturgeſchichtlichen Zug und Einſchlag. Die Abweſenheit von ſtarken Farben und Worten machen ihn nur umfo leichter und reiner fühlbar.
Der geſchichtlichen Betrachtung des benediktiniſchen Mönchtums ſtellt der Derfaffer ein Kapitel über das ältere vorbenediktiniſche Mönchs⸗ weſen voran. In dieſem erften Hauptſtück fieht der Leſer den treibenden Grundzug alles chriſtlichen Mönchtums am Werk: den Rückzug und die bosſchälung von der Welt zu einem Gott befonders ge- weihten und geeinten beben nach dem Sinne, Nat und Beiſpiele Chrifti. Es kann verlaufen in der ernften Stille des chriſtlichen Wohn⸗ hauſes, in der Einöde und Einfiedelei oder in der Gemeinſamkeit eines berufsgenoſſenſchaftlich angelegten und gegliederten Mönchsver⸗ bandes. Wie dieſe verſchiedenen Lebensformen, ziehen auch verſchiedene altchriſtliche bänder am beſenden vorüber: zuerſt und beſonders Ägypten, dann Syrien wie Rleinafien, Nordafrika wie die europäiſchen Mittel⸗ meerländer. Hier leuchtet früh vorab Gallien mit den hll. Martinus und Caefarius, mit Marmoutier, Cerinum und den uralten Juraklöftern an der franzöſiſch⸗helvetiſchen Grenze.
57
Diefes erfte Kapitel hält fi ganz im Zeitalter der Kirchenväter, annähernd im ſelben Rahmen wie Johann Adam Möhlers bleibend wertvolle Abhandlung „Geſchichte des Mönchtums in der Zeit feiner Entſtehung und erſten Ausbildung” (in: J. A. Möhler, Gefammelte Schriften und Auffäße, herausgegeben von 9. 9. J. Döllinger, 2. Bd., Regensburg, 1840, S. 165 - 225). Die klaſſiſche Arbeit iſt im vor⸗ liegenden Buche nicht mitverzeichnet. Sie gehört aber wohl immer noch zum Beſten und bichtvollſten, was es über den Gegenſtand zu leſen gibt. Nach der gedanklichen Seite hin vermag ſie trotz der ſchon weit zurückliegenden Abfaſſungszeit das entſprechende Kapitel Berlières aufs paſſendſte zu vertiefen und auszufüllen. Mit der ihm eignenden klaren Tiefe hat der große Däterkenner Möhler hier das Mönchtum zur Däterzeit und im Geiſte der Väter behandelt. Wie das erſte Kapitel in dem kleinen Werke des belgiſchen Mönches hat offenbar auch Möhlers Studie Sinn und Gepräge einer Einleitung in fernere Rusführungen. Der Marienberger Benediktiner Beda Weber konnte denn auch auf Grund vertrauten perſönlichen Umgangs mit Möhler mitteilen: „. >. er beſchäftigte ſich fortwährend mit der Jdee einer Geſchichte des Benediktinerordens, dem er beſonders zugetan war, und wollte in einem großen Oktavbande die unermeßlichen Wir⸗ kungen desſelben auf die Kultur des Abendlandes zeigen“ (B. Weber, Charakterbilder, Frankfurt a. M. 1853, 8. 7).
Der gleichen Aufgabe widmet ſich in gedrängterem Maßſtabe vom zweiten Vortrag oder Kapitel an Dom Berliere.
Beim zweiten Kapitel und damit beim hl. Benediktus angelangt, fühlt der Betrachtende einen bedeutfamen Fortſchritt und Wendepunkt in der Entwicklung des abendländiſchen gemeinſchaftlichen Mönchs⸗ lebens oder Coenobitentums. Es kommt reiche und feſte, römiſch⸗ geartete Oroͤnung in Gottesdienſt und Arbeit, feſtgelegte Familien⸗ und Ortsbeſtändigkeit. Sie drängen und führen faſt unwillkürlich zu einem gemeinſamen Reichtum von Beſtrebungen, Erfahrungen und Ergebniſſen innerlicher und äußerer Art. So entftehen Bedingungen und Unterlagen für eine ſteigende Kloſterkultur. Das Aufkeimen von Gelehrfamkeit und Kunſt befremdet dann nicht weiter. Es mag von außen, 3. B. vom großen Caſſiodor her, in den früheſten Benediktiner⸗ kreiſen Förderung empfangen haben, aber eigenen Boden und Sonnen⸗ ſchein hatte es wohl ſchon bei und unter ihnen ſelbſt gefunden.
Der Derfaffer überſchreibt das zweite Haupſtück mit: „Mönchs⸗ apoſtolat,“ denn er wendet ſich raſch zu einer Zeichnung der chriſt⸗ lichen Glaubensverkündigung durch Mönche in England und im ſtammverwandten Deutſchland, in Friesland und Skandinavien, bei den Slawen und Ungarn. Mit eigentümlicher Verehrung gedenkt man beim Anblick ſolcher alten Tatſachen unwillkürlich in der Stille eines neuzeitlichen benediktiniſchen Miſſtonsklöſterbundes auf baue⸗ riſchem Boden und auf Arbeitsfeldern im fernſten Oſten.
Eine den Inhalt dieſes Kapitels berührende wichtige Beobachtung feſſelt das Nachdenken im nächſtfolgenden (8. 87): „Der Anteil des Mönchsordens am [Wander-] Apoſtolat war weder allgemein noch ftändig. Abgeſehen von der römiſchen Sendung nach England [durch
58
den hl. Gregor d. Gr.], ſcheint das eine Beſonderheit angelſächſiſcher und keltiſcher Kloftergemeinden ſowie ihrer Gründungen auf dem Feſtland geweſen zu ſein. Die Mitarbeit dagegen an der allſeitigen Höherbildung war ebenſo allgemein wie dauernd und gewann gerade in dem Maße an Nachdruck als die Glaubenspredigt infolge der Aufnahme der germaniſchen und flawifchen Völker in den Schoß der Kirche nachließ.“
Ein zwar beinahe wortloſes, aber dennoch wahres und ungemein wirkfames Hpoſtelamt übten die Mönche regelmäßig und ftändig im filoſter ſelbſt. Bedeutſamer Weiſe ift das mehrfach gerade von Eng⸗ land herüber ſehr deutlich und ſtark betont worden. Kardinal Hidan Gasquet ſagt in feiner berühmten Einleitung zur engliſchen Über- ſetzung von Charles de Montalemberts „Mönchen des Abendlandes“: „Das kiloſter war die behrkanzel des Apoſtelmönches. Seine wirkende Kraft beruhte in der hauptſache nicht auf feinem Wort, ſondern auf dem Beifpiel feines monaſtiſchen Gebens. Hierin liegt das Geheimnis der Bekehrung der europäiſchen Dölker‘.” Und der verſtorbene, hoch⸗ angeſehene Benediktiner Biſchof Hedley von- Newport wagte das Wort: „Vielleicht je weniger der Mönch ſich Gedanken macht behufs der Bekehrung der Welt und je mehr er auf ſeine eigene Beſſerung ſinnt, deſto wahrſcheinlicher er ng Ausfiht auf die Bekehrung der Welt“ (bei Butler, a. a. O. 8. 3
Bei Betrachtung re Arten bildenden und fittigenden Wirkens in der Gefchichte der Kirche: einerfeits des bewußt unter⸗ nommenen und zielklar umſchriebenen, andererfeits des mehr natur⸗ haft hervorquellenden und verlaufenden, gewann der Oratorianer- Kardinal und außerordentlich feine Gefchichtskenner Newman eine ſehr beſtimmte Anſchauung betreffs des hl. Benediktus und ſeiner geiſtlichen Familie. „Er traf die Welt voller Ruinen in Natur und Geſellſchaft. Es war feine Sendung, die Welt wieder aufzurichten, ohne klares Wiſſen darum, ſondern auf den Wege natürlichen Wer⸗ dens, ohne den Vorſatz, das in Angriff zu nehmen, ohne eine Er- Klärung, ſolches in beſtimmter Zeit oder mit irgend einem ſeltenen Eigenmittel oder durch irgendwelche Reihen von kiraftanſtrengungen auszuführen. Er ſollte dies im Gegenteil ſo ruhig, ſo geduldig, ſo ſchrittweiſe vollbringen, daß man oft den Gang des Werkes nicht merkte, bis es vollendet daſtand. Es war eher ein Wiederaufbau, als eine Überprüfung, Derbefferung und Umwandlung. Die neue Welt, die er bilden half, war mehr gewachſen als gezimmert. Man beobachtete ſchweigende Männer in einer Umgegend oder entdeckte ſolche im Walde. Man ſah ſie graben, lichten, bauen. Und andere ſchweigende Männer, die man nicht einmal zu Geſicht bekam, ſaßen im kalten Kloſter. Sie müdeten ihre Augen ab und hielten ſich in gefpannter Aufmerkfamkeit beim Entziffern, Abſchreiben und Wieder⸗ abſchreiben der von ihnen geretteten handſchriften“ (Historical Sket⸗ ches. vol. II, London 1876, 8. 410).
Francesco Ridano Gasquet 0. S. B., N storico della costituzione mo- nastica; Roma 1896, 8. 6.
59
newmans Wort könnte die Brücke ſchlagen zwiſchen dem zweiten und dritten Kapitel Berlieres. Es ift der Mönchstätigkeit für An⸗ und Ausbau von Geſittung und Bildung, von höherer Wiſſenſchaft und reiner Runft, von Wirtſchaft und Gewerbe, von liebender Kranken⸗ und Armenpflege gewidmet. Eine ungemeine und auserleſene Fülle von Einzelheiten iſt hier zu einem ſtattlichen Moſaikbild verarbeitet. Sie machen dieſes Hauptſtück zum reichſten, farbenprächtigſten und ſpannendſten der ganzen Schrift. Zudem ift es durch die Berührung mit vielſeitiger Wiſſens⸗ und Aunftpflege in mittelalterlichen großen Abteien ſchon von vornherein der Anteilnahme weiteſter Gebildeten⸗ kreiſe ebenſo ſicher wie würdig. Die mitwandernde Hingabe jedes beſers findet ſich hier bald reichlich belohnt, beſonders auch durch den Blick auf die verſchiedenen Gattungen und Stufen des mittelalterlichen benediktiniſchen Unterrichtsweſens. All die vielen und zerſtreuten Einzeltatſachen ſprechen auch gemeinſame Worte. Eines wird vorab vernehmlich. Wenn der Müßiggang laut dem 48. Kapitel der Mönchs⸗ regel des hl. Benediktus ein Feind der Seele iſt, ſo hat ſich durchweg emſigfrommer Fleiß als Freund der Seele wie des Einzelmönches ſo des ganzen Rlofterheiligtums erwieſen.
Ein Hhauptmerkmal und =vorzug der Regel des hl. Benediktus iſt das in ihr beſtimmte Gleichgewicht von Gebet und Arbeit. Wenn der hl. Gregor d. Gr. (T 604) im zweiten Buch feiner Unterredungen (ap. 36) an der Benediktinerregel anerkennend ihre Maßhaltung hervorhebt, fo iſt damit gewiß die geſetzgeberiſche Derteilungskunft des Patriarchen von Montekaſſino mitbelobt, denn fie ift ein Kern- ſtück der „discretio“: der maßbeſtimmenden beitungs- und Entſchei⸗ dungsgabe. An ihr hängt viel Glück und Leben.
Dom Berlière weiht zwei Kapitel feines Buches, — das IV. und V. — Cluni. Das IV. ſchildert Cluni vorab nach ſeiner inneren Eigenart und Geſchichte, nach ſeiner Rolle im ganzen Verlauf der benediktiniſchen Debensentfaltung. Das V. betrachtet Cluni in feiner Wirkſamkeit über die Schranken von kloſter und Orden hinaus auf Kirche und Reich: die eigentliche Weltſtellung Clunis.
Ciuni erſcheint als ſehr groß in der Mönchsgeſchichte und als geiſteserneuernde Macht. Der hl. Gregor VII. (T 1085) darf nach vielen Seiten hin als ihre höchſte Derkörperung gelten. Cluni ftand im vorgerückten Mittelalter, im elften und zwölften Jahrhundert, als glänzendſte monaſtiſche Gemeinſchaft da. Pracht in Gottesdienft und Gotteshaus; eine glanzvolle Reihe heiliger Abte wie Odo, Maiolus, Odilo, Hugo, denen ſich der große gelehrte Petrus Mauritius Dene- rabilis anreiht; glanzvolle raſche Ausbreitung über das Abendland hin und bis ins paläſtinenſiſche Morgenland hinüber; zahl⸗ und ruhm⸗ reiche Erfolge in der Erneuerung klöſterlichen und kirchlichen Lebens, in der Stählung der Kämpfer gegen Übergriffe und ungebührlichen Einfluß weltlicher Machthaber auf die Kirchenverwaltung. Und bei der Betrachtung dieſer großen geſchichtlichen Ausftattung Clunis ge⸗ winnt man durchweg den Eindruck reinen und echten Glanzes, der das aufſteigende Gefühl der Bewunderung nicht niederhält.
60
Trotzdem bringt der kundige und ehrliche Führer durch Clunis ſtrahlende Geſchichte am Schluſſe des IV. Kapitels Bemerkungen über Gefahren in der Sonderart jener burgundiſchen Abtei und jenes Rlöfterbundes. Eine lag eben in der Derfchiebung des Gleichgewichtes von Gebet und Arbeit. Der Chordienſt ging daſelbſt ſehr erheblich über das Ausmaß der Regel des hl. Benediktus hinaus, und zwar ſtändig und alltäglich. Die „heilige Beſchwerde“ des um viele gemein- fame Nebenleiſtungen vermehrten Tag⸗ und Nachtgottesdienſtes ließ nur wenig kraft und Zeit für anderes übrig. Auch zwiſchen dem Haupt- und Stammkloſter Cluni und feinen hunderten von abhängigen Rlöftern beſtand nicht das benediktiniſche familienhafte Gleichgewicht. War in Cluni als Gipfel: und Mittelpunkt des cluniſiſchen Klöſter⸗ bundes ein Überſchuß von Macht und Ordnungsgewalt über die zu⸗ gehörigen Klöſter, fo fehlte dieſen etwas von überlieferter familien⸗ mäßiger Selbſtändigkeit. Solche Störungen des Gleichgewichts und Gleichmaßes trugen augenſcheinlich das meiſte bei zum raſchen, faſt plötzlichen Derblühen Clunis. Es hat aber noch lange nachgewirkt und wirkt noch immer nach, 3. B. im zartſinnigen Allerſeelenfeſt des zweiten November: weſentlich einem Erbſtück aus dem Gotteshauſe von Cluni aus den Tagen feines milden hl. Abtes Odilo (+ 1048), eines Hauptförderers des Gottesfriedens in fehdereicher Zeit. In Deutſchland wurde Cluni vor allem bedeutſam und mittelbar einfluß⸗ reich durch Hirfau und feinen weitreichenden Klöfterbund, dem im italieniſchen Süden der von La Cava entſprach.
neben Cluni leuchtet auf demſelben franzöſiſchen Boden im drei⸗ zehnten Jahrhundert eine andere Stammabtei: Cite aux, die Wiege der Ciftercienfer oder der „grauen Benediktiner“. Ihnen gilt das ſechſte und letzte Kapitel. Vielleicht bringt es unter ſämtlichen am meiſten eigentlich neue Auffchlüffe aus der Werkſtatt des gelehrten und glücklichen Forſchers von Maredſous. Schon vor zwanzig gahren hat er in der trefflichen Löwener Zeitfchrift für Kirchengeſchichte (1900 und 1901) über den Urſprung des benediktiniſchen Zweigordens der Ciftercienfer fruchtbar gehandelt. Sein Urſprung ſteht in nächſter, aber auch gegenſätzlicher Beziehung zu Cluni: im Gegenſatz nämlich zu deſſen von alter Überlieferung abweichenden Beſonderheiten. Es erweckt eine lebendige Dorftellung von der damaligen höhe und Reg: ſamkeit monaſtiſchen Denkens und Strebens, daß neben dem noch blühenden und bewunderten Cluni bei gleicher Grundlage und Regel Citeau aufkam und raſch groß werden konnte. Citeau drang ſeiner⸗ ſeits auf pünktliche Wahrung des Buchſtabens der Benediktus⸗Regel, auf Einfachheit im Gottesdienft und Gotteshaus, dabei aber auch auf echte und reine liturgiſche Textfaſſungen und Formen, auf Bußgeift und Abgeſchiedenheit, auf handarbeit und ärmere Lebenshaltung. Mit⸗ unter regt ſich die Ahnung, daß Citeaux nicht bloß auf den vielleicht ſtrenger als je zuvor aufgefaßten Wortlaut der Benediktus⸗Regel zurückgriff, ſondern in einigen Zügen ſogar ſtrenger vorbenedikti« niſcher Übung glich.
Umfo mehr nimmt es wunder, daß etwa innerhalb der vierzig
61
gahre nach 1118 Citeauz ſchon an die ſiebzig Alöfter unmittelbar oder mittelbar hatte gründen können (8. 246). Es zählte Abteien von Frankreich bis Irland, von Schweden bis Spanien, vom hohen deutſchen Norden bis nach Italien hinunter. Und der Klöfterbund von Citeauf wuchs immer mehr, wie vielleicht nicht einmal das ältere Cluni gewachſen war. Aber der Ausbreitung dieſer etwas herben Gebensorönung ging ein ſehr zarter und anmutiger Jug zur Seite. Außerordentlich viele Klöfter des „grauen Ordens“ benannten ſich nach der Gottesmutter und frommſinnig erwählten Schutzfrau Maria. Hiedurch wurde dieſer heilige Name im täglichen Leben des chriſtlichen Europa noch um vieles heimiſcher (vgl. P. Ceop. Jan auſchek, Ori⸗ ginum Cisterciensium t. I., Wien 1877, S. 361 f).
Nicht umſonſt war der gehörteſte Marienlehrer des Mittelalters ein Ciſtercienſermönch: der hl. Bernhard von Clairvaux. Durch ihn überſtrahlte dieſe Abtei an allgemeiner Berühmtheit noch das Mutterkloſter Citeaux. Er teilte mit feuriger Seele die Grundfäße [einer Mitbrüder über weltabgeſchiedenes Derborgenleben im Rlofter. Auf höheren und höchſten Ruf mußte er es aber perſönlich oft verlaſſen und mit einer Außentätigkeit und einer geradezu europäiſchen geiſtigen Führerſtellung vertauſchen, wie ſie wohl nie einem einfachen Mönche beſchieden geweſen war. Überall blieb der heilige ein Ciftercienfer- mönch. „Er verkündet das ciſtercienſiſche hochziel auf ſeinen Wande⸗ rungen durch Europa. Er will dem Rlofter Seelen gewinnen, fie hie⸗ durch Chriſtus ſchenken und in ihnen im Überfluß das beben kreiſen laſſen; er will fie mit der Liebe Chrifti entflammen und eingehen laſſen in den Anteil eines Glückes, das alles überragt, was die Erde an Freude und Befriedigung bieten kann“ (8. 244 f). Bei dem ciſter⸗ cienſiſchen Rirchenlehrer tritt eine. lohende Chriftusbegeifterung und Chriftusmyftik zutage, die an die Briefe des hl. Ignatius von Antio⸗ chien (T um 117) zurückerinnert und ſpäter um 1300 auf deutſchem Boden bei der hl. Gertrudis und Mechtildis von Helfta fo vernehm⸗ lich widerhallt. Das entſprach alles ſehr der Doppelmahnung der Regel des hl. Benediktus: Chriſtus und der Liebe Chrifti nichts voran⸗ zuſtellen (Rap. 4 und 72). Ein bedeutender Teil des deutſchen Nordens verdankt gerade den Ciſtercienſern mit der Bodenbebauung und Wohl⸗ fahrtspflege chriſtliche Wahrheit und Sittigung.
neben Cluni und Citeaux leuchtete im XI. und XII. Jahrhundert die junge Abtei Ge Bec in der Normandie in befchränkterem, aber auch milderem Glanze. In Citeauz und Cluni gab es wenig Raum und Gelegenheit für eigentliche Pflege der Wiſſenſchaften und für Schule. Anders in be Bec. Vor dem Auftauchen der öffentlichen Hochſchulen, der Univerfitäten, mit denen nach den benediktiniſchen gahrhunderten eine neue Zeit im abendländiſchen Unterrichtsweſen anhob, wird es kaum eine ähnlich hochgerichtete monaſtiſche behr⸗ ſtätte gegeben haben wie die von Le Bec. Hier war offener Raum nicht nur für die „freien Künſte“, für gelehrtes Schrift: und Däter- ſtudium, ſondern auch für perſönliche hohe und kühne Denkerfragen auf dem Grund von Vernunft und Offenbarung. Waren Cluni und
62
Citeauz groß und mächtig durch ihre außerordentlich zahlreichen Kloſter⸗ gründungen, fo nannte Le Bec unter den damaligen Zierden kirch⸗
licher Wiſſenſchaft viele als ſeine ehemaligen Schüler und als ſeine
dauernden Freunde. Man erſieht das unmittelbar aus ihren gelegent⸗ lichen Selbſtbekenntniſſen, z. B. des Abtes Guibert von Nogent (T 1124), Schrifterklärers und für ſeine Zeit kritiſch ungewöhnlich hervorragen⸗ den Geſchichtſchreibers, und mittelbar aus dem umfaſſenden Briefſchatze des hl. Anſelm (T 1109). Er ift fo recht im ſtillen Kloſter Bec zum Vater der älteren freien Form beſchaulicher und hochgeſtimmter Scho⸗ laſtik geworden, die in der großen theologiſchen Summe des biſchöf⸗ lichen Mitbruders von Dom Berliere, Caurentius Janſſens, ſtändig aufs verdienſtlichſte zu Worte kommt. Da kann es vielleicht etwas überraſchen, daß der benediktiniſche geiſtige Brennpunkt der Nor⸗ mandie nicht bloß im Vortrage, ſondern auch im vorliegenden Buche nur fo kurz geſtreift wurde. Er hat wohl zudem die weitere Bedeutung eines Wendepunktes an der Grenzſcheide der „benediktiniſchen gahr⸗ hunderte“ und eines Dorbildes für gotteswiſſenſchaftliche Mönchs⸗ bildung der Folgezeit‘.
Die erfte Auflage hatte der Verfaſſer zartſinnig in einer ſchönen lateiniſchen Inſchrift dem inzwiſchen heimgegangenen Erzabte Adefons Schober, einem warmen Freunde ordensgeſchichtlicher Studien, zum fünfzigften Gedenktag der Gründung der Abtei Beuron gewidmet. Die zweite Auflage eröffnet würdig und ſinnvoll eine Sammlung ge⸗ planter kleinerer Werke über geiſtliches beben und Mönchsgeſchichte. Schon winken in der Doranzeige u. a. auch zwei Bände über die hl. Gertrudis: über ihr Innenleben und ihr muſtiſch mitgelebtes Kirchen⸗ jahr. Die Sammlung trägt den erquickenden Namen PAX&, und konnte gerade im dreihundertſten Gedenkjahre der Beſtätigung des Mauriner⸗Kloſterbundes von 1621 auftreten, dem auch das geiftliche beben und Schrifttum gar manches verdankt. Die Anfänge der ver⸗ ſprechenden Sammlung erinnern angenehm an die ernſte und friedſame Maurinerart zurück. Viel tut dabei ein zeitgenöſſiſches Namenpaar.
Dem Buche Dom Ursmer Berlières reihte ſich bald eines von Dom Germain Morin an über das Mönchsideal in ſeinem Verhältnis zum urkirchlichen Leben: die neueſte, dritte Auflage von „L’ideal monastique et la vie hretienne des premiers jours“. Dieſes gediegene, lichtvolle und feine kleine Buch wird auch immer eine Perle der Par⸗ Sammlung bleiben. Dom Berlieres und Dom Morins Gabe ſtehen gut beiſammen und ergänzen ſich trefflich. Der berühmte Kenner der Däterzeit und unvergleichliche mitlebende Entdecker lateiniſcher Däterfchriften zeichnet vorab Ziel und Weg, Lebensgehalt und Gebens- form, fomit das innere Weſen des Mönchtums. Dom Berliere dagegen
1 Über die einſchneidende geiſtes⸗ und bildungsgeſchichtliche Bedeutung der Ab- tei Bec vgl. u. a.: . Histoire de l'abbauye du Bec, I (Eoreug, 1901), bel. Rap. IV und VII über die dortige Kloſterſchule unter Ganfranc und Anfelm. — m. Srabmann, Die Gefchichte der ſcholaſtiſchen Methode, 1. Bd. (Freiburg, Herder 1909), 8. 225 ff. und 258 ff. — Ein Reife- und Stimmungsbild von Le Bec-Bellouin in den hiſtoriſch⸗politiſch. Blättern, Bd. 140 (1907), 8. 135 — 143.
63
unterrichtet hauptſächlich über die geſchichtliche Ausgeftaltung und Wirkſamkeit des Mönchsgedankens im Wandel der berückſichtigten Jahrhunderte. Mit dieſen zwei kleinen neuen Büchern läßt ſich mit geiſtigem Genuß ein wertvolles Stück wahrer kenntnis der großen religiöfen Erſcheinung des chriſtlichen Mönchtums gewinnen: ſie ver⸗ mögen der Erkenntnisluſt und der Erkenntnispflicht ohne viel Zeit⸗ aufwand ernſtlich zu dienen. .
Gar manchen käme vermutlich eine deutſche Überfegung der beiden Schriften ſehr erwünſcht'. Sie dürfen ja überall auftreten und lehren. Unwillkürlich und ungeſucht belegen und künden ſie viel von dem, was eine kloſtergeſchichtlich denkwürdige Rirchenverfammlung von Autun in dunkler Merowingerzeit zwiſchen den Jahren 663 und 680 unter dem großen hl. Mönchsbiſchof Leudegar bezüglich der Mönche mahnte und erwartete. „Sie ſollen in allweg erfüllen und halten, was die kirchliche Rechtsordnung und die Regel des hl. Benediktus lehrt. Wenn das alles . .. ſatzungsgemäß gewahrt wird, dürfte ſich mit Gottes Huld die Zahl der Mönche mehren und durch ihr Gebet die ganze Welt aller böſen Anſteckungen ledig ſein. Sar alle Mönche ſollen gehorſam fein, den Schmuck der Genügſamkeit beſitzen, Eifer im Gottesdienfte haben, inſtändig dem Gebet obliegen, in der Liebe beharren, damit ſie niemals wegen Ungehorſam und Saumſeligkeit zur Speiſe werden dem umherſchleichenden und brüllenden Feinde, der da ſucht, wen er verſchlinge. Sie ſollen eines herzens ſein und einer Seele. einer ſoll etwas fein Eigentum heißen; alles ſei allen gemeinfam; für die Semeinfchaft ſollen ſie arbeiten; fie ſeien durch⸗ aus Hüter der Gaſtfreundſchaft“ (ſ. Monumenta Germaniae hist., Concilia I, ed. Maaſſen [1893], 8. 221, XV).
Wenn das ſehnſüchtige Wandern neuer Völker und Zeiten nach mehr bicht, Güte und Schönheit ging, fo ſcheinen die Wanderer das betende und arbeitende Mönchtum der Weltkirche ſtets wegkundig und wegfertig gefunden zu haben. Mit dieſem Gefühl und dieſer Überzeugung ſcheidet man dankbar aus den Führungsſtunden von Dom Ursmer Berlière. Sein gehobenes Scheidewort ſagt: Die alte Regel des hl. Benedikt bewahrt einen fruchtbaren Triebſaft. Er hört nicht auf, den altehrwürdigen Baum des monaſtiſchen Ordens zu nähren, deſſen Wurzeln in apoſtoliſchen Grund und Boden eingeſenkt liegen. Aus jenem Lebensfafte quillt das Ergrünen des Ordens durch vierzehn Jahrhunderte, die Mehrung feiner Äfte und Ableger, das unverfiegte Treiben von Blüten und Früchten an ihnen zur Verherr⸗ lichung Gottes und zum Wohl des chriſtlichen Gemeinweſens (8. 272).
1 Eben kann der neugegründete katholiſche Theatinerverlag zu München das baldige Erſcheinen der von Frau Priorin Benedicta v. Spiegel C0. 8. B. gefertigten und lange erwarteten Übertragung dieſer Schrift Morins anzeigen. Sie führt im Deutſchen den Titel: Urchriſtentum und Rönchtum. Das (7.) Kapitel vom liturgiſchen Sebet war zum voraus in der Bened. Monatſchr. II. Jahrg., 1920, 8. 16 — 24 geboten werden.
* K
64 Rleine Beiträge und Hinweiſe Ehrung des hl. Hieronymus
im früheften bekannten Martyrologium Spaniens.
er zweite Band und Jahrgang dieſer Zeitſchrift (1920) verſuchte 8. 372 ff. Aufe kommen und Ausbreitung der Ehrung des Kirchenlehrers von Bethlehem in
den abendländiſchen und vorab monaſtiſchen Marturologien in etwa zu zeichnen. Dabei zeigte ſich in Italien wie diesſeits der Alpen und im britiſchen Inſelreich ein frühzeitiges und immer mehr ſchwellendes Erblühen dieſer Art liturgiſcher Derehrung des Vaters der langſam und fill obſiegenden Bulgata. Anbei kann der ſuchende Schreiber nunmehr ein verläffiges und einſchlägiges Jeugnis für Spanien nachtragen. Dr. Heribert Plenkers hat feinen bedeutſamen „Unterſuchungen zur Überlieferungs⸗ geſchichte der älteſten lateiniſchen Mönchsregeln“ (München 1906) als dritten Anhang eine mit gewohnter Sorgfalt gefertigte Ausgabe des Kurzmarturologiums in einer Handſchrift des Escoriäl (I— III — 13) beigefügt (8. 85 — 100). Die paar unanſehnlichen Blätter mit weſtgotiſcher Schrift ſind ſehr koſtbar. Sie bieten nämlich nach dem Urteile des Herausgebers und der beipflichtenden Hußerung des verſtorbenen Bollan⸗ diſten Albert Poncelet (Analecta Bollandiana, Bd. 26, 1907, 8. 455) nichts geringeres als das ältefte bekannte Martyrologium Spaniens. Die Niederſchrift ſtammt ſpäte⸗ ſtens aus der erſten Hälfte des neunten Jahrhunderts, vielleicht aus dem Ende des achten. Sie war deutlich zu liturgiſchem Sebrauche angelegt und beſtimmt. Das erhellt beſonders auch aus dem öfters erſcheinenden Anfangswort der ſtändigen Schlußformel der Martyrologienlefung (vgl. a. a. O. 8. 90).
dum 30. September nun wird hier der hl. Hieronymus und zwar ausſchließlich genannt: „In bethelem iuda depositio sancti ieronimi: Zu Bethlehem in Juda Beſtattung des hl. Hieronymus“ (a. a. 0. 8. 97, 13).
Am gleichen Tage findet ſich Uame und Todesgedächtnis des Heiligen vom zehnten Jahrhundert ab in einer Reihe von Feftkalendarien der altehrwürdigen einheimiſchen (mozarabiſchen) Liturgie Spaniens. 80 3. B. in dem zeitlich genau beſtimmbaren Kalender vom Jahre 961 aus Corduba. Dagegen bringt merkwürdiger⸗ weiſe ein mozarabiſches Meß- und Stundengebetbuch aus der berühmten und 1880 wieder neubefiedelten Abtei des hl. Dominikus (+ 1073) von Silos die reichen eigenen Feſttexte für den hl. Hieronymus zwiſchen dem 13. und 16. Juni. Dieſe Feſtausſtattung ſteht allein und einzig da. Sie zeugt demnach für ungemeine und warme gottesdienſtliche Ehrung des heiligen Mönches und Kirchenlehrers von Beth⸗ lehem in jenem Raftilianifhen Klofter um das Jahr 1000. Die Tatſache ſticht um fo mehr hervor, als die mozarabiſche Liturgie den Bekennerfeſten neben denen des Herrn und feiner heiligen Blutzeugen nicht leicht und nur ſparſam Raum zu ge⸗ währen pflegte. Siehe Dom Marius Ferotin, be biber Mozarabicus Sacramen- torum, etc., Paris 1912, 8. XIV, Anm. 1, 8. XLIII, 8. LI, Sp. 562 - 566; Sp. 820 f.
Schon zu feinen Pebzeiten war dem hl. Hieronymus (T 420) von Spanien her eine außergewöhnliche Ehrung anderer Art widerfahren. Der ebenſo reiche wie hochgebildete, fromme und wohltätige Laie Gucinius (+ 398 /9) hat aus feiner ſchönen ſonnigen heimat Andaluſten ſechs Landsleute zum Heiligen nach dem fernen Bethlehem entſandt und ſie als Abſchreiber aller bis dahin entſtanden geweſenen Werke des bewunderten Gelehrten gedungen. Er wurde fein ungeſehener aber glühend geliebter Freund (vgl. den 71. und 75. Brief der Briefſammlung des hl. Hieronymus, 3. B. bei Migne, Patrologia latina, 22. Bö., Paris 1877, Sp. 668 - 672 und Sp. 685 — 689).
P. Anſelm Manfer (Beuron).
65
Rirchenväterlefung am Gumnaſium von Difentis.
er „40. Jahresbericht der Gehr- und Erziehungsanſtalt des Benediktinerftiftes
Diſentis“ (Chur 1921) bringt unter den Mitteilungen über die Gehrgegen- ftände eine ſehr erfreuende und beachtenswerte, wenn auch unſcheinbare Angabe über Rirchenväterleſung in den beiden oberſten Klaſſen.
Mit glücklichem Griff wurden aus dem Schatz des griechiſchen Däterſchrifttums ausgewählt: Die (größere) ſo warme und ergreifende, einzelne Seiten des altchriſt⸗ lichen bebens anſchaulich ſchildernde „Slaubens verteidigung“ des heiligen Weltweiſen und Blutzeugen Juſtinus von Rom aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts. hieraus kamen Kap. 65—67 zur Derwendung mit ihrer uralten aber unverwüſt⸗ lichen Jeichnung der frühchriſtlichen Meß⸗ und Sonntagsfeier. Aufs paffenöfte ver⸗ band ſich damit die beſung der klaren und herzlichen, lebensvollen und jugend⸗ friſchen Unterweiſungen des hl. Biſchofs Cyrillus von Jeruſalem, die etwa um die Mitte des vierten Jahrhunderts an Ueugetaufte gehalten wurden. Dieſe Reden für die Oſterwoche unterrichten über die eben empfangenen hll. Sakramente der Taufe, der Firmung und des Altars ſowie gleich vortrefflich über das Daterunfer. Lichtvoll und anziehend wird gerade auch die ſinnbildliche Seite ſo mancher Gebräuche her⸗ vorgehoben und dem jugendlichen Gemüte vielleicht auf immer vertraut gemacht. Es wird ihm hier u. a., den Grundzügen nach, der Gang des hHochamtes in der heiligen Stadt vor anderthalb Jahrtauſenden vorgeführt. Als Textbuch diente die wohl⸗ bereitete Husgabe Gerhard Rauſchens (+ 1917) im fiebten Bändchen feines „Florile⸗ gium patristicum“ aus dem Verlag von Peter Hanftein in Bonn.
Dom hl. Johannes Chryfoftomus (+ 407), dem König der frühkirchlichen Meifter der Predigt, wurde eine der gründlich belehrenden Lobreden auf die heiligen Märtyrer und eine der geiſtlichen „Anſprachen nach einem Eroͤbeben“ durchgenommen. Don dieſem Kirchenlehrer verſichert einer der führenden Altertumskenner der Gegen⸗ wart, Ulrich von Wilamowiß-Moellendorff in Berlin: „Alle Hellenen ſeines Jahrhunderts, mögen fie auch noch fo überzeugte Anhänger der platonifchen Aka- demie fein und auf Platons Stuhle ſitzen, ſind barbariſche Stümper gegen dieſen ſuriſchen Chriſten, der es noch in höherem Grade als Arifteides! verdient, mit Demoſthenes ſtiliſtiſch verglichen zu werden“ (Die griechiſche Literatur und Sprache: in der „Kultur der Gegenwart“, I, VIII, 3. Aufl. 1912, 8. 296). Und wenige Sätze weiter heißt der hl. Biſchof hier ein Klaffiker.
Aus dem Bereiche der lateiniſchen Däter wurden Briefe des hl. Blutzeugen Cuprian von Karthago (+ 258) ausgewählt, d. h. Stücke aus der koſtbarſten Briefſammlung, die uns aus der Zeit vor der erſten allgemeinen Kirchenverſammlung von Nicäa (325) überliefert iſt. Dieſe Briefe find mit ihrer ernften, ſchönen und wohllautenden Sprache zum großen Teile zugleich reine Quellen für die Kenntnis der blutigen Derfolgungs⸗ und heldenzeit der jungen chriſtlichen Kirche im Umkreiſe des römiſchen Staates mit feinem Dielgötterglauben. Der Diſentiſer Schulbericht verzeichnet die Lefung von Ciceros Buch „Uber die Natur der Götter“, das durch die Beziehung auf Cuprian ein befonderes Licht gewinnen mochte. Solche Derbin«- dungen können früh Anteilnahme an der vergleichenden Religionskunde wecken.
Über das vereinte Studium der chriſtlichen wie außerchriſtlichen altſprach⸗ lichen Klaſſiker werden wohl immer die beitſätze des hervorragenden Däterkenners und nunmehrigen Bonner hHochſchullehrers Dr. Albert Ehrhard gelten: „Es erſcheinz uns als ein unhaltbarer Zuftand, daß die ſtudierende Jugend an unferen Symnafien mit der altchriſtlichen Giteratur nicht bekannt wird. Um einer Entftellung unſerer Gedanken vorzubeugen, ſei ausdrücklich bemerkt, daß wir die klaſſiſche Giteratur der Griechen und Römer als die notwendige Grundlage der humaniſtiſchen Studien betrachten. Die Geiſtesarbeit dieſer Völker, denen die Vorſehung eine ſo
1 Berühmter ſprachreiner kleinaſtatiſcher Redner u. klaſſiker aus dem 2. Jahrh. n. Chr., geft. gegen 190.
Benediktiniſche Monatfchrift IV (1922), 1—2. 8
66
hervorragende Rolle in der Vorbereitung des Menſchengeſchlechtes auf das Chriſten⸗ tum zuwies, könnte nur zum empfindlichſten Schaden der chriſtlichen Bildung ſelbſt in den hintergrund gedrängt werden. Wir ftellen uns alſo nicht auf den Stand⸗ punkt, den der Schlachtruf in einem berühmten Kampfe früherer Jahre kennzeichnete: hie Klaſſiker! hie Kirchenväter! heidniſche und chriſtliche Klaſſiker, das ſollte das Lofungswort unſerer Gymnafialbilöung fein. Für die völlige Ignorierung der Schrift» ſteller des chriſtlichen Altertums iſt auch gar kein ſachlicher Grund zu erfehen. Faßt man die rein formelle, ſprachliche und ſtiliſtiſche Seite ins Auge, fo brauchen manche Denkmäler der älteften chriſtlichen Giteratur den Vergleich mit der Graecität und Gatinität des ſilbernen Zeitalters nicht zu fürchten. Das wird von philologiſchen Größen unumwunden anerkannt.. Wir dürfen aber auch die Forderung ſtellen, daß unfere gebildeten Kreiſe von Jugend auf mit dem literariſchen Ausdruck der hohen chriſtlichen Gedanken, den dieſe in der erften Blüte der chriſtlichen Bildung gefunden, vertraut werden.” (Die altchriſtliche biteratur und ihre Erforſchung ſeit 1880, Freiburg i. Br. 1894, 8. 228 f.) B. Anfelm Manfer (Beuron).
Der hl. Franz v. Sales ein Freund und Förderer der Anatomie 2
an kann manchmal die Anſicht vertreten hören, ein Biſchof und Gehrer der
Kirche, ein Heiliger: Franz von Sales habe ſich nicht geſcheut, feinen Leib teſtamentariſch einer mediziniſchen Fakultät zu überlaſſen. Es werden dann wohl gelegentlich weitergehende Folgerungen daran geknüpft, und man behauptet, daß angeſichts eines ſolchen Jeugniſſes doch wirklich alle Bedenken verſtummen müßten, die etwa aus natürlichem Jartgefühl oder chriſtlich⸗pietätvoller Achtung vor der erıt- ſeelten hülle des Entſchlafenen entſtehen könnten.
Nun ift es ja klar, daß Juſtiz und Medizin grundſätzlich der Anatomie nicht entbehren können. Die Art und Weiſe aber wie der hl. Franz von Sales als Jeuge oft aufgeführt wird, verdient eine hiſtoriſche Richtigftellung. In ihrer Jeugenaus⸗ ſage von 1627 berichtet die hl. Johanna Franziska v. Chantal kurz und klar, was fie hierüber aus dem Munde des Heiligen ſelber vernommen hat. Sie ſagt alſo: „Er ſagte mir ferner, er ſei zu Padua fehr ſchwer Krank geweſen .. Da ſein behrer der beſagte Herr [Abbe] Deage nicht anders glaubte, als er müßte ſterben, frug er ihn, wo er begraben fein wollte. Der Selige antwortete, man ſolle feinen Geib den Ärzten für die Anatomie geben, damit, wie er beifügte, wenn ich den Menſchen während meines Lebens nichts genützt habe, ihnen wenigſtens mein Geib nach meinem Tode einigen Nutzen bringe, indem ich Jo die Zänkereien verhindere, die gewöhnlich ſtattfinden, um einen beichnam zu erhalten“ („Geben u. Tugenden des hl. Fr. v. 8. nach den gerichtl. Jeugenausſagen der hl. Fr. v. Ch.“ Amberg 1876, U. 4, 8. 7).
Aus dieſem Zeugnis der hl. Johanna Franziska, dem weitere zeitgenöſſtſche deugniffe beſtätigend zur Seite treten, geht nun mit Deutlichkeit hervor, daß nicht der Biſchof, oder gar der Kirchenlehrer oder der Heilige auf der höhe feiner Entwick⸗ lung dieſe Verfügung getroffen hat, ſondern der Student zu Padua. Ebenſo erſcheint als Motiv der eölen, bei feinem adeligen Stand doppelt beachtenswerten Tat zunächſt nur die Liebe, die im Tode noch nützen möchte, falls fie es im Leben noch nicht getan. Daß er ſeinen Schritt ſpäter förmlich mißbilligt hätte, iſt nicht anzunehmen; die hl. Seugin hätte dies ſonſt ſicher geſagt. Ob er ihn aber damals nicht vielleicht als bloßen Jugendſchritt bewertet hat? Jedenfalls hat er im Alter, wo er es als Biſchof freilich kaum mehr konnte, eine ähnliche Beſtimmung nicht mehr getroffen.
So gut, ja notwendig für Rechtspflege und Heilkunde die Anatomie ſomit iſt, ſo geht es doch zu weit, wollte man behaupten, in Franz von Sales habe ein Biſchof, Rirchenlehrer und heiliger ſich als Freund und Förderer der Anatomie erwieſen. — Weitere Jeugenausſagen bei Hamon, Die de 8. Francois d. 8. nouv. &. t. I. (Paris 1917) 85 f. P. Hildebrand Bihlmeyer (Beuron).
P ˙ .
67
Bücherfchau
Die hl. Schriften des Neuen Bundes. Aus dem Urtext überſ. mit Erläuterungen u. einer Einführung v. Dr. Uivard Schlögl O. Cist. gr. 8° (428 8.) Wien 1920, Burg- verlag: Richter & Zöllner. Geb. R. 33.—
Wie ich daran ging, Schlögls Heues Teſtament zu beſprechen, Ram mir gerade eine Reihe von Druckbogen meiner dem- nächſt erſcheinenden Uberfegung der grie⸗ chiſchen Evangelien zu. Ich habe mich der Mühe unterzogen, fie mit Schlögls Über⸗ tragung zu vergleichen, und damit, weil mir der Urtert ſtets vorſchwebte oder nötigenfalls eingeſehen wurde, eine ein⸗ gehende Vergleichung Schlögls mit dem griechiſchen Original vorgenommen. Der Hotamina, die ich mir dabei in Schlögls Überſetzung machte, ſind überviele ge⸗ worden, und wenn ich darauf zurückſehe, kann ich nicht anders als das Buch ab- lehnen. Ein fo großer Gelehrter auf dem Gebiete der altteſtamentlichen Ezgegefe kann gewiß mit Recht beanſpruchen, daß er gehört werde, wenn er ſich daranmacht, das Ueue Teſtament zu überſetzen. Er gibt auch der Anregungen eine große Fülle, im Text wie in den Anmerkungen, aber ebenſo oft auch Grund zu Widerſpruch. An Anfechtungen hat es demnach nicht fehlen können. Schlögl hat ihnen in feinem Uachwort das trotzig⸗ſtolze Wort entgegen gehalten, daß er „die erſte richtige und erſte deutſche Überſetzung der Hl. Schriften des Ueuen Bundes“ biete. Wir nehmen gerne an, daß darin nicht eine Derkennung fremder und eine übergroße Einſchätzung eigener Arbeit liegen will, daß Schlögl vielmehr, als er das ſchrieb, nur an jene Stellen dachte, die er erſtmalig richtig überſetzt zu haben vermeint, ſowie an fein grundſätzliches Jurückgehen auf die Fhebräiſche“ Urform neuteſtamentlicher Wörter und Worte. Immerhin muß ſich aber ein Überſetzer, der ſo von ſeinem Werke ſpricht, auch gefallen laſſen, daß ihm ſtreng auf etwaige Fehler geſehen werde. Und Anlaß dazu iſt allenthalben gegeben. Es wird genügen, auf einiges hinzuweiſen.
Segen die Textkritik Schlögls läßt ſich viel einwenden. So gilt ihm IIR. 2,26 „zu Ebjatar, dem hohenprieſter“ als un⸗ richtiger einſchub; mehr als ein Hinweis auf das erſte Buch Samuel wird dazu nicht bemerkt. IIR. 13,32 iſt geftriden, „noch der Sohn“ wiſſe von jenem Tage, das bei Mt. und auch bei IR. in manchen Texten fehle; denn „als Gottes ſohn eins mit dem Vater mußte geſus davon wilfen“. Wenn man ſo zu Werk ginge, würden ſich mit leichteſter Mühe alle Schwierig» keiten des heiligen Textes beheben laſſen. Ein anderes Beiſpiel gibt der Anfang des 13. Kapitels bei Johannes, dem Schlögl in keiner Weiſe gerecht wird. Der Ein⸗ leitungsſatz zum beiden Chriſti ſoll alſo lauten: „Da geſus vor dem Oſtertage wußte, daß feine Schickſalsſtunde nahe ſei, in der er aus der Welt zum Vater hinübergehen ſollte, und da er die Seinen in der Welt unendlich liebte, ſo weihte er fie.” Wenn aber die Überlieferung nicht geändert würde, dann müßte, wie die Anmerkung belehrt, überſetzt werden: „er erteilte ihnen das biebes mahl“. Dieſes Vorgehen erinnert nur zu ſehr an die Art Belſers, in die Worte alle möglichen Geheimniffe hineinzuleſen. Wie ſchlicht und groß klingt doch der Satz, wenn man ſich endlich dazu verſteht, ihn nicht als Einleitung bloß zum Abendmahl, ſondern zum zweiten Teil des Evange⸗ liums zu nehmen! Beim Engelsgruß hätten wir „du glücklichſtes Weib“ am liebſten ganz vermißt. Joh. 6,69, alſo lange vor der Szene bei Cäſarea Phi- lippi, leſen wir das ganz unmöglide: „Wir glauben und wiſſen, daß du der Chriftus, d. i. der Gottes ſohn bift.“ Über⸗ haupt ſcheint es, eine beſeart habe um fo ſicherer auf Aufnahme rechnen können, je mehr fie vom gewöhnlichen Tezt ab⸗ weicht. Wären die abſonderlichen Gefe- arten im Kommentar immer wie Mk. 7,2 vermerkt, gäbe das einen großen Apparat. Das Schlimmſte ſteht in der Bemerkung zu Mt. 1,16, die Kirche habe den Text geändert, weil er irreführend überſetzt
5*
68
worden ſei! Die altteſtamentlichen Zitate haben zwar an ſich mit der Textkritik nichts zu tun; wohl aber bei Schlögl, der mit unglaublichen Wagemut das Zitat der Urſtelle angleicht, erweitert, in Worte des Evangeliften umwandelt und doͤgl. mehr.
Viel tut ſich Schlögl darauf zugute, daß er manche Wörter, aufs Hebräiſche zurück⸗ gehend, zum erſten Mal richtig überſetzt habe. Nur auf zwei Fälle ſoll eingegangen werden. Don Brüdern geſu zu reden wäre nach dem Nachwort Gottesläfterung. Das iſt mir unverſtändlich; doch möge Schlögl, ſtatt zu den Brüdern eine kurze Anmerkung zu geben, von Vettern geſu reden. Aber es iſt, als ob Bruder im weiteren Sinn überhaupt zu meiden fei. So ſteht Mt. 5,22 dafür einmal Mitmenſch und einmal Nächſter, 5,47 Volksgenoſſe und Mt. 23,8 ſagt der Heiland gar: „Ihr alle ſeid gleichberechtigte Amtsbrüder.“ Eingreifender iſt, wenn für das übliche Segnen und Danken bei der Brotver⸗ mehrung und beim letzten Abendmahl Vermehren und Verwandeln geſetzt iſt. Wie kann aber dasſelbe Wort GR. 22,17 „nach Verrichtung des Tiſchgebetes“ und OR. 22,19 „verwandelte es“ heißen? Und warum hat Schlögl PR. 22,17 von einem lielche geſprochen, an allen anderen Stellen aber, wenn wir vom „Meßkelch“ 1 Kor. 10, 16 abſehen, ftatt des Kelches Wein ein⸗ geſetzt? Eine ganze Entgleiſung ift die An⸗ merkung zu It. 14,12; wer Guft hat, leſe fie nach. Soviel ift aber ſicher: eine Uber⸗ ſetzung: „. .. vermehrte fie. Dann brach er die Brote” ift unmöglich; denn die Ver⸗ mehrung erfolgte erſt nach dem Brechen und das Wunderwirken dauerte ſo lange fort, als die Jünger von den Broten und Fiſchen austeilten.
Hebraiſterend iſt die Wiedergabe fo mancher Eigennamen wie Jirmeja und Rajapha, die durch Jeremias und Kaiphas in den Anmerkungen erklärt werden. Solcher Manier hat Schlögl ſelbſt das Urteil geſprochen, da er Namen wie Meſ⸗ ſias, Chriſtus, Johannes, Maria, Jeſus nicht zu ändern wagt. Was tun in einer deutſchen Überſetzung „Sebedäiden“ (Mt. 22, 20) ſtatt der „Söhne des Jebedäus“ (MR. 10, 35), was eine regelmäßige Trans ſkribierung des Hofanna (Jo. 12, 13)?
Schlimmer ift, wenn der Text III. 16, 17 beſagt: „Sohn des Johannes“ und die Anmerkung richtigſtellt: „Griech.: Jonas (verkürzt aus gohannes).“ Dürfen wir die Dollform einſetzen, wenn Jeſus das abkürzende Barjona gebraucht hat? Doch genug davon; wozu all die Eigen- heiten aufführen, die freilich oft bedenklich genug find! Es finden ſich ſonſt Über⸗ ſetzungsfehler und Ungenauigkeit in Menge. Mt. 8, 4 iſt von der Gabe die Rede, die Moſes geſetzlich vorgeſchrieben hat; Mk. 1,44 heißt es dafür: „wie es Moſes vorge⸗ ſchrieben hat, ihnen zum Jeugnis.“ Eine der Überſetzungen iſt falſch. Ahnlich könnte man mit den Parallelſtellen ver⸗ gleichen 3. B. Mt. 12, 29; 13,6; 15,9; Mk. 2, 10. Daß „ein Böſewicht“ und „der Feind“ (Ii. 13, 28 u. 39) dasfelbe befagen, läßt ſich gewiß nicht behaupten. Wenn Mt. 13, 18 ſtatt des Imperativs ſteht: „Ihr habt gehört“, ift das nur ein Der- ſehen, das freilich ſehr ſtört. Joſef „nahm ſein Weib zu ſich, obgleich er ihr nie bei⸗ wohnte“ findet ſich nicht Mt. 1, 24, und darüber hilft keine Gelehrfamkeit hinweg. Wie matt und falſch ſchließt doch die Bergpredigt: „Fällt ein Regen oder ſtür⸗ men die Fluten heran oder brauſen die Winde und ſtoßen gegen ein ſolches Haus,
ſo ſtürzt es ein!“ Schlögl hat ſich oft vom
Satzgefüge des Urtextes freigemacht, wie oft aber das Verhältnis der Gedanken verkehrt gegeben! Ebenſo willkürlich find mitunter die Uberleitungen. Bei Matthäus heißt es da: „Als geſus dann in das Gebiet von Cäſarea Philippi Ram”, bei Markus noch deutlicher: „Don dort begab fih Jeſus in die Ortſchaften bei Cãſarea Philippi“. Iſt es denn ſicher, daß die Cäfareafzene unmittelbar auf das Oetzt⸗ erzählte folgte? Was ſoll man ſagen, wenn Mt. 13, 1, wo wir überſetzen „an jenem Tage“, dafür „einſt“ zu leſen iſt, umge» kehrt aber Pk. 8, 1 ſtatt „in der Folge⸗ zeit“ geſetzt ift „am folgenden Tage“, das ſchon mit dem Inhalt des Folgenden in grellem Widerſpruch ſteht. Wie Schlögl Mt. 27, 50 zu der Überſetzung kommt: „dann entwich ſeine Seele“, iſt mir ein Rätfel. Überfegungen wie: „Unfer Dater, der im himmel du thronft, deine Hoheit werde heilig gehalten“ oder: „Der Weiber
Slücklichftes biſt du, gepriefen ſei die Frucht deines Geibes” zeigen, daß die Überſetzung fürs Volk wahrlich nicht geeignet iſt. Bei einer anderen Stelle (Jo. 6, 63), wo es heißt: „Die Sottheit iſt, die das beben verleiht, die Menfchheit allein nützt nichts,“ . müffen wir ſtaunend fragen, ob denn Jeſus je von feiner „Gottheit“ und „Menſch⸗ heit“ geſprochen und ob er damals ſchon feine Gottheit Jo unzweifelhaft geoffenbart habe, daß er ſolchermaßen reden konnte. Was Schlögl in den Anmerkungen hie und da einfließen läßt, zeigt gerade für ſolche Fragen wenig Verſtändnis. So ſollen ſchon bei der Heilung des Gelähmten die Feindel ) Jeſu verftanden haben, daß er als Gott betrachtet ſein wollte. Schon zu Beginn zeigt ſich da Unklarheit. Es iſt erfreulich, von den Magiern zu hören, fie ſeien gekommen, dem Neugeborenen zu huldigen; wie aber kann herodes ihnen antworten, er wolle ihn auch anbeten?
es iſt gut, das Buch zu ſchließen; denn ſonſt Räme man an kein Ende. Das Ge⸗ ſagte wird aber hinreichend erkennen laſſen, daß Schlögls Überſetzung abzuweiſen iſt und nur dem Kundigen in die Hand ge⸗ geben werden darf, der den Urtext richtig zu leſen verſteht. Dann aber bietet ſte vieles, mag man Zchlögl im Einzelfall folgen oder widerſprechen. Ich habe ſie ſchon benützt und denke oft darnach zu greifen.
B. qoannes Maria Pfättiſch (Scheuern).
Das alte Teftament überſ., eingeleitet u. erklärt von Emil Dimmler. 1. Das Buch der Weisheit. 12° (173 8.) M. Glaòbach 1920, Bolksvereins verlag. M. 10. 2. Prediger. (74 5.) 3. Jſaias. (318 8.) 4. Jeremias (278 8.) 5. Ezechiel. (270 8.) 6. Daniel, Klagelieder, Baruch. (221 8.) 7. Die kleinen Propheten. (331 8.) Ebd. 1921. Seb. je M. 7.20.
Dimmlers Ausgaben des II. T. find be⸗ Rannt. Mit fleißiger Hand hat ſich der herausgeber nun auch an die einzelnen Bücher des A. T. gemacht und läßt in er» ſtaunlich raſcher Folge Bändchen auf Bände chen erſcheinen.
Die Methode der Bearbeitung iſt im Weſentlichen die gleiche wie bei den Aus ⸗ gaben des N. T. Gute Einführungen, die
69
den geſchichtlichen hintergrund zeichnen und die wichtigſten literariſchen Probleme be⸗ rühren, leiten die einzelnen Bücher ein. Bei der Kürze der Behandlung ſollte ſich aber der Herausgeber vor Behauptungen hüten wie: „Der Unglaube hat die Deu⸗ teroiſaias⸗Frage aufgeworfen“ (Ifaias, Einl. 8. 15). Das iſt zum mindeſten ſehr irreführend.
Die Überſetzung iſt gut und berück⸗ ſichtigt an ſchwierigen Stellen den Urtext. Dadurch, ſowie durch Einfügen mancher erklärender Wörter und Wendungen ge⸗ winnt der Text an Klarheit.
Die Erklärung beſchränkt ſich im weſent⸗ lichen auf einführende Bemerkungen, die jedem Kapitel bezw. Abſchnitt vorausge- ſchickt werden, den Inhalt kurz zufammen- faſſen und wenn nötig, einſchlägige Pro⸗ bleme und Schwierigkeiten berühren. Ob dieſe Methode, ſchon rein äußerlich ge⸗ nommen, ganz glücklich iſt, darüber ließe ſich ſtreiten. Jum mindeſten erſchiene mir eine Verteilung und Einfchiebung. dieſer einführenden Erklärungen in den Text ſelber viel zweckmäßiger; denn bis man zum Text ſelber kommt, hat man den Inhalt der vorausgehenden Bemer⸗ Rungen wohl vielfach wieder vergeſſen. Eine mechaniſche Vergleichung der zu⸗ ſammengehörigen Abſchnitte iſt deshalb nicht immer möglich, weil die Zahl dieſer Abſchnitte in Text und Erklärung viel⸗ fach nicht die gleiche iſt. Ein zuſammen⸗ hängendes beſen des Textes würde dieſe Art der Anoroͤnung gleichwohl ermög⸗ lichen, da Erklärung und Text mit ver⸗ ſchiedenen Gettern gedruckt ſind.
Dimmlers Ausgaben des U. T. haben gewiß viel Uutzen und Freude geſtiftet. Die Ausgaben des A. T. werden es nicht weniger tun. Darum ſeien die handlichen Büchlein vor allem der katholiſchen Paien⸗ welt beſtens empfohlen.
P. Athanafius Miller (Beuron).
Japletal, Dincenz, 0. B., Jephtas Tochter. Kulturbilder aus der Frühzeit des jüdiſchen Volkes. 8° (VIII u. 372 8.) Daderborn, Schöningh. Geb. M. 13.— In Band II (1920 5. 187) dieſer Zeit. ſchrift hat Rezenſent über den erften Band der „Erzählungen und Betrachtungen aus
70
dem Buche der Bücher“ von Dr. IM. Höhler berichtet. Was Höhler in mehr volks- tümlicher, ſchlichter Weiſe zu bieten verſucht hat, das verſucht hier ein berufener Vertreter der altteſtamentl. Wiſſenſchaft in großem Stile auf Grund reicher exegetiſch⸗wiſſen⸗ ſchaftlicher Kenntniſſe und perfönlicher Er»
fahrungen und Erlebniffe im Lande der.
Bibel. Der gedrängte, einfache Bericht von gephtas Geben, Taten und Schickſalen iſt hier in ein ungeheuer reiches Gewand bibliſch⸗archäologiſcher Schilderungen aus dem Alltagsleben des Morgenlandes ge⸗ hüllt. Faſt möchte man meinen, es wäre hierin zu viel des Guten geboten; denn dadurch wird die ganze Erzählung nicht nur im allgemeinen zu breit, ſondern auch viele Einzelheiten müſſen dabei doch recht geſucht und unnatürlich untergebracht werden. Warum muß z. B. 8. 17 f. Jephta mit feinem Spielkamerad den Schmerz der bekannten Natanparabel erleiden (2. Sam. 12. 1 ff.)? Der Charakter Jephtas, das Werden und Wirken des helden iſt ſonſt im Ganzen gut gezeichnet. Der Erzählung fehlen nicht ſpannende, ja ergreifende Einzelſchilderungen. Feſſelnd leſen ſich 3. B. Abſchnitte wie die „Abende“ oder „In Begleitung einer Karawane“. Über der Tragik des blutigen Opfertodes felbft führt uns der Derfaffer in diskreter Weiſe raſch hinweg.
Wäre es geſtattet, über den geſchichtlichen Wert der Schilderungen ein Wort zu Jagen, fo müßte man alleröings wohl hinter manches ein Fragezeichen ſetzen. Das Buch enthält eine etwas ſtarke Miſchung von Altertum und Ueuzeit. Decken ſich die jetzigen arabiſchen Sitten und Anſchau⸗ ungen auch in vielem mit den Gebräuchen der alten Zeit, fo darf man doch nicht ſchlechthin alles Heutige in jene Jahr⸗ hunderte zurückverlegen. Dies gilt be⸗ ſonders von ſo vielen modernen Albern⸗ heiten und Tollheiten (vgl. 3. B. 8. 14; 72; 207), die man leicht vermiſſen könnte. Geſchichtlich unpſuchologiſch wirkt auch die väterliche Ermahnung an Jephta (8. 71). Der freie, jugendliche Verkehr beider Ge- ſchlechter dagegen, wie ihn der Verfaſſer im allgemeinen nicht nur anläßlich der Hochzeit ſchildert, iſt heute ſicher nicht die Regel. Im alten Israel mag es gleich
wohl ſo geweſen ſein. Der „Jordankaſten“ (S. 89) ſtützt ſich wohl auf eine Darſtellung der Madabakarte. Die jährliche Verteilung des Ackerfeldes mit einem Strick erinnert ſtark an Gebräuche, wie fie unter der Türkenherrſchaft in der Philiſterebene herrſchten. Mit der Zeit unſerer Erzäh- lung haben alle diefe Dinge kgum etwas zu tun.
Daß der Derfaffer Fephta feine Tochter wirklich opfern läßt, ift bei einem Alt⸗ teſtamentler ſelbſtverſtändlich. Jede andere Auffaſſung beweiſt wenig Derftänönis für Text und Zeitgeſchichte. Dagegen fällt die ganze, ſonſt kräftig gehaltene Er» zählung am Scluffe leider ſtark ab. Hier wird Jephta der held auf einmal — man verzeihe den Ausdruck — reif für die pſuchiatriſche Klinik und ſiecht und ſtirbt kläglich dahin in Schwermut urid Der- zweiflung über eine Tat feines Gewilfens.
Das Buch bietet viel des Anregenden, Spannenden und archäologiſch Belehren⸗ den. Ich möchte aber glauben, die meiſten Gefer werden ſich ſchließlich doch an dem einfachen, ſchlichten Text der Bibel mehr erbauen, als an dieſer Art von „Mid- raſchim “.
P. Athanaſius Miller (Beuron).
Die kirchliche Dermittlung der Sünden. vergebung nach Auguftinus. Zonder⸗ abö ruck aus der Zeitſchrift für katholifche Theologie Band XLV (1921). Don Dr. Bernhard Poſchmann, Prof. d. Theol. in Braunsberg. 80 (80 8.) Im Selbſtverlag.
Für Auguftinus ſteht es unerſchütterlich feft, daß die Sündenvergebung nur in der Kirche möglich iſt. In der Frage aber nach dem Inhalt der kirchlichen Göfegewalt iſt A. nicht Jo klar.
Hier müſſen drei Faktoren zuſammen⸗ wirken: die perſönliche Bußleiſtung, Sott und die Kirche. 1) die Sünde muß bei der Buße — anders bei der Taufe — durch perfönlihe Anſtrengung geſühnt werden. Dabei betont A. vorzüglich die Bußgeſin⸗ nung, die Reue, im Gegenſatz zu Origenes und Cuprian, die den Uachoͤruck auf die Genugtuung legen. — 2) Gott erweckt den Sünder zu neuem Geben (suscitatio). Die unmittelbare Wirkung der göttlichen Wiedererweckung ift die „confessio“, ö. i.
die irgenöwie geäußerte Reue, mit der aber nach A. nicht ſchon die Sünden ver⸗ gebung, die eigentliche Wiedergeburt ge⸗ geben ift; fie iſt vielmehr nur die Wege⸗ bereitung für Gott, damit er zum Sünder komme. — 3) Der von Gott zum neuen beben Erweckte muß noch gelöft werden (solutio). Dies hat die Kirche zu tun. Sie löſt den „reatus peccati“ der auch nach der göttlichen „suscitatio“ in der Seele bleibt, alſo nicht nur die Strafe, ſondern auch die Schuld.
Der heilige Geift ift es, der die Sünden nachläßt; dieſer Heilige Geift iſt nur in der wahren Kirche. Alſo gibt es nach A. außer der wahren Kirche keine Sünden⸗ vergebung. Die eigentliche Wirkurſache iſt nicht das sacramentum an ſich, ſondern der Eintritt in die organiſche Lebens gemeinſchaft mit der Kirche der heiligen, d. i. der Gläubigen, welche den hl. Geiſt beſitzen. Der heilige Geift gießt die Liebe in die herzen der in die Kirche Eintreten⸗ den und die Giebe tilgt die Sünden. Die prieſterliche Tätigkeit der Löſung beſteht in der Wiedervereinigung der Sünder mit der Kirche, und fo iſt die ſakramentale Gewalt das unentbehrliche Mittel zur Mit⸗ teilung des Heiligen Geiftes, d. i. der Recht⸗ fertigung nach der negativen und pofitiven Seite. Dadurch, daß der kirchliche minister kraft amtlicher Ausübung der Schlüſſel⸗ gewalt, nicht mit Rückſicht auf ſeine per⸗ ſönliche ſittliche Beſchaffenheit, dem Sünder den Einlaß in die Kirche der heiligen ver⸗ mittelt, wirkt er, als causa instrumen⸗ talis, ex opere operato die Sündenver⸗ gebung.
So gibt es für Auguftinus außer der Kirche kein Heil. Indes iſt nach ihm die krirchlich⸗ſakramentale Vermittlung der Gnade nicht abſolut notwendig, wenn fie ſchon normalerweiſe gefordert iſt. hier finden ſich bei Auguftinus zwei unaus⸗ geglichene Dorftellungen, ebenſo wie Au- guſtinus in der Frage nach dem Gegen⸗ ſtand der Buße und in der behre, daß gewiſſe ſchwere Sünden noch im Fenſeits vergeben werden können auf Schwierig keiten ſtößt, die er nicht vollmommen zu löſen vermag. Eine private Buße, ins- befondere für Rückfällige, kennt Augu⸗ ſtinus nicht.
71
D.’s Unterſuchungen zeugen von einer intenfiven Beſchäftigung mit der überaus ſchwierigen Frage, in welche fie viel Licht bringen. Man wird indes nicht allen, Anſichten des D. ohne weiteres zuſtimmen können. Die Frage nach der Privatbuße dürfte auch durch P.“s Polemik gegen Prof. Adam nicht entſchieden ſein.
P. Benedikt Baur (Beuron).
Guardini, Dr. R., Die Lehre des hl. Bonaventura von der Erlöfung. gr. 8°. (XX u. 206 8.) Düſſeldorf 1921, Schwann. m. 25.—
„Der Gegenftand dieſer Schrift ift zu⸗ nächſt ein geſchichtlicher, aber ihre eigent⸗ liche Abſicht zielt auf das Zuſtematiſche.“ Dementſprechend finden wir zwar, jeweils am Schluß einer Gedankengruppe, Hin⸗ weiſe auf Auguftinus, Pſeudodionuſtus, Anſelm, Alexander von Hales u. a., auch gelegentlich eine feingefühlte Andeutung, wie ſich eine beſtimmte Auffalfung des hl. Bonaventura aus feiner perſönlichen Eigentümlichkeit und Stellung erklärt, aber „es kam dem Derfalfer nicht fo ſehr darauf an, zu zeigen, wie der Meiſter zu dieſer oder jener Anſchauung kam, [on« dern darauf, wie fie ſuſtematiſch im Geöankenkomplex ſeiner Gehre ſtehe, und ferner, ob der betreffenden Gedanken⸗ fügung eine tupiſche, für den Aufbau der Soteriologie überhaupt maßgebende Be⸗ deutung innewohne.“ Bonaventura aber wurde deshalb zur Grundlage gewählt, weil bei ihm der ganze Reichtum der Erlöſungslehre an ſpekulativen, muſti⸗ [hen und praktiſchen Gedanken wie bei keinem anderen Scholaftiker zur Ent» faltung komme; vgl. beſonders den dritten Teil, wo die Erlöſung nicht bloß behandelt iſt als Genugtuung, ſondern auch als Belehrung und Erziehung, als Neu⸗ ſchöpfung, als Wiederherſtellung der Ge- meinſchaft mit Gott, als Befreiung von der Gewalt des Teufels, ferner in ihrer Beziehung zum muſtiſchen Leib Chriſti und zum Seelenlicht. Dadurch wird neben⸗ bei der Dorwurf entkräftet, daß die mittel⸗ alterliche Theologie die Satis faktionsidee einſeitig betont hätte. Dieſen Reichtum an Gedanken über die Erlöſung gewinnt man allerdings nur, wenn man, wie Der«
72
faſſer es getan hat, ſämtliche Werke des hl. Bonaventura durcharbeitet. Es iſt bewundernswert, wie er den reichen und ‚komplizierten Stoff meiſtert und zu einem lebensvollen, einheitlichen und überſicht⸗ lichen Ganzen verbindet. Er ſteht ganz über dem Stoff und ſieht auch die Unvollkommenheiten in der Lehre des Heiligen. Das zeugt von einer großen ſpekulativen und dialektiſchen Kraft und gründlichen, ſelbſtändigen theologiſchen Durchbildung. P. Placidus Pflumm (Neresheim).
Scharſch, Ph., Obl. m. J., Die Devo⸗ tionsbeichte. Die Tilgung der läßlichen Sünde in der heiligen Beichte. Lehre und Anleitung. 8° (229 8.) Leipzig 1920, Dier-Quellen-Derlag. Seb. M. 16.—.
ein wichtiges Glied im Organismus des geiſtlichen Lebens wird hier zum erſten Mal allſeitig und grundſätzlich behandelt. Die Gehre iſt theologiſch klar und gediegen. Die Anleitung voll Umſicht, Menſchen⸗ kenntnis, Milde. Die Sprache edel, friſch, anziehend.
Die erften drei Kapitel haben mehr vor⸗ bereitenden Charakter. Im Rampf gegen die läßliche Sünde, deren Eigenart und Wirkungen das 1. Kap. darſtellt, iſt die Devotionsbeicht (Heiligungsbeicht) nur ein Mittel unter vielen anderen (Kap. 2), je⸗ doch neben der heiligen Eudjariftie das wirkfamfte (Rap. 8). Die Kapitel 4— 10 bilden den Kern des Buches. Sie regen an zu einer gründlichen Ueugeſtaltung des herkömmlichen Beichtbetriebs. Grund- legend iſt (Rap. 4) die Beſinnung auf den Doppelzweck der Beicht: Reinigung der Seele von der begangenen Sünde und Bewahrung der Seele vor der künftigen Sünde. Mag bei der ſeltenen und bei der Bekehrungsbeicht die Vergangenheits⸗ wirkung der Hauptzweck fein, bei der Devotions- (oder Erziehungs ) Beicht muß das Hauptaugenmerk ſich auf die Zu- Runftswirkung richten. Die Devotions⸗ beicht ſoll eine Schule der Selbſterziehung fein. Dieſer Gedanke wird in den Kapiteln 8 10 auf die einzelnen Beſtandteile der Beicht (Gegenftand, Gewiſſenserforſchung, Reue, Vorſatz, Anklage, Genugtuung) an⸗ gewandt. Um jeden Anlaß zu Angſtlich⸗
Reit auszuſchalten, erledigt der Verf. jedes» mal zuerſt mit Sorgfalt die Bedingungen, unter denen die Beicht gültig iſt, und geht erſt dann an das eigentliche Thema: wie wird die gültige Beicht auch frucht⸗ bar. Es wird Reinen beſer geben, der nicht neue Klärung, Beruhigung und Er⸗ munterung erfährt bei der Lektüre der Kapitel über Gewiſſenserforſchung und Reue. Die wertvollſten Abſchnitte aber ſind die Kapitel über den Vorſatz (8 und 10). Die Dernadläffigung des Vorſatzes iſt der Grund, warum ſo viele Beichten faſt ohne Einfluß auf das Geben bleiben. Die meiſten Geute begnügen ſich mit dem virtuellen, d. h. im Reueakt enthaltenen Vorſatz oder doch mit dem ganz all« gemeinen, nicht mehr ſündigen zu wollen. Aber es iſt klar, daß nur der ausdrück⸗
liche, klar gefaßte, der eigenen Not und
Kraft angepaßte, die vorbeugenden, an⸗ eifernden, ſühnenden Mittel voraus- beſtimmende Vorſatz, nur ein Vorſatz alſo, der als ſelbſtändiger Derftandes- und Willensakt in die Zukunft [haut und fie zu bemeiſtern fucht, die Beicht wahrhaft wirkſam und fruchtbar machen kann. Die drei letzten Kapitel betrachten die Devotionsbeicht wiederum als Ganzes und erledigen die Fragen, wie oft man beichten, ſoll, welche Früchte man von der häu⸗ figen Beicht erwarten darf, und in wel⸗ chem Verhältnis Devotionsbeicht und täg⸗ liche Kommunion zu einander ſtehen. Der Seiſt des hl. Franz von Sales und der hl. Gertrud weht in diefem Buche. Mit Vorliebe beruft ſich der Verf. auf dieſe beiden Heiligen. Dem Geifte diefer Heiligen entſprechen die beiden Grundgedanken des Buches: in der Devotionsbeichte geſchehe alles aus Liebe, mit weitherziger Freiheit und hochherzigem Eifer, und dann: in geiſtlichen Dingen hat nicht das Gefühl zu entſcheiden, ſondern die zielklare Der- ftandeserwägung.
Das Hauptverdienſt des Buches befteht aber darin, daß es die pofitive Seite der Buße wieder mehr ins bicht rückt und dazu anleitet, die Beicht nicht einſeitig als Reinigungsbad zu betrachten, ſondern als weckende Kraftquelle, nicht als ein bloß ab⸗ ſchließendes Aufräumen und Reinmachen, ſondern als tatfrohen Anfang, als neuen
Stützpunkt für Jukunftsbemeiſterung, als göttliche Ausrüftung und Weihe für den Angriff.
Ein kleines Sachregiſter würde das Wiederaufſuchen der trefflichen Ratſchläge und Grund ſätze, die durch das ganze Buch hin zerſtreut ſind, erleichtern. In der Dar⸗ ſtellung der behre von der läßlichen Sünde vermißt man eine Einteilung der Arten der läßlichen Sünden nach ihrer Schwere. Auch der Unterſchied zwiſchen Unvoll⸗ kommenheit uud läßlicher Sünde (8. 9 und 74) dürfte eingehender und grund⸗ ſãtzlicher behandelt fein.
P. Bernhard Barth (Maria - Paach).
Zürcher, Ambros, O0. 8. B., Gute menſchen. handbücher zur heran⸗ bildung guter Menſchen. Taſchen⸗ format. Einfiedeln 1921. Benziger